Montag, 7. Dezember 2020

 Seit über 20 Jahren stand sie nun schon hinterm Tresen und hinter ihrem opulenten Vorbau pochte ein Herz immer noch so groß wie ein Mannschaftszelt und immer schon viel zu groß für nur den Einen.


Als Rolf O. mittags seine Sozialwohnung in seiner speckig grauen Jogginghose verließ und breitbeinig das Treppenhaus runter tänzelte, fühlte er sich wieder mal wie Rocky in Rocky(1) und solche Momente gehörten ihm, ihm ganz allein.


Sein Reflex, Komplimente eingeschüchtert zu relativieren, hielt sie nicht davon ab, ihm weitere zu machen. Sie wusste selbst, wie das ist.


Zu ihren üblichen kleinen Gehässigkeiten gesellte sich seit kurzem auch noch das böswillige Missverstehen seiner Äußerungen. Aber Kai-Uwe war da hart im Nehmen, denn er kapierte es nicht so recht.


Zeitlebens drangsalierte Georg S. andere mit seiner Boshaftigkeit und so erwachte er eines Morgens aus unruhigen Träumen verwandelt in einen seltsam verkrusteten Waschlappen neben dem 15jährgen Torben B. auf dessen Nachtschränkchen.


Irgendwann merkte Sarah S. selbst, dass ihre Empörung erst so richtig in Fahrt kam, wenn es weniger um die Sache als vielmehr um sie selbst ging. Um das zu verschleiern, kniete sie sich noch mehr rein.


Seinen imaginären Spuckschutz gegen Gift und Galle spuckende Schreihälse musste er sich lange antrainieren, aber jetzt sitzt er, wackelt und hat Luft.

Montag, 30. November 2020

 Früher wollte auch er immer der Erste und Beste sein, aber dann verlor er das Interesse an jeglicher Art von Wettkampf. Seitdem hat er sich nie wieder als Verlierer gefühlt.


In seiner Kindheit gab es die böse Hexe und dann Dracula und noch andere Untote. Jetzt sind es Nachbarn, Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Die Kindheit war weit weniger schaurig.


Ein offenes, unbeschwertes Naturell, das eine fröhliche Stimmung verbreitet, ohne dabei oberflächlich zu sein, macht dich zum exklusiven Frauenschwarm. Aber mit Muskeln und exklusivem Sportauto steht dir ja auch immer noch die Billigvariante offen.


Obwohl sich seine persönlichen Erfahrungen beim Trinken von Bier so gar nicht mit den Bierwerbespots im Fernsehen in Einklang bringen ließen, trank er es ausgesprochen gern.


Dem Schwarzwälder Tanzbodenkönig Hannes stieg in jungen Jahren der Ruhm zu Kopfe, doch besann er sich beizeiten auf seine Bodenständigkeit und so lebte er glücklich, zufrieden und der Heimat treu. Ein tüchtig Weib gabs obendrein.


Heb' dir deine Rache grundsätzlich für später auf! Dann wird sie kalt und du verlierst hoffentlich die Lust daran.


Als er dann endlich dazu überging, alles etwas langsamer und geduldiger anzugehen, entdeckte er erst all die unscheinbaren Annehmlichkeiten überall.


Seine geduldig erarbeitete Gelassenheit bewahrte ihn nicht nur vor mancherlei Schaden, sie war vor allem all die Mühe um ihrer selbst willen wert.


Montag, 23. November 2020

 Auf der Filmhochschule sah sich Marlon M. schon als Der Deutsche Tarantino. Jetzt, mit Ende 30, bringt er für RTL2-Produktionen Hartz IV-Empfänger dazu, sich vor laufender Kamera lächerlich zu machen. Es geht ihm gut dabei, es schmeichelt seinem Ego.


Statt Tatendrang und Vergnügen empfindet Friedrich F. nur noch eine sture und mürrische Bequemlichkeit. Das habe ich mir verdient, pflegt er zu argumentieren.


Sich die Dinge schönreden ist ein schaler Betrug. Schön denken eine Kunst.


"Ja, dann ist das eben so!": Die Lieblingsfloskel der Abteilungsleiterin, wenn sie mal wieder nicht weiter wusste, wurde nach und nach zur Lieblingsfloskel der ganzen Abteilung und das Arbeiten dort zusehends angenehmer.


Die giftige Empörung war längst Teil des Spiels und fing auch schon an zu langweilen.


Als er dann den ganzen Krempel seiner Eltern erbte, wusste er wieder, warum er selbst so genügsam lebte.


Seine alten Lieblingsfilme und -sendungen schaut er am liebsten in aller Ruhe und leicht zugedröhnt mit abgestelltem Ton. So, als hielte er deprimiert Rückblick auf sein vertanes Leben.


Sein Leben ist ereignisarm und deswegen gefällt es ihm immer besser.


Wenn im Moment des Sterbens das ganze Leben wirklich nochmal an einem vorbeizieht, müssen 'ne Menge Leute bald damit rechnen, dass sie sich dabei größtenteils auf der Couch vor dem Fernseher wiederfinden. Also zumindest, wenn es authentisch und objektiv vonstatten geht.


Er war nicht unbedingt faul, eher entspannt und unambitioniert. Und er hatte was vom Leben, ohne es zu etwas gebracht zu haben.


Der brave Angestellte Sigmar R. sympathisiert im Büro heimlich mit den immer wieder störrisch verdrehten Telefonhörerkabeln.


