Mittwoch, 27. Juni 2018

Da Herr B. es ablehnte, die horrenden Kosten für die Veröffentlichung des Lyrik-Manuskripts seiner Frau zu übernehmen, drohte sie ihm mit Beischlafverweigerung. Aber er blieb standhaft, weil ihn auch diesbezüglich ihr Talent nicht wirklich überzeugte.
Das rasante Aussterben der Buchantiquariate war ein herber Schlag für den akademisch belasteten Langzeitarbeitslosen Ludger G., der sich dort zum Leidwesen der Inhaber beinahe täglich aufhielt und gern den ambitionierten Angestellten spielte.
Das Stechen der Stechuhr verstümmelte seine Seele Stück für Stück. Diese Erkenntnis veranlasste ihn, nach einem geeigneten Freizeitausgleich Ausschau zu halten. Und nun ist er tatsächlich stolzer Kassenwart des Kaninchenzuchtvereins Großwudicke e.V.
Der Mathematiker im Ruhestand analysierte ihre Gespräche nach inhaltlicher Gewichtung und errechnete, dass das Leben einer weiblichen Person ihren Alters zu 93% aus Arztbesuchen und Essenszubereitungen besteht. Als er seiner Frau mit einem gewissen Stolz die statistische Auswertung vorlegte, reagierte sie auf eine für ihn völlig unverständliche ungehaltene Art und Weise.
Dass Frau L. vom Leben überfordert sei, zeige sich auch an ihrem chaotisch überhäuften Schreibtisch, bemerkte Herr M., der vor seiner Karriere als Sachbearbeiter im mittleren Dienst ein Psychologiestudium nach 11 Semestern abgebrochen hatte.
Im Jahre 1983, als er endlich alle Karl May-Bände der grünen Bamberger Ausgabe stolz sein eigen nennen konnte und in seinem Wohnzimmerwandschrank vereint sah, verwirklichte sich für ihn ein Kindheitstraum. Eine Ahnung, dass dies der letzte nennenswerte Höhepunkt seines Lebens bleiben könnte, beschlich ihn und bewahrheitete sich.
Seine Frau liebt teure Designermöbel und kann, da sie selbst nicht erwerbstätig ist und ihr Mann gut verdient, viel Zeit und Geld in die Einrichtung des Hauses investieren. Wenn er nach einem langen Arbeitstag nach Hause kommt, darf er sich dann an dem von ihr kreierten kühl strengen Ambiente erfreuen, das ihn von Tag zu Tag mehr an sein Großraumbüro erinnert.

Sonntag, 17. Juni 2018

Sein Friseur hat kaum noch Arbeit mit ihm und auf seinem karierten Hemd, das sich über den monströsen Bierbauch spannt, steht in greller Schrift "Sports Rebel 1968". Er erzählt uns lauthals von seiner abenteuerlichen Arbeit im Amt für Straßenbau. Seine Frau steht neben ihm und ist eine schüchterne Schönheit.
Die von ihm exzessiv gelebte "Live fast, die young"-Attitüde erfüllte sich aufgrund seiner robusten Konstitution erst im Alter von 53. Seine Beerdigung wurde konventionell im mittleren Preissegment abgehalten und verlief ohne Zwischenfälle.
Endlich Feierabend! Wieder mal 9 Stunden meiner Lebenszeit mit sinnloser, hirnverbrannter Arbeit vertan. Endlich meine Ü-Ei-Sammlung in der Glasvitrine bewundern und neu arrangieren!