Sonntag, 22. Juli 2018

Da er früh die Schule abbrach und nie sein pubertäres Gemüt überwand, empfand er im Alter auch keine Scham für die brachial anzüglichen Tattoos aus seiner Jugendzeit. Überhaupt habe er ein "geiles" Leben geführt.
Nach 20 Jahren im öffentlichen Dienst lacht er über alle, die diesen ganzen Unfug ernst nehmen. Er ist fest davon überzeugt, der einzige zu sein, der sich in dem Laden seinen gesunden Menschenverstand bewahrt. In seiner Freizeit sammelt und archiviert er Zeitungscartoons.
Der nach einer psychischen Krise aus der Bahn geworfene Bauzeichner Carl W. fertigte in der Obdachlosenunterkunft meisterhafte Bauzeichnungen virtueller Projekte an, um nicht völlig den Verstand zu verlieren. Nach seinem Tod wurden die Zeichnungen ungeachtet ihrer hohen künstlerischen Qualität von dem eher pragmatisch denkenden Unterkunftsleiter Werner H. kurzerhand entsorgt.
Dass Elvira L. nach 18 Semestern Soziologie und Germanistik nun endlich ein Praktikum bei der Wüstenrot-Kundenzeitschrift "Mein EigenHeim" absolvieren durfte, hatte sie allein den guten Geschäftsbeziehungen ihres Vaters zu verdanken. Stolz präsentierte sie ihm ihr Praktikumszeugnis, dort war zu lesen, sie sei stets bemüht gewesen.
Um die Regeln zu brechen, musst du sie beherrschen. Wenn du endlich soweit bist, sie zu beherrschen, wirst du sie aus Bequemlichkeit lieber befolgen.
Als der an einer Problemschule unterrichtende Deutschlehrer Bernd K. die Nerven verlor und seine Schüler beschimpfte, sie seien doch allesamt im Suff gezeugt und ausgetragen worden, erntete er von den Schülern zustimmendes Gelächter.
Die Heirat war der Versuch, ihre im Grunde gescheiterte Beziehung wieder zu kitten. Die neue finanzielle Situation aufgrund der steuerlichen Vorteile sorgte dann tatsächlich für einen stärkeren Zusammenhalt und ein höheres Maß an Harmonie und Zufriedenheit.
Zunächst ärgerte sich Herr A., dass er wegen seines Übergewichts nur noch in speziellen Übergrößen-Geschäften passende Kleidung finden konnte. Mit fortschreitendem Alter lernte er es aber zu schätzen, nur noch innerhalb eines eng begrenzten Sortiments Kaufentscheidungen treffen zu müssen.
Sich der spaßigen Homophonie des Spruchs "Kein Bier vor 6!" durchaus bewusst trank Herr L. tatsächlich selbst am Wochenende niemals vor 18 Uhr Bier. Hinsichtlich der anderen Bedeutung konnte er aus Mangel an Gelegenheit aber keine Gewohnheit etablieren.
Obwohl der Sportlehrer Jens U. nach 16 Jahren Schuldienst jegliche Freude am Sport verloren hatte und sich seine körperliche Erscheinung entsprechend veränderte, blieb er beruflich wie privat dem langsam unvorteilhaft wirkenden Trainingsanzug treu.
Herr W. wollte sich neu einkleiden. Als er die angebotene Ware in dem Bekleidungsgeschäft betrachtete, begriff er, dass der Glaube, ab einem gewissen Alter nicht mehr jede alberne Mode mitmachen zu müssen, auch nur wieder Wunschdenken ist.
Die Vorfreude enttäuscht. Die Euphorie läuft ins Leere. Ich lehne mich zurück, schließe die Augen, atme und lasse ein Stück Zartbitterschokolade langsam auf der Zunge zergehen.
Der als stur, geizig und hartherzig verschriene Lutz L. hat eigentlich einen weichen Kern. Als z. B. der letzte Lottojackpot in sein Bundesland ging, er aber wieder mal nur 3 Richtige hatte, war ihm tatsächlich zum Heulen zumute.
Schon als Kind war er extrem schüchtern und unsicher; einfach, weil Menschen ihm schon immer Angst machten. Und weil er außen vor stand, wurde er gemobbt und verprügelt. Er studierte dann Maschinenbau und machte Karriere in der Rüstungsindustrie.
Als dem langjährigen Wochenendalkoholiker Ole P. endlich bewusst wurde, dass er sich in einem Teufelskreis aus Arbeit-Vorfreude-Alkohol-Frust-Arbeit-Vorfreude... befand, akzeptierte er es.
Der muskelbepackte, selbsternannte "Lord of McFIT" Marvin K. hatte sein Wortschatztraining derart vernachlässigt, dass ihm irgendwann gar nichts anderes übrig blieb, als nur noch Bilder von sich in den sozialen Medien zu verbreiten.
Seinem verhassten Kleinbürgerdasein mit Haus, Vorgarten und frustrierter Frau entronnen fand er sich allein und erleichtert in einer kleinen Mietwohnung wieder und wusste nach einer kurzen Umgewöhnung auch dort nichts mit sich anzufangen.
Als seine Frau ihm zum 15. Hochzeitstag einen Frottee-Schlafanzug schenkte, wusste er sofort, dass sie ihrem ehelichen Geschlechtsverkehr nun endgültig den Garaus machen wollte.
Seinem Partner zu sagen, dass man ihn liebt: gut und schön, aber es ihm zu zeigen, ist dann doch noch was anderes, dachte sich Frau R. und meldete ihren Mann ungefragt zur Darmspiegelung zwecks Krebsvorsorge an. (Realsatire)

