Sonntag, 30. Mai 2021

 Auf dem Weg zu seinem verhassten Bürojob kommt er an einem verdreckten, in die Jahre gekommenen Pick-up vorbei. Drei Arbeiter sitzen drin und kauen dicht an dicht ihre Frühstücksbrote. Er lässt es auf sich wirken, hasst seinen Bürojob aber immer noch.


Seinen erneuten cholerischen Anfall rechtfertigte er am nächsten Tag gegenüber seinen Angestellten mit seinem "lebhaften Temperament". Wieder in seinem Büro war er dann gerührt von sich selbst, von seiner Stärke, auch mal Schwäche zeigen zu können.


Er schätzt seine Kolleg*innen. Ihre bisweilen kleinlichen Empfindlichkeiten, die sich im täglichen Einerlei schon mal zu monströsen Problemen aufschwingen, faszinieren und beschäftigen ihn.


Manchmal erinnert er sich nach Jahren plötzlich an Bekanntschaften aus seinem Berufsleben, die irgendwann einfach so nicht mehr da waren und die er nie vermisst hatte. Und dann vergisst er sie auch schon wieder.


Wenn er sich aufregt, fragt er sich immer, warum er sich jetzt eigentlich wirklich aufregt. Die Einsichten sind in der Regel wenig schmeichelhaft und so überlegt er es sich inzwischen dreimal, ob er sich jetzt wirklich aufregen soll.


Sein aggressiv großspuriges Auftreten verriet seine Mickrigkeit. Aber er merkte es nicht und niemand erklärte es ihm.


Statt eines Katers spürten wir damals die aphrodisierende Wirkung des Restalkohols und blieben dann den ganzen Tag im Bett. Wie glücklich wir waren, ohne es zu wissen.


Er hat genug von diesen Rührseligkeiten. Das Leben ist nicht so; sein Leben ist nicht so, niemals. Diese konstruierten Rührseligkeiten verhöhnen doch die Menschen, nach Strich und Faden verhöhnen sie sie!

Dienstag, 25. Mai 2021

 Gelernt, der Euphorie zu misstrauen,
genießt er sie, ohne auf sie zu bauen.


Der Zeitgeist, egal wie beschaffen, ging ihm schon immer schnell auf den Senkel und mit den Jahren wird es nicht besser, kommt der doch immer aufdringlicher und rücksichtsloser daher.


Seine Disziplin war die Disziplin hinsichtlich der Erwartungen anderer, im Verborgenen ließ er sich gehen. Immerhin, dem Arbeitgeber genügte das.


Und schon gar nicht hat er eine hohe Meinung von sich selbst, so töricht ist er nicht; damals als Kind vielleicht, als dummer Junge.

Sonntag, 16. Mai 2021

 Wegen des Geruchs fanden sie ihn; auf dem Sofa, mit heruntergelassenen Hosen. Er trug ein T-Shirt mit dem Aufdruck "LEGENDS DON'T DIE IN BED".


Er gießt sich noch einen ein und ignoriert ihre missbilligenden Blicke, betrachtet seine geschwollenen Hände. Der Ehering schnürt immer mehr ein, nicht nur den Finger.


Er gießt sich noch einen ein und fühlt sich jetzt langsam besser. Die Zeit vergeht jetzt, ohne dass er sie spürt.


Der Alkohol ist ihm schon lange ein falscher Lichtblick, verspricht die Geborgenheit der Kindheit und die Euphorie der Jugend und entwertet dabei den normalen, nüchternen Alltag. - Er gießt sich noch einen ein.


Nie war es ihm bei seiner Berufswahl in den Sinn gekommen, dass er es zunehmend mit ausgewachsenen Menschen zu tun bekommen sollte, die sich aufführen wie Kleinkinder, denen man eine Süßigkeit verwehrt.


Der Drang sich immer und überall vorzudrängeln war stark in ihm. Zu kurz gekommen in vielerlei Hinsicht er war.


Bei jeder Kleinigkeit keifte sie gleich los. Er wusste nie, was sie eigentlich für ein Problem hatte, war aber stets dankbar, dass es nicht seins war.


Von provinzieller Gelassenheit keine Spur, aus allem machten sie einen Zwang und wenn sie sagten vernünftig, meinten sie konformistisch.


Bierbäuchige Tennisspieler mit dürren Beinen in kurzen Hosen imitierten auf dem Vereinsplatz die Aufschlagposen der Stars und machten bei Satzgewinn die Beckerfaust.


Die Unzufriedenheit ist schnell groß, wenn alles zur Zufriedenheit gereicht.

Sonntag, 2. Mai 2021

 Immer, wenn Herr S. mal zweifelsohne Recht behält, fühlt er sich deswegen auch nicht besser. Das Triumphieren ist ihm fremd, er stellt es sich beschämend vor.


Irgendwann hörte er seiner Finanzberaterin gar nicht mehr zu. Er war damit beschäftigt sich auszumalen, was sie wohl alles Tag für Tag mit ihrer schmierigen Freundlichkeit so zuschmieren musste.


Schön, wenn man es nicht nur sagt, sondern auch konkret spürt, dass es einem einerlei ist.


Da besteht gar kein Zweifel, ohne den OHROPAX®-Akustikfrieden hätte es so manches Mal ein böses, ein ernsthaft böses Ende genommen.


Immer dann, wenn er sich für besonders geistreich hielt, war er es gerade nicht. Aber diese ernüchternde Einsicht beeinträchtigte keinesfalls sein liebevoll zugewandtes Verhältnis gegenüber den geistreichen Getränken.


Berufsbedingt nahm er es höchst genau mit Begrifflichkeiten, aber vielleicht hätte es seiner Ehe gut getan, wenn er den Begriff Liebe häufiger und leichtfertiger, ja, sagen wir es ruhig, skrupelloser verwendet hätte.


Nein, er hatte keine Angst vor obszönen Frauen, war nicht mal neugierig, sie waren ihm einfach nur zuwider, genau wie obszöne Männer.


Seine in ihrer Gegenwart rücksichtslos rausgeföhnten Zwiebelsuppenfürze waren nur ein Grund, warum sie jetzt nackt auf seinem Grab tanzte, die anderen Gründe waren eher abnormer Natur.


Sein Leben lang waren all seine Wohnungen nur Provisorien. Nur so hielt er es aus.