Samstag, 20. Januar 2024

 Aber was die Welt da draußen betraf: Da interessierte ihn im Grunde nur noch das Wetter. Nur das entschied, ob er überhaupt noch raus ging oder nicht.


"Das war's dann also", hat mein Vater gesagt, als er die Diagnose erhielt. 2 Wochen später war er tot. In der Zwischenzeit hat er natürlich noch mehr gesagt, aber nur dieses nüchtern resignierte "Das war's dann also" war noch von Bedeutung und ist mir in Erinnerung geblieben.


Er will niemandem auf den Sack gehen, das ist ihm wichtig. Aber auf irgendeine Weise geht ja jeder irgendwem irgendwo auf den Sack, das bleibt nicht aus. Der Mensch ist wohl so, dass er sich gegenseitig auf den Sack gehen muss; das gehört dazu, zum Menschsein.


Noch als junger Mann mit Anfang 20 glaubte er an Abenteuer. Er hatte etliche Filme gesehen und jeden Tag schaute er neue Filme. Action, Liebe, Gewalt: Das wollte er auch, da sah er sich.


Wenn die Bevölkerung so weitermacht, ist sie aber so langsam bei der Regierung endgültig unten durch.


Er ist jetzt Mitte 50, bislang lief's immer irgendwie, er hat sich nie beklagt. Aber der noch anstehende Lebensabend macht ihm zu schaffen. Dass der in irgendeiner Weise angenehm wird, glaubt er nicht mehr. Das hat man ihm jetzt schon genommen.


Das aber war ihm wichtig, darauf achtete er: Den inzwischen allerorts vorherrschenden und verheerenden Groll nicht in sein Herz und schon gar nicht in seinen Magen zu lassen. Er wollte noch genießen können.

Samstag, 13. Januar 2024

 Was die Leute auch immer aufeinander rumhacken müssen, wie sie miteinander umgehen; wie aufgebrachte, missgünstige Kinder sind sie. Und dennoch hocken sie beieinander, bei jeder sich bietenden Gelegenheit hocken sie beieinander.


Wenn ich in Rente gehe, werde ich wohl aufs Land ziehen, wo die Welt noch überschaubar und in Ordnung ist, und da werde ich dann mit Humor und Spitzbübigkeit Kriminalfälle lösen.


Und wenn er nach der Maloche auf dem Sofa hockte mit seinem Bier vor sich, da war er dann immer zufrieden und reizbar zugleich. Wie ein Hund, der an einem Knochen nagt.

Samstag, 6. Januar 2024

 Meistens blieb er daheim in seiner Wohnung. Manchmal ging er raus, spazieren, immer die gleiche Runde und eigentlich nur, um wieder in seine Wohnung zurückzukehren, da hatte er soweit alles.


Dann kaufte er wirklich nur noch das wirklich Nötige und er fand sogar Gefallen an der Genügsamkeit. Dass das in gewisser Hinsicht ja sogar "subversiv" sei, interessierte ihn allerdings einen Scheißdreck.


Kunst erkannte er in etwa von da an, wo sie zur Dekoration verkam. Dann sprach sie zu ihm, dann war er ein ums andere Mal ergriffen und dann redete er Scheiße, die er irgendwo aufgeschnappt hatte.

Mittwoch, 3. Januar 2024

 Altgewordene Paare, die immer noch liebevoll und ruhig miteinander umgingen, waren die einzigen Menschen, die ihn noch rührten. Das, was sie hatten, war so ziemlich das Größte, was er sich vorstellen konnte.


Wohl ahnend, dass sein Unglück allein in ihm selbst lag, schraubte er aber weiterhin lieber an den äußeren Bedingungen. In seiner Umtriebigkeit fand er immerhin etwas Ablenkung.


Auf dem frühmorgendlichen Gang zur Arbeit fand er auf der Straße einen zerknüllten 20 Euro-Schein. Den hat bestimmt so'n rotzbesoffener Nichtsnutz verloren, dachte er sich und die Schadenfreude darüber erheiterte ihn mehr als die 20 Euro. Die brauchte er im Grunde gar nicht.


Am häufigsten und liebsten aber schimpfte er übers Wetter, die höhere Gewalt, an der sich nicht rütteln ließ und die sich im Übrigen generell nur wenig beeindruckt zeigte über den über sie geäußerten Unmut.


Schlagertexte und die Drehbücher der Vorabendserien waren die Quellen ihres Weltbildes und ihrer Lebenseinstellung; ihrer Philosophie wenn man so will. Und sie kam damit zurecht, alles gut – als sei die Welt für sie gemacht.


Er fühlte sich gut. Er machte sich noch ein Bier auf und er fühlte sich so gut, wie man sich nur gut fühlen konnte. Leute, was ging es ihm gut! Aber dann hörte er, wie sie die Wohnungstür aufschloss, wie sie den Schlüssel ins Schloss rammte.