Sonntag, 8. Juli 2018

Kunst bereichert dein Leben. Soll sie dich reich und berühmt machen, ruiniert sie es.
Als seine gereizte Frau ihn angiftete, er hinterlasse allein schon beim bloßen Rumstehen einen dämlichen Eindruck, kam er in der Tat nicht mal auf die naheliegende Idee, sich einfach einen Stuhl zu holen.
Als der Verwaltungsbeamte Olaf H. von seinem Psychiater erklärt bekam, dass der Boreout bisweilen die gleichen Symptome aufweist wie der Burnout, entschied er sich, innerlich hochgradig empört, zweifelsohne für den Burnout.
Der als Witzkanone berühmt berüchtigte Karl 'Kalli' Gruber zitiert bei privaten Festivitäten immer noch die Witze aus der 1976 erschienenen Witzanthologie "HEITER BIS FRIVOL" und begeistert damit seine angeheiterte Zuhörerschaft doch immer wieder aufs Neue.
Schon als kleiner Bub wollte er so eine maskuline Jacke mit dem magischen Aufdruck "Security" tragen. Als es mit Anfang 20 endlich soweit war, richtete er sich umgehend einen extra Facebook-Account ein, um der Welt fortan in martialischer Wortwahl von seinen Abenteuern zu berichten.
Ab und an betrinkt er sich nur zu dem Zweck, entscheidungsfreudig seine Wohnung auszumisten. Es funktioniert gut. Aber so ein Grund zum Trinken findet sich ja ehrlich gesagt doch immer recht einfach.
Bei alternden Singles bleibt auch das erwartungsvolle Magenkribbeln nach dem 3. Morgenkaffee nur noch sich selbst überlassen.
Seine Frau lag ihm lange in den Ohren, er solle angesichts seiner Figur auch mal Diät halten. Um endlich Ruhe zu haben, machte er die Paleo-Diät, es gefiel ihm sogar und es zeigten sich rasch erste Erfolge. Dass dies so ablief, war ihr wiederum gar nicht recht.
Zu erklären, wie er seine Haare geschnitten haben wollte, war dem Charles Bronson Verehrer Klaus P. lästig und peinlich. Er wünschte sich ein Herrenfrisörgeschäft mit einem strikt begrenzten Angebot an Frisuren, dargestellt auf Schautafeln zum Draufzeigen.
Solange er sich erinnern konnte, suchte er nach einem vierblättrigen Kleeblatt und hatte nie eines finden können. Im Alter von 78 Jahren sah er sich zum ersten Mal ein dreiblättriges genau an und wehmütig erkannte er nun dessen makellose, schlichte Schönheit.
Jeden Morgen auf dem Weg zu seiner Agentur wirft der Marketingexperte Dr. Jens R. einen amüsierten Blick in die "Bild"-Zeitung, um zu wissen, was die von ihm verachtete Volksseele denn heute so beschäftigt. Das duchblätterte Exemplar überlässt er gönnerhaft seinem Chauffeur, der mit seinem Magister in Soziologie dankbar für Job und Zeitung zu sein hat.
Nach eigenem Bekunden leidet Frau K. an einer Hypersensibilität gegenüber Gerüchen und Geräuschen. Beim energischen Einfordern einer besonderen Rücksichtnahme ihr gegenüber offenbart sie allerdings oft ein erschreckend geringes Maß an Feinfühligkeit. Auf der Firmentoilette ist ihre Präsenz bei den Kolleginnen hoch gefürchtet.