Das Leben, das seine Eltern ihm vorgelebt haben, hat ihm nicht gepasst. Das Leben, das er dann geführt hat, war's aber irgendwie auch nicht. Immerhin hat er's niemandem vorgelebt.

Sonntag, 1. November 2020

Als Kind wollte er Drachen töten, seine Feinde zerschmettern und irgendwas mit der Prinzessin machen. Jetzt trägt er 8 Stunden täglich ein quietschbuntes Poloshirt mit dem Logo seines Arbeitgebers auf der Brust und ist zur Freundlichkeit verpflichtet.


Das Leben des Steuerfachgehilfen Manfred M. verlief unaufgeregt und verlässlich. Auf dem Weg zur Arbeit lag ein unbeschrankter Bahnübergang. Musste er bei Rot halten, wurde die Vorstellung, kurz vor dem Zug doch noch schnell loszubrettern, von Mal zu Mal drängender und erregender.


In jungen Jahren hatte er sich auf so ein ausgesprochen hübsches und ebenso dummes Ding eingelassen und musste sich dann für den Rest seines Lebens mit ihr unterhalten. Irgendwann lutschte er Minzbonbons und die Flaschen versteckte er im ganzen Haus verstreut.


Beruflich endlich Fuß gefasst konnte er sich dann all die Schallplatten kaufen, die er schon so lange haben wollte. Die überwältigenden Emotionen, die die Musik in seiner Jugend bei ihm ausgelöst hatte, aber nicht.


Gehen Schulklassen eigentlich immer noch ins Kino für pädagogisch wertvolle Filme? Wir waren damals in "Gandhi" und der Film inspirierte uns: Bereits am nächsten Tag kursierte auf dem Schulhof der Witz "Mahatma Gandhi und ma hat ma Husten".


Als das "A-TEAM" damals im deutschen Fernsehen anlief, sahen Jens und Carsten allein aus tiefsitzendem Respekt vor dem deutschen TÜV davon ab, sich affengeile Extras an ihre Autos zu schweißen.


Bereits voller Sorgen besorgte er sich noch mehr Sorgen, um endlich vom vielen Sorgenmachen erschöpft und gleichgültig seinen Frieden zu finden.

Mittwoch, 21. Oktober 2020

 Der ruhige Bertram war beliebt. Immer so angenehm ausgeglichen sei er, sagten sie, und auch so ein guter Zuhörer. Dass er vom Leben und den Menschen einfach nur gelangweilt war, behielt Bertram für sich. Und müde war er, immerzu müde.


In ihrer Kaufsucht dichtete Sonja R. den Konsumartikeln immer gern eine persönliche Bedeutung an, um den Kauf zu rechtfertigen. Dieses Spielchen machte ihr Leben zusehends bedeutungslos.


Die schroffe Frage "Bist du ein Mann oder eine Memme?" war in seiner Kindheit und Jugend von spielerischer Bedeutung. Nun, im fortgeschritten Alter, angesichts seines körperlichen Abbaus gewinnt sie eine durchaus ernsthafte Relevanz.


Metallbauer Ulrich R. war Pragmatiker durch und durch. Dass er irgendwann sogar den eigenen Körper nur noch als ein Werkzeug begriff, machte ihn ganz nebenbei zum Philosophen.


Um sich selbst die Festgefahrenheit seines Lebens zu vergegenwärtigen, lässt sich Uwe W. seit Jahren jeden Morgen von "I Got You Babe" wecken. Eine Andie MacDowell ist ihm allerdings noch nie über den Weg gelaufen - dafür jede Menge Ned Ryersons.


Als er wieder mal ein vernichtendes Arbeitszeugnis über einen einjährigen, völlig abstrusen McJob in den Händen hielt, lachte er Tränen: "... war sich der arbeitsspezifischen Anforderungen durchaus bewusst und daran interessiert, seine ausbaufähigen Kenntnisse einzusetzen."


Die alltägliche Verlogenheit der Menschen machte ihn immer wütend. Als er dann aber begriff, sich mit ihr arrangieren zu müssen, mischte er recht ordentlich mit und merkte es irgendwann auch gar nicht mehr.


Bis Holger H. endlich den Dreh raushatte, mit dem die anderen erfolgreich waren, war der schon längst abgedreht. So lief es jedes Mal und Holger versuchte mit kopflosem Hinterherlaufen weiterhin sein Glück.


Als er dann Alkohol zu sich nahm, musste er feststellen, dass da nun nichts mehr war, wofür es sich zu trinken lohnt. Lothar R. war in seinem Leben definitiv an einem Punkt angelangt, den man umgangssprachlich "am Arsch" nennt.


Die narzisstische Hochglanzinszenierung von Hinz und Kunz als soziale Übereinkunft - zum Glück bin ich für so einen Unfug allein schon viel zu faul.


Ihr Outfit ist ausdrucksstärker als ihr Sprachvermögen, sie ist ein Kind ihrer Zeit und gern gesehen.


Kalorien zu reduzieren, indem man sich mit einer Süßigkeit tröstet, die einem nur so lala schmeckt, funktioniert vielleicht, wiegt den hinterhältigen Selbstbetrug aber in keinster Weise auf.


Montag, der ruppige Proll der Wochentage. Immerhin löst er den öden Snob Sonntag ab.

Montag, 28. September 2020

 Was tut man nicht alles, um überhaupt was zu tun.


Um sich seine Jugend im Alter zu bewahren, sollte man akzeptiert haben, dass sie irgendwann einfach vorbei war.


Auch die gelöste Restalkoholstimmung am Tag danach gehörte damals immer dazu.


