Sonntag, 23. Januar 2022

 Früher hatte auch ich mal eine hohe Meinung von mir selbst, aber der immer wieder gerecht werden zu müssen, ist mir dann doch zu mühselig geworden.


Bei einem kalten Bier genoss er die Wärme und den herrlichen Blick auf den heimischen, prall gefüllten Backofen. Er war ein echter Glückspilz und dass seine Mutter ihn ausgerechnet jetzt fragte, wann er denn nun endlich wieder auszieht, sah er ihr nach.


Er hat schon immer ständig Fernsehen geschaut, schon seit seiner frühesten Kindheit. Um jetzt seine Vergangenheit aufzuarbeiten, braucht er sich bloß die alten Filme und Sendungen wieder ansehen, da wird ihm wieder alles klar.


In meiner Kindheit in den 70ern trugen wir eine Trainingshose, wenn wir trainierten oder auf dem Weg dahin waren. Die typische Trainingshose von heute ist ja eher entspannt und ungezwungen unterwegs.


Beim Reden verzettelte er sich, versaute es, verzapfte er viel Mist: Missverständnisse, Peinlichkeiten, richtige Dummheiten. Beim Schreiben funkte ihm niemand dazwischen, die Gedanken konnten fließen, abfließen. Schreiben befreite, reden belastete.


Als er sich mit Anfang 50 sein Leben mal so betrachtete, musste er zweifelsohne feststellen, dass er beruflich wie privat gescheitert war, da gab es nichts dran zu rütteln. Was ihn tröstete, war der Umstand, dass er in all den Jahren diesbezüglich aber auch nie irgendwelche nennenswerte Ambitionen verfolgt hatte.


Als Jugendlicher kokettierte er mit der Pose eines Depressiven, hörte so Bands wie Joy Division und meinte depressiv zu sein, bedeute abgeklärt, teilnahmslos und gleichgültig abzuhängen. Jetzt weiß er, dass es genau das Gegenteil von abgeklärt, teilnahmslos und gleichgültig ist.

Sonntag, 9. Januar 2022

 Der Zorn Gottes wird euch treffen! In all seiner Unbarmherzigkeit wird er euch zerschmettern, euch niedermetzeln! Mit zerrissenem Fleisch und zerborstenen Knochen werdet ihr winselnd daniederliegen und elendig zugrunde gehen! - Oder auch nich, is halt schon auch Glückssache.


Sein Schicksal war es nicht gewesen, vielmehr sein Denken. Aber das war ihm erst klar geworden, als die ganze Chose für ihn schon gelaufen war. Er machte sich noch ein Bier auf und blickte mal wieder zurück, nach vorn mochte er nicht mehr.


Dass sein Job inzwischen größtenteils ein Bullshit-Job ist, also in der Hauptsache aus völlig unnötigen und sinnlosen Tätigkeiten besteht, hat er längst akzeptiert und er nimmt es mit Humor. Dass sich sein Privatleben ähnlich entwickelt, hat er noch nicht bemerkt.


Der dort herrschende raue Umgangston war nicht "im Grunde herzlich" und auch nicht "einfach nur ehrlich", er war vulgär und gerade ihm gegenüber, da er sich trotz allem seine Höflichkeit bewahrte, sehr herabsetzend.


Manche Gespräche lassen ihn vollkommen dummes Zeug reden. Entgeistert hört er sich dann selber zu. Im Beruflichem vor allem, mit Kolleginnen und Kollegen, da redet man gezwungenermaßen viel dummes Zeug.


Seine Geltungssucht ließ ihn zeitlebens nicht los. Und deswegen veranstaltete er all dieses Getöse und Getue. Sein ganzes Leben: ein einziges Getöse und Getue. - Was für ein Affentheater, was für ein armer Wicht!


Und alle waren sie dann darauf aus, voller Überzeugung und Stolz einen möglichst großen Haufen zu machen, einen so richtig mächtigen Haufen. Natürlich auch als Hinterlassenschaft für die Nachkommen, ach was, für die Nachkommen - für die gesamte Nachwelt!


Seit knapp einem Jahr trinkt er keinen Alkohol mehr. Immer mal wieder erzählt er anderen, wie gut es ihm jetzt geht und wie wohl er sich jetzt fühlt. Nicht weil es wirklich so ist, sondern um sich selbst zu motivieren und das ist völlig in Ordnung.


Die Trinkerei war keine große Sache mehr. Seine Sorgen und Ängste lösten sich in Stumpfsinn auf, das war's. Wäre sein Leben nicht so kläglich und er nicht so ein Jammerlappen, könnte er glatt drauf verzichten, aber so - er gönnte sich noch ein Glas.


Die Aussage, ausgetüftelt, wie sie war, wollte zugleich auf vielen Wegen unterwegs und in vielerlei Stuben willkommen sein; sie landete im Nirgendwo.

Montag, 3. Januar 2022

 Wie oft schon hat er gesagt "ja, ich freue mich" und sich anschließend mies gefühlt, weil er eigentlich immer auch meint, was er sagt. Und wäre er ehrlich gewesen, hätte er sich noch mieser gefühlt.


Aber am schönsten ist Heiligabend doch mit kleinen Kindern. Weißt du noch, damals, der Dirk, wie er vor lauter Freude und Aufregung Pipi in die Hose gemacht hat, als er sein M16-Spielzeug-Sturmgewehr ausgepackt hat. Das sind so Momente, die vergisst man nicht.


Rolf 'Ralle' W. war nun mal hochsensibel gegenüber den eigenen Empfindlichkeiten und daran änderte auch das richterlich angeordnete Antiaggressionstraining herzlich wenig.


Die Klugen und Vernünftigen halten sich eher zurück, das Vorpreschen übernehmen gern andere. So bedauerlich das auch ist, bei den Familientreffen der Grubers, also der von der Grubers Hanni, da sorgt aber genau das jedes Mal für mächtig Stimmung in der Bude.


Herr P. steht ja lieber am Altglascontainer als am Pfandautomat; da geht es nicht um finanzielle Interessen.
Und beim Einwerfen der Wein- und Schnapsflaschen hat sich auch schon so manch launiges Gespräch unter Gleichgesinnten ergeben.


In seiner Plattenbauwohnung dudelte das Radio, die ganze Zeit, tags wie nachts, sehr laut, irgend so ein schriller Hitsender, ganz egal, er war allein und alt und das Gedudel beruhigte ihn, - während die Nachbarn nach und nach Mordphantasien entwickelten.