Samstag, 19. Oktober 2019

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Wieder zur Arbeit, immer das Gleiche, kein Ausweg in Sicht, es war Mittwoch.
Bei der Arbeit musst du mit Leib UND SEELE dabei sein, hatte man ihm an seinem ersten Arbeitstag gesagt. Was für ein Unsinn.
Der Kollege, der Schmidt diesen Rat gab, meinte das wirklich ernst. Wenn es um Projektarbeitsgruppen oder freiwillige Vertretungen und Zusatzdienste ging, meldete er sich als erster. Er war immer ansprechbar, immer freundlich, immer engagiert, immer interessiert, immer positiv, niemals kritisch. Er hatte es auf einen Abteilungsleiterposten abgesehen. Als dann so eine Stelle ausgeschrieben wurde und er sich bewarb, wurde er nicht mal zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Die Stelle wurde an eine Bewerberin von außerhalb vergeben. Die Abteilung war erleichtert, weil sie keinen Streber als Leiter haben wollte. Nach einem dreiviertel Jahr entpuppte sich die neue Abteilungsleiterin als unberechenbare, hysterische Cholerikerin, die oft krankgeschrieben war und gern ihre Untergebenen wegen Kleinigkeiten vor allen anderen zusammenschrie.
Der engagierte Kollege ließ sich nichts anmerken und lief weiter gut gelaunt und engagiert durch den Bürotrakt. Bei neuen Projekten war er immer noch vorne mit dabei, aber dann waren Veränderungen an ihm zu beobachten. Er wirkte oft fahrig und es dauerte nicht lange, bis er eine Abmahnung wegen nachlassender Leistung und einer zu hohen Fehlerquote erhielt.
Am Anfang hatte Schmidt das Spielchen natürlich auch mitgespielt, hatte an ein paar Arbeitsgruppen teilgenommen und immer so getan, als sei er an der Materie im höchsten Maße interessiert. Als die Probezeit vorbei war, zog er sich nach und nach zurück und irgendwann ließen sie ihn dann auch mit lästigen Zusatzaufgaben weitestgehend in Ruhe.
Diese Arbeit erschien ihm nicht nur sinnlos, Schmidt wusste, sie war sinnlos. Wären die meisten Menschen nicht so dumm, hätten sie längst erkannt, dass dieses Unternehmen nicht nur völlig überflüssig war, sondern dass ihr Leben ohne es sogar viel lebenswerter wäre.
Diese Arbeit war nichts als ein notwendiges Übel. Ein absurdes Spiel, das die Leute krank machte, wenn sie distanzlos darin aufgingen. Er wollte den Arbeitstag nur noch ohne allzu große Demütigungen rumkriegen und sich am Feierabend in Fernsehunterhaltung und am Wochenende in Alkohol flüchten. Er hatte inzwischen den Wodka für sich entdeckt. Er war effektiver als Bier und bereitete ihm nicht so einen großen Kater. Schmidt trank nur um der Wirkung willen und wenn er trank, dann trank er schnell, viel zu schnell; es war ein Ausdruck seiner Ungeduld, im Grunde die Sehnsucht nach einem schnellen Tod.