Als der Trash noch nicht medialer Mainstream war, mussten wir ihn uns selber ironisch erschließen; da hatte er noch Spaß gemacht.


Er war kein Arsch und ließ sich durchaus gern eines Besseren belehren, aber solange seine negativ besetzten Vorurteile ihn tatsächlich vor Schaden bewahrten, hielt er lieber an ihnen fest.


Die Wahrheiten, die er in Widersprüchen fand, waren ihm immer die liebsten.

Dienstag, 15. September 2020

 Mit das Zermürbendste an dem Job war, nach all den Jahren immer noch Interesse daran heucheln zu müssen.


Gefangen in den Routinen seines Arbeitslebens verkümmerten die Tage zu Sandkörnern in einer ablaufenden Sanduhr.


Sich in Illusionen zu flüchten, fand er nun mal lebensbejahender als das nüchterne reale Leben. In dieser Hinsicht machte er sich keine Illusionen.


Lieber am Hauptbahnhof rumlungern als gar keine Sozialkontakte.


Die Wahl des Wohnortes, der Wohnungseinrichtung, der Bekleidung, sogar die der Freundschaften: Irgendwann unterlag alles nur noch rein pragmatischen Überlegungen. Es sollte funktionieren, so wie man selbst funktionierte.


Einst nur eine jugendliche Pose, hielt er viel zu lange an dieser Anti-Haltung fest, an der unheilvollen Abwertung des normalen, durchschnittlichen Lebens. Er scheiterte und manövrierte sich in die Einsamkeit.


Als sich dann die Prüderie in ihr Gegenteil verkehrte, tat man Sexualität und Erotik auch wieder keinen Gefallen.


Ein oberflächlicher Mensch an deiner Seite höhlt dich aus, ein boshafter macht dich bitter. Ein warmherzig fröhlicher rettet dir das Leben.


All die alten Freuden verblassten nach und nach, neue kamen nur spärlich auf und um sie überhaupt zu erkennen, musste er schon ganz genau hinsehen. Altwerden erfordert Achtsamkeit.


Sonntagmorgens gehe ich zum Brötchenholen nicht mehr allzu früh aus dem Haus, weil ich keinen betrunkenen Nachtschwärmern begegnen möchte. Früher war ich selbst so ein Betrunkener, zwar harmlos, aber das sah man mir durchaus nicht an.


Als dann die Zeit der Partys und Clubs für ihn endgültig vorbei war, ging die Wochenendsauferei zu Hause weiter; fatalerweise versöhnte sie ihn mit seiner Einsamkeit.


Die eigentliche berufliche Herausforderung sah er längst nicht mehr im Beruf, sondern im täglichen Ertragen des Arbeitsumfelds: eine achtstündige Übung in Resilienz, die er sich zunutze machte.


Seine Kontrollwut führte ihn schnurstracks in den Kontrollverlust.


Hysterisch heulende Kinder, die ihren Willen nicht bekommen, sieht er als Erwachsene vor sich, die sich lediglich äußerlich weniger anmerken lassen.


Lange, viel zu lange dachte er drüber nach, bis er endlich "ach Scheiße" dachte und eine imaginäre Spülung drückte.


Elitäre Kulturschaffende, die ihre Wichtigkeit betonen, sich vernetzen und sich miteinander selbst feiern: Herr L. hatte irgendwann genug davon und stieg aus und fand seinen Frieden bei ehrlicher Hausmannskost und gut gemachter Unterhaltung.

Sonntag, 23. August 2020

 Sein ständiges Selbstmitleid verpestete sein Umfeld wie Arschritzenmuffigkeit eine Unterhose.


Er strotzte nur so vor Gesundheit, gutem Aussehen und Selbstvertrauen und er prahlte immer gern mit seinen Frauengeschichten und seiner Karriereplanung. Keiner weiß, was aus ihm geworden ist, niemand mochte ihn.


Bei ihr konnte er frei drauflosreden, bis er sich plötzlich selbst reden hörte, sich selbst zuhörte und dann über sich selbst erstaunt war. Endlich kam er mal wieder voran.


Ein sattes Bankkonto oder so ein Klumpen Gold hat seinen Wert, keine Frage. Selbstbestimmt auf Toilette gehen zu können aber einen erheblich größeren. In diesem Bewusstsein gehe ich jetzt auf Toilette.


Dass es ihm wichtig war, sein Anderssein durch eine auffällige Garderobe zum Ausdruck zu bringen, war wiederum ein Ausdruck seiner Gewöhnlichkeit.


Als Ulrich R. seine erste Kneipe eröffnete, gab er ihr den programmatischen Namen "Der stille Zecher". Genervt stellte er schnell fest, dass die wenigsten Gäste gewillt waren, sich daran zu halten.


Er war ein dirty old Junggeselle: Sein Alleinsein betrübte ihn und seine Freiheiten amüsierten ihn.


trinken, rumsitzen - passt


In meiner Kindheit war der Samstag Badetag und im Fernsehen lief Enterprise und ausnahmsweise gabs Cola zu trinken und wir durften länger aufbleiben und gruselten uns dann noch im Schlafanzug bei einem Horrorfilm aus der »Hammer«-Schmiede. Samstag war der beste Tag der Woche.
Am Sonntag standen langweilige Familienausflüge an. Wir mussten unsere unbequemen guten Anziehsachen anziehen und Mutti war stark parfümiert und Papi gelangweilt oder genervt. Und die Schule am Montagmorgen wartete schon. Der Sonntag war damals schon scheiße.


