Montag, 28. September 2020

 Was tut man nicht alles, um überhaupt was zu tun.


Um sich seine Jugend im Alter zu bewahren, sollte man akzeptiert haben, dass sie irgendwann einfach vorbei war.


Auch die gelöste Restalkoholstimmung am Tag danach gehörte damals immer dazu.


Als der Trash noch nicht medialer Mainstream war, mussten wir ihn uns selber ironisch erschließen; da hatte er noch Spaß gemacht.


Er war kein Arsch und ließ sich durchaus gern eines Besseren belehren, aber solange seine negativ besetzten Vorurteile ihn tatsächlich vor Schaden bewahrten, hielt er lieber an ihnen fest.


Die Wahrheiten, die er in Widersprüchen fand, waren ihm immer die liebsten.

Dienstag, 15. September 2020

 Mit das Zermürbendste an dem Job war, nach all den Jahren immer noch Interesse daran heucheln zu müssen.


Gefangen in den Routinen seines Arbeitslebens verkümmerten die Tage zu Sandkörnern in einer ablaufenden Sanduhr.


Sich in Illusionen zu flüchten, fand er nun mal lebensbejahender als das nüchterne reale Leben. In dieser Hinsicht machte er sich keine Illusionen.


Lieber am Hauptbahnhof rumlungern als gar keine Sozialkontakte.


Die Wahl des Wohnortes, der Wohnungseinrichtung, der Bekleidung, sogar die der Freundschaften: Irgendwann unterlag alles nur noch rein pragmatischen Überlegungen. Es sollte funktionieren, so wie man selbst funktionierte.


Einst nur eine jugendliche Pose, hielt er viel zu lange an dieser Anti-Haltung fest, an der unheilvollen Abwertung des normalen, durchschnittlichen Lebens. Er scheiterte und manövrierte sich in die Einsamkeit.


Als sich dann die Prüderie in ihr Gegenteil verkehrte, tat man Sexualität und Erotik auch wieder keinen Gefallen.


Ein oberflächlicher Mensch an deiner Seite höhlt dich aus, ein boshafter macht dich bitter. Ein warmherzig fröhlicher rettet dir das Leben.


All die alten Freuden verblassten nach und nach, neue kamen nur spärlich auf und um sie überhaupt zu erkennen, musste er schon ganz genau hinsehen. Altwerden erfordert Achtsamkeit.


Sonntagmorgens gehe ich zum Brötchenholen nicht mehr allzu früh aus dem Haus, weil ich keinen betrunkenen Nachtschwärmern begegnen möchte. Früher war ich selbst so ein Betrunkener, zwar harmlos, aber das sah man mir durchaus nicht an.


Als dann die Zeit der Partys und Clubs für ihn endgültig vorbei war, ging die Wochenendsauferei zu Hause weiter; fatalerweise versöhnte sie ihn mit seiner Einsamkeit.


Die eigentliche berufliche Herausforderung sah er längst nicht mehr im Beruf, sondern im täglichen Ertragen des Arbeitsumfelds: eine achtstündige Übung in Resilienz, die er sich zunutze machte.


Seine Kontrollwut führte ihn schnurstracks in den Kontrollverlust.


Hysterisch heulende Kinder, die ihren Willen nicht bekommen, sieht er als Erwachsene vor sich, die sich lediglich äußerlich weniger anmerken lassen.


Lange, viel zu lange dachte er drüber nach, bis er endlich "ach Scheiße" dachte und eine imaginäre Spülung drückte.


Elitäre Kulturschaffende, die ihre Wichtigkeit betonen, sich vernetzen und sich miteinander selbst feiern: Herr L. hatte irgendwann genug davon und stieg aus und fand seinen Frieden bei ehrlicher Hausmannskost und gut gemachter Unterhaltung.