Montag, 27. Februar 2023

 Nach der üblichen Wochenendsauferei mit seinen üblichen Großmannsphantasien war dann doch nur wieder Montagmorgen und er schmierte sich seine üblichen Graubrotschnitten für die Mittagspause.


Das schlimmste am verkaterten Aufwachen war inzwischen das unmittelbare und umfassende Gefühl der Vergeblichkeit – der Kopfschmerz und auch die Übelkeit schon fast eine willkommene Ablenkung, vor allem etwas, das sich schnell überwinden ließ.


Als er damals den Alkohol für sich entdeckte, erschien ihm das Leben plötzlich lebenswert, alles war mit einmal so entspannt und anregend zugleich. Als er es dann schaffte, vom Alkohol wieder weg zu kommen, passierte das Gleiche noch einmal, aber so allmählich, dass er es fast nicht gemerkt hätte.

Freitag, 24. Februar 2023

 Seine Unaufgeregtheit war es, dafür mochten sie ihn. Mit einem Unaufgeregten trinkt man gern mal ein Bier, redet unaufgeregt über Gott und die Welt. Es sollte mehr Unaufgeregte geben, die Welt wäre eine bessere.


Er liebte seine Frau, aber diese hergerichtete Behaglichkeit überall in der Wohnung schlug ihm langsam aufs Gemüt.


Marga S. fürchtete nichts so sehr wie den Tratsch anderer Leute. Sie wusste Bescheid, kannte sich aus mit latenter Gehässigkeit und der diebischen Freude daran, tratschte sie doch selbst leidenschaftlich gern.


Gäbe es tatsächlich so etwas wie Glückszahlen: Sein Geburtsdatum würde er für sich schon mal definitiv ausschließen.


Er befand sich jetzt in einem Alter und einer Befindlichkeit, wo er sein Sterbedatum nun doch gern wüsste.

Dienstag, 21. Februar 2023

 Blödsinn. Ein einziger Blödsinn, mehr ist es doch nicht. Und dennoch bleibt man dran. Obwohl man's weiß. Man ist doch selber blöd, einfach nur unfassbar blöd und das ist auch schon die ganze Erklärung, mehr ist es doch nicht.


Er hatte eine mächtig hohe Meinung von sich und genau so peinlich war er dann ja auch.


Beim Denken an die Arbeit hatte er nur noch diesen Riesenberg Scheißdreck vor Augen, an den er Tag für Tag ran musste. Und das Denken an die Arbeit war dann auch noch mal so ein Scheißdreck für sich.


Seine Einsamkeit ließ ihn dann auch noch aufdringlich werden. Es war ausweglos, er hatte keine Chance.


Der Wunsch, sich nur noch rauszuhalten, wurde für ihn schnell zur Notwendigkeit. Was die Leute sich gegenseitig zumuteten und antaten, war ihm unbegreiflich.

Sonntag, 19. Februar 2023

 Sich aus moralischen Gründen gegenseitig anscheißen – oder aus sexuellen: nun gut, wem's gefällt. Aber für mich ist das jedenfalls nix.


Er wusste aber nicht, was er machen sollte – oder machen könnte. Er wusste ja nicht einmal, was er überhaupt machen wollte. Wann er zuletzt glücklich gewesen war, wusste er auch nicht. Unglücklich war er, das wusste er, damit kannte er sich aus.


Joachim 'Drei-Finger-Joe' Schulze war der krasseste bei uns in der Dorfclique gewesen, eine Legende. Keiner weiß, was aus ihm geworden ist. Manche erzählen, er hat Einzelhandel gemacht und ist jetzt bei 'nem NETTO in der Big City, aber wirklich weiß es keiner!


Aber er verharrte in seiner illusorischen Sehnsucht wie ein Rehkitz vor dem Mähdrescher.


Die Arbeitsbedingungen mies, die Stimmung lähmend, der Lohn und die in Aussicht gestellte Rente ein Hohn. Jeden Morgen um 5:15 Uhr, wenn er sich auf den Weg macht, fragt er sich, ob er eigentlich einen an der Klatsche hat.


Und dann kam ihm wieder innerlich die Kotze hoch, also seelisch, quasi Seelenkotze. Und die Dienstbesprechung hatte gerade erst angefangen.

Mittwoch, 15. Februar 2023

 Nimm's leicht, sagt er da zu mir. Das ist so sein Motto und seine Antwort auf alles: Nimm's leicht!
Zu jedem und bei jeder Gelegenheit sagt er, nimm's leicht  –  selbst zu'nem angepissten Möbelpacker würde er's sagen.


Aufgedrehte Lautsprecher und aufgedrehte Gefühlslagen in aller Öffentlichkeit: rücksichtslos, schamlos, kindisch. Das war nicht mehr seine Welt und er blieb fast nur noch zu Hause, weggeschlossen und für sich in seiner Einzimmerwohnung.


Was er von sich gab, war haarsträubend, manchmal urkomisch und dann wieder unfassbar widerwärtig und abstoßend. Jeder konnte das; alles, was man dafür tun musste, war ungefiltert das auszusprechen, was einem so mal eben durch den Kopf ging.


Nach über 20 Jahren Dienst im Dienstleistungsgewerbe betrachtete Joachim A. den Menschen nur noch als ein Bündel aus Fleisch, Knochen und lächerlichen Bedürfnissen.


Ihm fiel nichts anderes mehr ein, als sich volllaufen zu lassen. Nicht, dass er auch mal groß was anderes ausprobiert hätte. Er war so einer, der nicht erst groß was anderes ausprobiert haben musste, bevor ihm nichts anderes mehr einfiel, als sich volllaufen zu lassen.

Sonntag, 5. Februar 2023

 Im Leben begegnet man sich immer zweimal  –  und dann ist aber auch gut.


Er verglich seine Beziehung mit ihr mit einem Lottogewinn: Wenn er hin und wieder mal 10 Euro gewann, wog das schwerer als die 60 Euro, die er jeden Monat für die Lottoteilnahme investierte.


Der Januar war ihm widerlich und dann erst der Februar! Und der März auch noch und der April immer noch. Und in dieser umfänglichen Widerlichkeit sollte er machen und tun, funktionieren, mit heiterer Miene der Arbeit nachgehen – weil, so ist das halt.


Bei der Arbeit war er innerlich tot. Zuhause äußerlich.


Mit der üblichen Rhetorik und den üblichen Phrasen wollte er die Belegschaft mal wieder "mitnehmen", sie begeistern für die kommenden "Herausforderungen". Dabei waren doch alle nur noch müde, selbst er war doch nur noch müde. Was für ein unbegreifliches Theater.