Ein paar Tage lang war ich ausgeglichener und besser gelaunt als sonst, ohne zu wissen warum. Jetzt, wo er wieder da ist, begreife ich erst, dass der Brüllaffe in der Wohnung nebenan wohl ein paar Tage weg war.

Montag, 8. Juni 2020

Und wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo so ein Depp mit seinen Ratschlägen her.

Montag, 1. Juni 2020

Diesmal spielte ihm die pandemiebedingte Kontaktbeschränkung in die Karten. Innerlich laut lachend drückte Gerhard H. sein tiefes Bedauern aus über das in diesem Jahr nicht stattfinden könnende große Familientreffen.


Jeden Sonntagmorgen macht die 86jährige Ines S. in ihrer Sonntagsgarderobe ihren Sonntagsspaziergang durch ihr Viertel. Auch wenn sie dabei seit einiger Zeit einer stetig wachsenden Menge an penetrant betrunkenen Tunichtguten ausweichen muss. - Ines, bitte halten Sie durch!


Er liebte die Ruhe und kostete sie vollends aus. Sogar noch die unmittelbar vor dem Sturm.


Der arrogant wirkende Ludwig H. streift das gewöhnliche Leben der anderen gelegentlich bei seinen Spaziergängen. Ansonsten sitzt er allein und ratlos in seiner 1½-Zimmer-Küche-Bad-Wohnung, gefangen in seiner Schüchternheit.


Ihr Verständnis von Freiheit führte sie in die Vulgarität.

Sonntag, 17. Mai 2020

Wenn Sie tatsächlich einmal mit einer Vermutung Recht behalten, zögern Sie nicht, es jedem mitzuteilen! Auch mehrfach! Jeder wird äußerst beeindruckt sein von Ihrer kombinatorischen Weitsicht und intellektuellen Überlegenheit und Sie lieben und verehren.


Den missmutigen und ausgesprochen unhöflichen Vorwurf "Als ob ich gerade nichts anderes zu tun hätte!" bekommt er seiner Erfahrung nach meistens von jemandem zu hören, der tatsächlich gerade nichts anderes zu tun hat.


Den missmutigen Vorwurf "Als ob ich gerade nichts anderes zu tun hätte!" bekommt er verständlicherweise meistens von jemandem zu hören, der tatsächlich gerade nichts anderes zu tun hat und das einfach mal genießen möchte.


Entsetzt stellte er fest, wie dumm und stumpfsinnig ihn der Alkohol gestern wieder mal gemacht hat. Eine Arbeitswoche später wollte er nur noch, dass der Alkohol ihn jetzt so dumm und stumpfsinnig wie möglich macht.


"Bier bewusst genießen" stand da auf den Bierdosen. Und so genoss er es dann, bis er bewusstlos wurde.


Gerät er wieder mal in ein Gedankenkarussell, visualisiert er es zu seiner letzten realen Karussellfahrt, bei der ihm speiübel wurde. Der schnelle und entschlossene Ausstieg ist dann ein Klacks.


Wenn er seine betagten Eltern besuchte und sich dort für ein paar Tage in seinem alten Kinderzimmer einquartierte, machte ihn das während dieser Zeit impotent. - Nun ja, "während dieser Zeit potent" hätte ihn weitaus mehr beunruhigt.

Sonntag, 10. Mai 2020

Als Holger 'Holgi' R. die humorvollen Worte "Holgi, der Waldfeenrich!" völlig zusammenhangslos in die Runde krakeelte, sorgte er im "Königs Eck" für eine ausgelassene Stimmung. Sogar noch nach dem 18. Mal.


Eine schöne heiße Dusche ist für Langzeitsingle Sören N. die sinnliche Streicheleinheit schlechthin. Ab und an bereitet er sich auch eine Wechseldusche, wenn er mal das Dramatische vermisst.


Aufgewachsen in einem kleinbürgerlich intoleranten Milieu fernab von Kunst und Kultur entdeckte er die Welt der Bücher als eine geheime Zuflucht, nur für sich allein. Bis heute redet er nicht gern über Bücher oder Literatur.


Auf seiner langen, verworrenen Suche nach dem inneren Frieden kam er ihm dann am nächsten, wenn er sich mal erschöpft 'ne Pause gönnte.


Ein voluminöser, aber zugleich sanfter Furz umschmeichelte die Poperze von Dr. Dietmar von Häckelöder. Triviale Biochemie, aber dennoch: durchaus angenehm und bemerkenswert.


Das Wort Zufriedenheit fragt an, ob es vielleicht mal wieder einen etwas höheren Stellenwert erhalten könnte. Natürlich nur, wenn es nicht allzu viele Umstände macht.

Sonntag, 3. Mai 2020

Jens-Uwe W. läuft derzeit 4,73 Meter von seinem Bett zu seiner Toilette und er fragt sich, wie viel Meter er wohl laufen müsste, wenn er im Lotto gewinnt und sich dann so eine handelsübliche Villa kauft.


Dass Ulf L. mit seiner morgendlichen Darmentleerung wartete, bis er sich bei der Arbeit befand, um die dabei entstehenden Abwasserkosten der Firma aufzubürden und sich dafür sogar noch bezahlen zu lassen, war ja nur ein Beispiel seiner spitzbübischen Eskapaden.


Als er dann endlich alles erreicht hatte, was er immer wollte, wusste er nicht weiter, stand quasi vor dem Nichts. Also drehte er sich um, setzte sich und genoss bei einem guten Wein die Rückschau. Und vielleicht fiel ihm ja sogar noch was ein.


