Das Leben an den Hörnern packen, ein Macher sein, große Töne spucken und gockelgleich umherstolzieren: Vielleicht war es ja das, was sich seine Eltern von ihm versprochen hatten – nun, so wie sie immer über ihn herzogen und ihn runtermachten, wird es wohl das gewesen sein.
Ständig, bei jeder sich bietenden Gelegenheit, bei jedem "Wie geht's?" betonte er, wie prächtig es ihm geht, wie schön und geregelt alles bei ihm ist, dass er das Leben nur noch genießt. Fast schon glaubte er es selbst.
Seit geraumer Zeit aber setzte er schon eher Hoffnungen in den Zufall als in die Menschen.
Viele Jahre schon war er berufsmüde, hasste alles an seiner Anstellung, wollte da raus. Jeden Morgen vor Dienstantritt studierte er die Stellenanzeigen und das zog ihn dann noch weiter runter, stimmte ihn ein auf den nun anstehenden, unausweichlichen Arbeitstag.
Nein, hier zu leben, war nicht schön. Und all diese vielen schönen Ecken, von denen sie immer schwärmten und faselten, diese Touristenmagnete, da ging man doch als erstes schon nicht mehr hin, die hatte man doch längst am meisten satt.
Donnerstag, 10. Juli 2025
Montag, 7. Juli 2025
Sein Brett vorm Kopf war längst mit dem Hirn verwachsen, ein Entfernen lebensbedrohlich.
Er hatte den Humor des Verzweifelten und die Leute verstanden das nicht. Die Leute waren glücklich oder auf eine dumme Art unglücklich und verstanden es nicht – verstanden weder ihn noch seinen Humor, das Gesicht verzogen sie ihm gegenüber.
Seit er sich nicht mehr um die Kleidermode scherte, war er ihr immer mal wieder um Jahre voraus.
Donnerstag, 3. Juli 2025
Mittwoch, 2. Juli 2025
Mit etwa 28 war's dann aber vorbei mit der Nachtschwärmerei. Mit der Action. Der affigen Frauensuche. Er blieb daheim, trank da. Da hatte er ein Klo für sich und überhaupt – es schien ihm zukunftsweisend.
Schon als Kind wurde ihm immer schlecht. Im Auto, im Bus, im Zug, auf dem Wasser, in der Luft: Stets mit dem Gefühl von Übelkeit und Brechreiz sah er was von der Welt.
Montag, 30. Juni 2025
Zunächst mal konnte er an den Menschen das nicht ausstehen, was er schon an sich selbst nicht ausstehen konnte. Und dann kam ja noch all das andere hinzu. Laute, lärmende Menschen etwa. Die ahnten nicht mal, was sie ihm antaten.
Und dann merkt man schon beim Sprechen, dass man gerade dabei ist einen furchtbaren Unfug daherzureden, eine dumme Boshaftigkeit etwa, vor all den Leuten, und dann kommt es, wie es kommen muss: dass einem das nachhängt, über Wochen, Monate, Jahre, wenn nicht das ganze Leben.
Dann entdeckte er den Charme und die Freundlichkeit für sich. Anfangs wirkte alles noch aufgesetzt, aber schon bald war er der perfekte Gentleman und Zyniker.
Dumm, aber gerissen. Dreist. – Letzten Endes aber einfach nur dumm.
Montag, 23. Juni 2025
Unter Menschen suchte er nie nach Seinesgleichen. Was er wollte, war ein sympathisches Korrektiv.
Er lebte zurückgezogen, eigenbrötlerisch, so bewahrte er sich seine Geduld und Friedfertigkeit. Musste er unter Menschen, wurde er schnell wie sie.
Für nichts und niemanden machte er den Hampelmann. Lieber lebte er so, wie er lebte, als dass er nochmal für irgendwas oder irgendwen den Hampelmann machte.
Donnerstag, 19. Juni 2025
Nun kaufte er sich von seinem Gehalt all das Zeug, das er als Kind und Jugendlicher so gern gehabt hätte, stellte es in Vitrinen aus, in einem extra Zimmer, und wenn er es dann betrachtete und auch mal in den Händen hielt, fühlte er sich von Mal zu Mal beschissener.
Rechthaberei und Geltungssucht: Mit diesen zwei Erbärmlichkeiten lag er seinen Mitmenschen in den Ohren, zeitlebens. Man ließ ihn reden, ließ ihm seinen Willen, alles andere war zwecklos.
Nun, er verfügte über eine gewisse Trinkfestigkeit. Nicht, dass er sich da etwas drauf einbildete, er bildete sich auf nichts etwas ein, auf gar nichts. Nur wollte man ihn beschreiben, so fiel einem eben seine Trinkfestigkeit ein. Und dass er immer viel rumsaß, und schwieg.
Er war damals Chef unserer Clique; allein die Art, wie er sich eine Zigarette ansteckte und den ersten Zug nahm, zeugte schon von seiner Klasse, seiner Coolness. – Keine Ahnung, was aus ihm geworden ist. Höchstwahrscheinlich was Uncooles, so wie aus uns allen.
Montag, 16. Juni 2025
Diese unfassbar aufdringlichen Spendeneintreiber in der Fußgängerzone mit ihrer widerwärtigen Fröhlichkeit und wie sie einem dann noch einen schönen Tag hinterherrufen! Bei solchen Kanaillen, da vergeht einem doch das Spendenwollen. Ein für alle Mal vergeht einem das!