Samstag, 7. Juli 2018

Permanent befand er sich im Zustand quälender Ungeduld, weil er irgendwie immer auf irgendwas wartete. Dann kam er auf die heilsame Idee, einfach mal auf den Tod zu warten.
Ungefragt hielt er mir einen langen Vortrag und dann sagte er noch stolz, er sei stolz darauf, dazu eine eigene Meinung zu haben.
Ich sagte nichts und war stolz darauf, meine Meinung für mich behalten zu haben.
Dass die Jogginghose schon längst nicht mehr nur ihrem ursprünglich angedachten Zwecke dient - meistens sogar einem gegenteiligen -, war ihm bewusst. Dass sie aber inzwischen sogar als sonntägliche Flanierhose zum Einsatz kommt, findet Herr L. in kulturell ästhetischer Hinsicht bedauerlich.
Mit Anfang 20 war es mir ein Leichtes, allein mit Musik und Alkohol Raum und Zeit zu überwinden. Und nun? Vorgestern war ich eine viertel Minute freudig erregt, weil mein alter Bausparvertrag eine so gute Rendite abwirft.
Von der neuen Empörungskultur beeinflusst empörte sich Elke H. über den ungepflegten Garten ihres neuen Nachbarn Lothar R. und schrieb einen Empörungsbrief an den Bürgermeister mit einer für sie ungewöhnlich hohen Anzahl an Ausrufezeichen.
Wenn im Moment des Sterbens das Leben nochmal an einem vorbei zieht, wird dies für den Phlegmatiker Uwe Ö. selbst im Zeitraffer auch nur wieder eine recht statische und öde Angelegenheit.
Da der Pensionär Willi R. es nicht lassen kann, bei jeder Gelegenheit seine undifferenzierten politischen Tiraden abzulassen, wird er bei Familienfeiern gern zu Else R. an den Tisch gesetzt, die aus Eitelkeit kein Hörgerät trägt und jedes Gespräch lächelnd und nickend begleitet.
Auf die übliche Frage der Kolleginnen, wie denn die Urlaubsreise mit Frau und Kindern gewesen sei, verfiel er in die übliche verlogene Schwärmerei und fühlte sich dabei gleich doppelt betrogen.
Ihm gefiel die Idee, den Sarg für seine Frau selbst zu zimmern, aber in der örtlichen Bücherei fand er in keinem der Holzverarbeitungsfachbücher das gewünschte Objekt. Wieder zu Hause sagte er seiner nervtötend neugierigen Frau, er war nur mal eben spazieren.
Die 54jährige Angestellte Iris K. neigt dazu, durch ostentatives Schweigen Aufmerksamkeit für ihre Befindlichkeiten erwecken zu wollen. Ihr Bürokollege Knut L. stellt sie sich dann als 54jähriges pickliges Schulmädchen vor und hat etwas zum Schmunzeln.
Beim Tanztee fasste Helga K. nach dem 3. Eierlikör endlich den Mut, Herrn G. zum Tanz aufzufordern. Der hatte aber bereits seinen 8. Magenbitter intus und erteilte ihr im schroffen Ton mit der Aussage "Harte Männer tanzen nicht!" eine Abfuhr.
Holz, Stein und Metall altern in Würde; Plastik wird unansehnlich und brüchig. Als Helmut H. dies bewusst wurde, war er erstmalig ernsthaft besorgt um die langfristige Wertentwicklung seiner kostbaren Ü-Ei-Sammlung.
Bevor der betagte Heinrich U. auf die gute Idee kam, mit seinem Gehstock die Rotzlöffel auf Distanz zu halten und eindringlich zurechtzuweisen, hatte er sich durch die Bewegungsfreude junger Menschen grundsätzlich belästigt gefühlt.
Irgendwie funktionierst du mit deinem mittelmäßigen Verstand und beobachtest ohnmächtig, wie dein Leben an dir vorbeizieht, dachte sich Herr L., der gerade mal wieder von einer Lebensabschnittsgefährtin verlassen wurde, weil er eine "trübe Tasse" sei.
Beim diesjährigen Harley-Davidson-Treffen wurde bei einer äußerst hitzigen Auseinandersetzung zwischen den Bikern Mike S. und Harry G. nach einer halben Stunde immer noch nicht geklärt, welches Chrompflegemittel denn nun das bessere ist.
Wegen der großen Spiegel in dem luxuriösen Badezimmer sieht er im Augenwinkel jedes Mal seinen krummen, verwelkten Körper, wenn er sich den Hintern abputzt. Seine 25 Jahre jüngere Frau hatte das Bad gewollt und er hasst es.
Als der aristokratisch anmutenden Frau B. auf der gut besuchten und engen Strandpromenade ein deutlich hörbarer Furz entwich, entglitten ihr für einen Moment die herrischen Gesichtszüge. Dieser Vorfall verfolgte sie ihr Leben lang.
Die prahlerisch gemeinte Aussage des angetrunkenen Herrn W. bei der Betriebsfeier, er verfüge über mächtig dicke Eier, hatte die etwas weltfremde Frau Z. dahingehend missverstanden, dass sie ihm ein spezielles Omelette-Rezept empfahl.
Als Gerda H. nun zum 4. Mal beim Vereinsfrühstück des Kegelclubs "Hau'se weg! e.V." erwähnte, dass durch die Einnahme eines Medikaments ihr Stuhlgang "wie Wasser" sei, verlor sie bei den Kegelfreunden nachhaltig an Ansehen.
Während sie die Fettleibigkeit anderer Touristinnen verspottete, war er völlig darauf fixiert, nicht in angespülte Quallen- und Krebskadaver zu treten. Die gemeinsamen Strandspaziergänge waren neben dem Buffet der Höhepunkt ihrer 14tägigen Pauschalreise.
Der junge Kollege erklärte mir, dass sich meine Jeans gerade in der sehr problematischen Phase befinde, wo sie zwar schon "used" sei, es aber für ein "stylisch used" noch nicht reiche. Das Problembewusstsein junger Leute überrascht doch immer wieder.