Marcel L. ist einer dieser äußerst gut aussehenden Männer mit einer überraschend weniger gut aussehenden und irgendwie ständig genervten Frau an seiner Seite. Sein Mangel an Reife und Selbstvertrauen macht es ihr auch wirklich nicht leicht.


Die nervöse und penetrante Umtriebigkeit seiner Frau löste bei Helmut 'Hat-Die-Ruhe-Weg' Schneider schließlich eine tief sitzende, irreparable Untriebigkeit aus.


Als "Friedensstifter/in" ein anerkannter Ausbildungsberuf wurde und Sandro O. voller Enthusiasmus und Ideale die Ausbildung begann, landete er schnell auf dem Boden der Realität, als er gleich zu Anfang lernen musste, dass es tatsächlich verschiedene Auffassungen von Frieden gab.


Die offene, rücksichtslose Launenhaftigkeit seiner Bürokollegin zu ertragen, betrachtete Hans-Dieter D. als gutes Training für das, was ihn in aller Regel auch zu Hause erwartete.


Sein Wohnungsnachbar war laut, vulgär und rücksichtslos. Als er ihn das erste Mal sah, bestätigte das äußere Erscheinungsbild den bislang rein akustisch hinterlassenen Eindruck: der Gang breitbeinig und betont lässig, das Gesicht verquollen und argwöhnisch.


Nicht nur Menschen, auch Bücher sind bisweilen schwatzhaft, aber die lassen sich zumindest vorblättern oder auch, wenn's ganz schlimm wird, weglegen.

Sonntag, 19. April 2020

Nachdem Reinhold N. die Diagnose erhalten hatte, machte er noch bis zum Schluss seine üblichen sanftmütigen Scherze, um es seinen Angehörigen und überhaupt allen leichter zu machen. Er wusste, er wurde geliebt, immer schon.


Seine Tätigkeit als ein für die Programmspalten zuständiger Redakteur bei einer billigen 14-Tage-Fernsehzeitschrift entsprach seiner resignierten Welthaltung und so war er zumindest in der Hinsicht mit sich im Reinen.


Zwangsläufig wurden mit der Zeit seine Wissenslücken immer großflächiger. Um sich weiterhin zu behaupten, hielt er seine Wissensinseln beisammen und bemühte sich, zumindest diese auszubauen.


Seine unablässigen Bemühungen, gleich beim ersten Eindruck als der brillante Komiker dazustehen, für den er sich hielt, waren in aller Regel ein tiefer Griff ins Klo. Zu seinem Glück war er völlig empathielos.


Für seine unglaublich billigen Texte erhält er unglaublich viel billigen Zuspruch. - Ja, aber dafür musst du da auch erst mal hinkommen für!


Das "BACK·FACTORY" in der Fußgängerzone avancierte nicht nur zum lukrativsten Café der Stadt, sondern auch zum hipsten. Die hiesige, sehr sarkastisch ausgerichtete Künstlerszene traf und inszenierte sich dort regelmäßig bei einem Automaten-Cappuccino.

Montag, 13. April 2020

Eines Morgens war er plötzlich da: säuerlicher Altmännergeruch in seinem Schlafzimmer. Er öffnete das Fenster, streckte sich und machte mit grimmiger Miene ein paar schlotterige Kniebeugen. Über sich selbst lachte er am liebsten, das hielt ihn jung.


Der von allen bewunderte und von ihm teuer bezahlte Ausblick aus seinem Penthouse am Meer war gar nicht so viel wert, es war immer der gleiche.


Für ihn in seiner bedrückenden Einsamkeit sind die Abendstunden die schlimmsten. Die Sommerzeit hat andere Anhänger.


Selbst wenn er originell, witzig und intelligent ist, ist Zynismus auf Dauer nicht so der Bringer.


Für ihn war sie ein nervendes Nervenbündel und aus boshaftem Trotz wurde er eine tranige Trantüte und so machten sie sich ihr Leben lang gegenseitig die Hölle heiß, denn damals auf dem Dorf war eine Scheidung ein Sakrileg.


Kaum war sie in sein Leben getreten, musste er sich auch schon für seinen vermeintlichen Geiz rechtfertigen. Er war es als langjähriger Junggeselle nun mal gewohnt, seine Unterwäsche bis über eine gewisse Löchrigkeit hinaus zu verwenden.


Irgendwann läuft es nur noch auf gutes Essen hinaus, vor allem die Trinkerei.


Der durchaus ansehnliche und finanziell nicht minder gut aufgestellte Herr L. wünscht sich eine seriöse, altmodische Heiratsvermittlung ohne Internet-Tamtam. Liebe ist eine Sache, eine funktionierende Ehe eine andere, so sein Leitmotiv in dieser ihm dringlichen Angelegenheit.


Erst der feine Geruch hartgekochter Eier in der 2-Zimmer-Whg. der Kleinschmidts sorgte dann für eine angemessen feierliche Osterstimmung.

Sonntag, 5. April 2020

Die Lösung seiner meisten Probleme war dermaßen naheliegend, dass er seinen Blick nach innen hätte richten müssen.


Wie er seinem persönlichen Versagen dann mit einem unaufgeregten Lachen gegenübertrat, machte ihn endgültig zur coolen Socke.


Als der fanatische Retro-Hipster Carsten S. in die Jahre kam, wurde ihm voller Wehmut bewusst, dass er ja irgendwie auf keine wirklich eigene coole Zeit zurückblicken konnte.


Der Herr R. war klug und gab sich immer eine Spur naiver, als er war. Mal davon abgesehen, dass es ihn beliebt machte, entlastete es ihn in seiner geduldig errungenen Angestelltenroutine ungemein.