Und der sonntägliche Trübsinn erst! Nicht mal mit Alkohol kommt man dagegen an. Natürlich versucht man es, natürlich mit Alkohol. Immer wieder versucht man es, aber es kommt ja doch nur Trübsinn dabei heraus, jedes Mal, nichts als Trübsinn.
Dann mit dem Berufseinstieg verkam sein Leben endgültig zum närrischen Mitmachtheater.
Würden Sie bitte damit aufhören, Ihre gute Laune an mir auszulassen!
Donnerstag, 12. Juni 2025
Aber bei der Sparsamkeit, da sollte man schon unterscheiden können, die sollte man nicht gleich so von oben herab belächeln. Die Frage ist doch, warum da jemand, obwohl er's nicht müsste, so sparsam lebt. Genügsamkeit befreit, Geiz beengt, wissen Sie.
Schon als Jugendlicher hatte er seine kleinbürgerliche Herkunft gehasst und verhöhnt. Jetzt, mit Ende 50, tut er es immer noch. Immer noch hat sie die Oberhand, bestimmt über ihn, regelt seine Angelegenheiten – verhöhnt ihn.
Vieles hatte er probiert an Praktiken und auch an Substanzen; wirkliche Ruhe und Freiheit fand er schließlich in seiner Genügsamkeit.
"Müde bin ich, geh' zur Ruh', schließe meine Äuglein zu" hatte er als Kind jeden Abend vorm Schlafenmüssen aufgesagt. Im hohen Alter im Bewusstsein des Sterbenmüssens hatte er es sich wieder angewöhnt.
Sonntag, 8. Juni 2025
Mit seinen Arbeitskollegen hatte er nichts gemein, jede Unterhaltung war zäh und ermüdend. Zu Hause war es im Grunde auch nicht anders. Da schauten sie viel fern, während sich in seinem Kopf wüste Szenarien abspielten.
Früher, in seinen 20ern, da hatte er nichts ernst genommen, viel gelacht, sich einen Scheiß um irgendwas gekümmert. Hat sich so sein Leben versaut. Er wünschte, er wäre jetzt wieder so wie früher, spielt doch nun alles ohnehin keine Rolle mehr.
Er hielt sich da raus, wieder mal. Nicht weil er etwa keinen Durchblick hatte oder gar feige war. Nein, das Raushalten und Außenvorstehen, das war ja bei ihm nicht mal eine Entscheidung, sondern eine Berufung. Sein Lifestyle, sein Ding, wissen Sie.
Donnerstag, 5. Juni 2025
Als Kind hatte ich diesen Onkel, über den in der Familie geredet wurde, der allein lebte und auf den Esstischfotos nie lächelte, aber in den unpassendsten Momenten lachte. Der oft einen becherte und so furchtbar maulfaul war. Der hat mich nachhaltig beeindruckt.
Was er sagte und erzählte, zielte mal wieder darauf ab, dass er gelobt werden wollte. Man hörte ihm zu, wie man einem Kind zuhört, dabei hatte man gerade seinen Amtsleiter vor sich; einen 58jährigen Amtsleiter.
Als er ihn das erste Mal las, war er von der Brillanz des Satzes überwältigt. Als er ihn dann bei passender Gelegenheit mal in einer Unterhaltung zitierte, war er miteins flach und schal, peinlich, nicht mehr zu gebrauchen.
Montag, 2. Juni 2025
Zu seinem Dienstjubiläum sagte man ihm, er dürfe stolz sein auf das in all den Jahren Geleistete. Dabei hatte er doch längst die Bedeutungslosigkeit seiner Tätigkeit erkannt, die Lächerlichkeit seines Berufs. Und doch blieb er dabei, er wusste nicht, wohin mit sich.
So viel Verlogenheit, so viel Falschheit. Sogar in der Freundlichkeit. Gerade in der Freundlichkeit. Aber wo soll man sich denn noch wohlfühlen, wenn nicht in der Freundlichkeit.
Was soll der Scheiß? Sein ganzes Leben schon fragt er sich das. Im Großen wie im Kleinen. Und er weiß schon jetzt: Wenn's dann mit ihm zu Ende geht, wird er sich fragen, was der ganze Scheiß denn überhaupt sollte. Mit Sicherheit wird er das, daran hat er nicht den geringsten Zweifel.
Donnerstag, 29. Mai 2025
Menschen machten ihm Angst. So beobachtete er sie, studierte sie; ganz pragmatisch, sein Unbehagen ihnen gegenüber wollte er verstehen. Je mehr er aber sah und mitbekam, desto größer wurde das Unbehagen nur.
Oftmals wünschte er, er wäre wieder der Punk, der er noch mit Anfang zwanzig gewesen war, und würde diesen verkorksten Arschgeigen bei der Arbeit offen den Mittelfinger zeigen. Aber dafür war er längst selbst zu verkorkst.
Nein, er glaube nicht an diese Krankheiten, die sie mit einmal alle überall hatten. Die Leute lassen sich alles einreden, sagte er, sogar Krankheiten lassen sie sich einreden. Oder sie flüchten sich in sie hinein, weil ja doch alles in gewisser Hinsicht nur noch krank ist, alles.
Aber ich bitte Sie, man weiß doch, wie unbedeutend diese sogenannten Kulturschaffenden im Allgemeinen nun mal sind, zuvorderst die vom Staat finanzierten natürlich. Schon deswegen plustern sie sich ja auch so auf, in der Zeitung, mit der Zeitung, bei jeder Nichtigkeit. Ein albernes, unwürdiges Schauspiel, mehr ist es nicht.