Montag, 30. November 2020

 Früher wollte auch er immer der Erste und Beste sein, aber dann verlor er das Interesse an jeglicher Art von Wettkampf. Seitdem hat er sich nie wieder als Verlierer gefühlt.


In seiner Kindheit gab es die böse Hexe und dann Dracula und noch andere Untote. Jetzt sind es Nachbarn, Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Die Kindheit war weit weniger schaurig.


Ein offenes, unbeschwertes Naturell, das eine fröhliche Stimmung verbreitet, ohne dabei oberflächlich zu sein, macht dich zum exklusiven Frauenschwarm. Aber mit Muskeln und exklusivem Sportauto steht dir ja auch immer noch die Billigvariante offen.


Obwohl sich seine persönlichen Erfahrungen beim Trinken von Bier so gar nicht mit den Bierwerbespots im Fernsehen in Einklang bringen ließen, trank er es ausgesprochen gern.


Dem Schwarzwälder Tanzbodenkönig Hannes stieg in jungen Jahren der Ruhm zu Kopfe, doch besann er sich beizeiten auf seine Bodenständigkeit und so lebte er glücklich, zufrieden und der Heimat treu. Ein tüchtig Weib gabs obendrein.


Heb' dir deine Rache grundsätzlich für später auf! Dann wird sie kalt und du verlierst hoffentlich die Lust daran.


Als er dann endlich dazu überging, alles etwas langsamer und geduldiger anzugehen, entdeckte er erst all die unscheinbaren Annehmlichkeiten überall.


Seine geduldig erarbeitete Gelassenheit bewahrte ihn nicht nur vor mancherlei Schaden, sie war vor allem all die Mühe um ihrer selbst willen wert.


Montag, 23. November 2020

 Auf der Filmhochschule sah sich Marlon M. schon als Der Deutsche Tarantino. Jetzt, mit Ende 30, bringt er für RTL2-Produktionen Hartz IV-Empfänger dazu, sich vor laufender Kamera lächerlich zu machen. Es geht ihm gut dabei, es schmeichelt seinem Ego.


Statt Tatendrang und Vergnügen empfindet Friedrich F. nur noch eine sture und mürrische Bequemlichkeit. Das habe ich mir verdient, pflegt er zu argumentieren.


Sich die Dinge schönreden ist ein schaler Betrug. Schön denken eine Kunst.


"Ja, dann ist das eben so!": Die Lieblingsfloskel der Abteilungsleiterin, wenn sie mal wieder nicht weiter wusste, wurde nach und nach zur Lieblingsfloskel der ganzen Abteilung und das Arbeiten dort zusehends angenehmer.


Die giftige Empörung war längst Teil des Spiels und fing auch schon an zu langweilen.


Als er dann den ganzen Krempel seiner Eltern erbte, wusste er wieder, warum er selbst so genügsam lebte.


Seine alten Lieblingsfilme und -sendungen schaut er am liebsten in aller Ruhe und leicht zugedröhnt mit abgestelltem Ton. So, als hielte er deprimiert Rückblick auf sein vertanes Leben.


Sein Leben ist ereignisarm und deswegen gefällt es ihm immer besser.


Wenn im Moment des Sterbens das ganze Leben wirklich nochmal an einem vorbeizieht, müssen 'ne Menge Leute bald damit rechnen, dass sie sich dabei größtenteils auf der Couch vor dem Fernseher wiederfinden. Also zumindest, wenn es authentisch und objektiv vonstatten geht.


Er war nicht unbedingt faul, eher entspannt und unambitioniert. Und er hatte was vom Leben, ohne es zu etwas gebracht zu haben.


Der brave Angestellte Sigmar R. sympathisiert im Büro heimlich mit den immer wieder störrisch verdrehten Telefonhörerkabeln.


Das Leben, das seine Eltern ihm vorgelebt haben, hat ihm nicht gepasst. Das Leben, das er dann geführt hat, war's aber irgendwie auch nicht. Immerhin hat er's niemandem vorgelebt.

Sonntag, 1. November 2020

Als Kind wollte er Drachen töten, seine Feinde zerschmettern und irgendwas mit der Prinzessin machen. Jetzt trägt er 8 Stunden täglich ein quietschbuntes Poloshirt mit dem Logo seines Arbeitgebers auf der Brust und ist zur Freundlichkeit verpflichtet.


Das Leben des Steuerfachgehilfen Manfred M. verlief unaufgeregt und verlässlich. Auf dem Weg zur Arbeit lag ein unbeschrankter Bahnübergang. Musste er bei Rot halten, wurde die Vorstellung, kurz vor dem Zug doch noch schnell loszubrettern, von Mal zu Mal drängender und erregender.


In jungen Jahren hatte er sich auf so ein ausgesprochen hübsches und ebenso dummes Ding eingelassen und musste sich dann für den Rest seines Lebens mit ihr unterhalten. Irgendwann lutschte er Minzbonbons und die Flaschen versteckte er im ganzen Haus verstreut.


Beruflich endlich Fuß gefasst konnte er sich dann all die Schallplatten kaufen, die er schon so lange haben wollte. Die überwältigenden Emotionen, die die Musik in seiner Jugend bei ihm ausgelöst hatte, aber nicht.


Gehen Schulklassen eigentlich immer noch ins Kino für pädagogisch wertvolle Filme? Wir waren damals in "Gandhi" und der Film inspirierte uns: Bereits am nächsten Tag kursierte auf dem Schulhof der Witz "Mahatma Gandhi und ma hat ma Husten".


Als das "A-TEAM" damals im deutschen Fernsehen anlief, sahen Jens und Carsten allein aus tiefsitzendem Respekt vor dem deutschen TÜV davon ab, sich affengeile Extras an ihre Autos zu schweißen.


Bereits voller Sorgen besorgte er sich noch mehr Sorgen, um endlich vom vielen Sorgenmachen erschöpft und gleichgültig seinen Frieden zu finden.