Nach über 20 Jahren trafen sie sich mal wieder auf ein Bier, aber die alten Sprüche und die alten Geschichten zündeten nicht mehr. Nicht mal das Bier zündete. Und überhaupt fehlte dem Abend so jegliche Bierwerbespot-Ästhetik.


Dass er nun doch wissen will, wie es ausgeht, ist das einzige Band zwischen ihm und dem Buch. Nach der Lektüre wird er kein Problem damit haben, es zu entsorgen.


Olaf K. liebte es, sich den aufgewärmten Linseneintopf von gestern kreativtönend und geruchsfreudig durch den Darm zu jagen.

Samstag, 28. März 2020

Auch für die eher mittelgroße Kiezgröße, den "Smarten Sven" war es damals Ehrensache, seinen Zaster demonstrativ für prahlerisches Zeugs zu verprassen und so war er dann der erste mit so einem Funktelefon und die Girls flippten völlig aus.


Wenn seine Olle mal für 2 oder 3 Tage weg war, freute er sich jedes Mal wie Bolle darauf, sich mal wieder richtig einen auf die Lampe zu gießen und die Sau raus zu lassen. Allein schon dafür hatte es sich gelohnt zu heiraten.


Zu sterben, jetzt oder später, sei ihm inzwischen gleich. Er habe seinen Eindruck vom Leben, umfassend und wenig schmeichelhaft. Sein Mitgefühl gelte den Unerfahrenen, egal, ob jung oder alt, so tönte er herum mit gönnerhafter Miene.


Früher ist er im Rausch euphorisch durch Illusionen gerannt. Jetzt, selbst im Suff desillusioniert, bleibt er, wo er ist, versackt im Sofa und denkt sich, so ist das nun mal.

Donnerstag, 12. März 2020

Diese alten, gehäkelten Untersetzer da erinnern sie an eine Zeit, als die Männer noch ungestümer waren. Sie feierten, den Krieg überlebt zu haben. Sie fraßen sich voll, qualmten und soffen Schnaps, zügellos. Und sie malochten.


Unter Menschen wünscht er sich immer häufiger, er könnte wie beim Fernseher einfach mal den Ton abstellen und nur schauen.


Solang Prahlerei und Protzigkeit noch eindeutige Hinweise auf einen geringen Bildungsstand sind, haben Frau und Herr M. noch Hoffnung für die Gesellschaft.


Schon mit der Naivität der Jugendlichen hat er Probleme, kommt unverhohlene Arroganz noch oben drauf, kann Gymnasiallehrer Stephan S. seine Aversion kaum verbergen. Er selbst war als Jugendlicher genauso.


Er kann sich noch gut erinnern: Überall wurde geraucht und man trank Bier und Schnaps, sogar während der Arbeitszeit. Heutzutage unvorstellbar. Dafür wird man heutzutage länger alt.

Sonntag, 8. März 2020

Sie haben sich schon lange nichts mehr zu sagen, treffen sich aber noch regelmäßig, wärmen die alten Geschichten wieder und wieder auf und geben sich amüsiert. Freundschaften muss man pflegen, vielleicht will man sich ja mal ein Werkzeug borgen oder so.


Dem Dummkopf Dietrich A. war es immer wichtig gewesen, seine Klugheit, Überlegenheit und Erfolge zu betonen. Und reden mochte er gern. Jeder im Gerichtssaal hatte Verständnis für die Angeklagte und fragte sich, wie sie die Ehe überhaupt so lange hatte ertragen können.


Bist du bodymäßig definierter als die, musst du diese Klugscheißer da nicht Respekt vor haben, weil du ja vom Body her definierter bist und so vom Argument her besser dastehst.


Seine Eltern, nachkriegserfahren und aufschwungsverwöhnt, konnten seine Art zu leben nicht verstehen. Dass er trotz guter Anstellung mit gutem Verdienst noch nicht verheiratet war, konnte sein Vater ja noch nachvollziehen, aber dass er nicht einmal ein Auto besaß, ging auch ihm zu weit.


War er erstmal angetrunken, konnte Uwe W. einfach nur noch weiter trinken, dann wusste er zumindest, was er zu tun hatte. Nüchtern wusste er das nie. Damals, das Jahr bei der Bundeswehr, das war eigentlich so seine geilste Zeit gewesen.


Herr L. hasst seinen Beruf, hat kein Hobby, keine Interessen, sitzt allein vorm Fernseher und ist frustriert. Was ihm eigentlich noch fehlt, ist eine Frau, für die er außer Genervtsein nichts mehr empfindet.

Montag, 24. Februar 2020

Alles geht seinen Gang und schleift ihn mit.


Er war immer schon der pragmatische Typ gewesen, der die Dinge gern schnell hinter sich gebracht und abgehakt hat. Irgendwann betraf das dann aber auch die schönen Dinge.


Die 93jährige Clara A. betrachtete es schon länger als eine Art Wettbewerb mit K.-o.-System. Voller Spannung erwartete sie jede Woche die Samstagszeitung mit den Todesanzeigen für den aktuellen Ergebnisstand.


Er hing an seiner Jugend, kleidete sich entsprechend, hörte die alte Musik und kaufte und sammelte die Accessoires aus "seiner" Zeit, weil alles, was nach seiner Jugend kam, in emotionaler Hinsicht ein großes, langes Nichts war. (Was wiederum an seiner Jugendfixierung lag.)