Sonntag, 1. Juli 2018

Auch weil für Vivian S. damals eine bürgerliche Berufsausbildung aufgrund ihrer Model-Ambitionen nicht in Frage kam, muss sie sich jetzt von der entnervten und ebenfalls alleinerziehenden Kollegin Carla W. in die Bedienung der Back-Factory-Registrierkasse einweisen lassen.
Die Vorstellung, dass während ihrer Abwesenheit Einbrecher in ihre Wohnung gelangen könnten, veranlasste Renate G. dazu, unmittelbar vor Reiseantritt zumindest noch schnell die gröbste Unordnung zu beseitigen und staubzusaugen.
Wodka im Morgenkaffee, mit 53 das Leben schon abgeschrieben und alle Illusionen längst aufgegeben. Er bürstet seine Hugo Boss Lackleder-Schuhe, packt seinen Rimowa Business Trolley für den Außendienst und macht sich innerlich tot auf den Weg.
Der Schauspieler Lutz L. spielt selbst im Alter von 61 jede Rolle mit soviel Hingabe, als ginge es um sein Leben. So auch in diesem Müsliwerbespot; kann er doch mit der Gage einen Großteil seiner Mietrückstände für seine 1-Zimmer-Whg. begleichen.
Sonntagmittag, kleinmütig und katerverschwitzt.
Brechreiz.
Gefräßige Schaben im Hirn.
Sonntagmittag und morgen früh muss er wieder da hin.
Aber jetzt erstmal noch Sonntagmittag.
Dass er seinem Drang nach dem Abpulen von sich lösender Haut auch in ihrer Anwesenheit ungehemmt nachging, brachte sie dazu, ihm heimlich die Hautfetzen in seinem Leibgericht verarbeitet wieder zuzuführen.