Da sein Leben arm an Abwechslung war, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich permanent zu wiederholen. In seinen phantasiereichen Variationen der Wiederholung lag dann aber ein gewinnender Reiz.


Er spürte es, jeden Tag, wenn er wieder da hin musste, wenn er die abgestorbenen Gesichter der Kundschaft betrachtete oder die Neurosen des Kollegiums ertrug: Es war ein schlechter Witz, ein Albtraum, der doch unmöglich noch all die Jahre so weitergehen konnte.


Er war Single, ging einem angesehenen Beruf nach, hatte ein fröhliches Gemüt und sah für sein Alter noch außerordentlich gut aus und dass sein Sexualtrieb ihn nicht mehr dominierte, bewahrte ihn vor so manch bösen Falle.


Verstohlene Blicke voller Sehnsucht und Gier auf die Körper der verschwitzten Jungs, mehr ist für ihn nicht drin, niemals. Das kann er seinen ehrbaren Eltern unmöglich antun. Im McFIT trägt er zur Tarnung einen Ehering. #Ehrenmann


Betrunken vergaß er seine Probleme und das war schön. Am nächsten Tag war's weniger schön, aber bei dem üblen Kater vergaß er immerhin seine Probleme.


Chronische Bequemlichkeit trübt die Lebensqualität, das Sofa sollte eine Belohnung sein und kein Dauerzustand, sagt der Kleinbürger in mir und wie so oft hat das Sackgesicht ärgerlicherweise recht.


Enttäuscht stellte das Aggro-Krawallgirl Pia P. fest, dass der neue, schrill beworbene Action-Tampon "Blood-Bullet" in der martialischen Blechschachtel sich letztlich doch nur als ganz gewöhnlicher Tampon erwies.


Horst-Uwe U. misstraut grundsätzlich den rhetorisch Geschulten, denn die sind ja nicht ohne Grund rhetorisch geschult.


Aufdringliche Großspurigkeit im Gang und Mundwerk: So wird jeder arme Wicht, der gern eine große Nummer wäre, zu einer großen Nummer. Garantiert.


Allein das Wunschdenken in seiner unerwiderten Verliebtheit machte aus dem sonst so besonnen und erfolgsverwöhnten Dr. med. Jens S. schlagartig einen kompletten Narren. Vor allem, weil er sie da schon geheiratet hatte.


Der brave Angestellte und Familienvater Jens-Dieter D. glaubt nicht an ein Jenseits, er glaubt aber an ein für seinesgleichen verborgenes Diesseits.


Der ganze Tag war schon so komisch und jetzt der Alkohol gerade wirkt für Verwirrung.


Zum Renteneintritt zog er wieder seine alte Lederjacke an und dazu noch die Heavy-Metal-T-Shirts. Genau so, wie er es sich all die Jahre in heller Vorfreude ausgemalt hatte und es dauerte fast eine ganze Woche, bis es ihm selbst peinlich wurde.


Die Stürme häufen sich, werden stärker, zerstörerischer. - Beton. Investieren Sie in Beton!


Je älter er wurde, desto mehr bekannte er sich zu seiner "deutschen" Schwermut und Gewissenhaftigkeit und desto mehr ging ihm die "südländische" Lebensfreude und Leichtigkeit auf seinen deutschen Sack.


Obwohl der 89jährige Witwer Richard R. fast immer allein in seiner Wohnung blieb, duschte er jeden Tag und zog sich frische Wäsche an. Auch seine Selbstachtung hielt ihn am Leben.


Der Job war bescheuert. Bescheuert und sinnlos. Wie das meiste in seinem Leben. Er stand die Arbeit durch, danach fühlte er sich immerhin etwas besser. Am nächsten Tag ging es aber von vorn los. Nein, man muss sich ihn nicht als glücklichen Menschen vorstellen.

Dienstag, 4. Februar 2020

Er ist ausgesprochen sensibel und hat eine romantisch lyrische Ader. Aber wenn er wieder mal den Ozean bemüht, um seine Gefühle für sie zu beschreiben, geht ihr das langsam ganz schön auf den Sack.


Er verstand und fühlte mehr, als er es je mit Worten hätte ausdrücken können. So entdeckte er die Musik für sich und erlernte das Klavierspiel und auch da wurden ihm dann seine Grenzen aufgezeigt.


Ihr Leben lang klebte sie die ewig gleichen Fotos von Familienurlauben und Familienfeiern akkurat in chronologisch geordnete und entsprechend beschriftete Fotoalben ein. - Nein, mit moderner Kunst hatte sie so rein gar nichts am Hut.


Dramaturgisch betrachtet kreiert er beim Trinken mit ein, zwei Bier erst mal eine Ouvertüre, bevor er mit dem Wodka richtig Fahrt aufnimmt. Als retardierendes Moment kommt dann später ein Becher Kaffee ins Spiel. Das Finale ist offen und am nächsten Tag zumeist schon vergessen.


Herr E. ist nervös und angespannt, ständig. Erst der Alkohol drosselt sein Hirn und befreit dann die miese Drecksau in ihm, die er tagtäglich unterdrücken muss. Gerade macht er sich eine 2. Flasche Château Pétrus auf.  


Herr L. empfindet echtes Mitleid für unbemerkt fallengelassene und nun verwaist daliegende Handschuhe und Papiertaschentücherpackungen. Er redet aber mit niemanden darüber, um nicht als komischer Kauz zu gelten.


Die Übereinkunft, vernichtende Arbeitszeugnisse in positive Formulierungen zu verpacken, ist so zynisch, wie sie feige ist. Aber was soll's, der Job und die Leute da hatten ihm nie was bedeutet, auch wenn sie "nach Kräften um ein tadelloses Arbeitsklima bemüht" waren.


Wild entschlossen inszeniert er sich immer wieder neu, provoziert bei jeder Gelegenheit. Vergeblich. Sein großer, aber einziger Erfolg war damals einem lächerlichen Umstand geschuldet gewesen, den er bis heute nicht mal im Ansatz erkennt.


Er war jung und naiv und er nahm die Menschen beim Wort. Schon bald eines Besseren belehrt, wandte er sich lieber den Wörtern der Bücher zu.


Leichtigkeit, Gelassenheit, Zuversicht, Lust am Leben: alles nach und nach in bürgerlicher Vernunft eingetauscht gegen Sorgen und Besorgungen machen.


Als sein Knackwürstchen frühzeitig seinen Knack verlor, wurde er wütend und machte fiese Sachen.


Der Richter war ein harter Knochen, vor allem gegenüber Intensivtätern. Und so wurde das Urteil selbst für diesen etwas weniger intensiven Intensivtäter zu einer recht intensiven Erfahrung.


Die Rente war noch lange nicht in Sicht und schon jetzt machte er nur noch müde Miene zum bösen Spiel.


Zunächst einfach, direkt und selbstbewusst, dazu schon ein Quäntchen an prolliger Arroganz: So erntete er viel Zuspruch, Sympathie und Erfolg, bevor er dann nur noch ekliger und ekliger wurde.

Sonntag, 19. Januar 2020

Als die Kaufhäuser dann dazu übergingen, nicht mehr die Hemden zu den Hemden und die Hosen zu den Hosen zu packen, sondern alles nach Marken zu sortieren, wurde Herrn S. das Einkaufen endgültig ein Graus.


Die punktgenaue, unaufgeblasene Einfachheit seiner Äußerungen störte sie. Ihre Leidenschaft war es, sich in nicht enden wollenden Gesprächen zu verlieren.


Diese gefälligen Floskeln von weichgespülten Luschen beleidigten ihn weitaus mehr als jede noch so ätzende Spöttelei provokanter Intellektueller.


Der in die Jahre gekommene Frauenheld Frank 'Fränki' R. begrüßt die Kassiererin im Discounter mit "Hallöchen, liebe Lidl-Maus" und meint das charmant und originell.


Inzwischen macht ihr das Entsorgen fast schon mehr Freude als das Kaufen. Denn eine vorherige Entsorgung ist die perfekte Legitimation für einen neuerlichen Kauf.


Bücher haben es schwer gegenüber Fernsehen, Internet und Gaming - nicht wenige völlig zu Recht.


Er musste nicht verzichterpocht ins Kloster gehen oder als schräger Kauz in den Wald ziehen und sich da eine Hütte zimmern. Ihm reichte es, die Tür beim Betreten seiner kleinen Mietwohnung hinter sich abzuschließen.


Der Bodensatz in seiner Klobürstenauffangschale befand sich gerade im alles entscheidenden Stadium des Proterozoikums, als Günther G. tragischerweise eine neue Klobürstengarnitur zum Schnäppchenpreis im neu eröffneten TEDi ergatterte.


Die Illusionen waren weg. Die Erfahrung hatte sie gekillt, eine nach der anderen. Im Suff stellte sich ab und an noch eine Billigillusion ein, so billig, dass sie schon am nächsten Tag lachhaft und peinlich war.


Er hatte sich in seinem Leben so oft daneben benommen, so viele Dinge gesagt und getan, die er bereute, dass es nun für ihn kaum noch ein Erlebnis gibt, das nicht irgendeine peinliche Erinnerung hervorruft.


Sein Leben war festgefahren. Faul und feige wartete er auf ein Wunder. Das Wunder blieb aus, aber immerhin hatte er sich nicht umsonst bemüht oder sich sogar blamiert. Was er jetzt davon halten sollte, wusste er auch nicht.
Man sah es ihm einfach an: Jede Kleinigkeit ging ihm sofort auf den Sack. Sein Sackgesicht sprach Bände.


In der Gegenwart dachte er vornehmlich an zukünftiges Unglück oder an längst vergangenes Glück. Das Leben war ihm unangenehm.


In dem Arbeitskollegen Jochen K., der diesen Job tatsächlich ernst und wichtig nimmt und sich damit auch noch verwirklicht sehen will, sehen so manche ein Vorbild, die meisten aber eine Realkarikatur.


Die Zumutungen gilt es auszuhalten, um sich danach gut zu fühlen. Das Zubettgehen ist die Belohnung für den Tag, der Schlaf die Erlösung. — Das Zuvielerwarten die Hölle.


Wenn der zu Jähzorn neigende Dietmar Z. beobachtet, dass seine Arbeitskollegen Ärger mit Kunden haben und dabei auch mal Nerven zeigen, macht ihn das glücklich.


Das ständige Lügen wurde ihm einfach zu anstrengend. Fortan lebte er lieber den herrlichen Aberwitz seiner Wahrheiten.


Bei jedem großen Familientreffen wird ihm schlüssig vor Augen geführt, warum er so zurückgezogen und einsam lebt. Wieder daheim öffnet er dann voller Dankbarkeit die Tür seiner 2-Zimmer-Wohnung.


Dass sie schon seit Monaten nicht mehr miteinander schlafen, ist ihnen egal. Die letzten Male war es nur noch ein mühseliges Rumgejuckel gewesen. Wichtig ist ihnen, ihr Image des glücklichen und sexy Paares aufrechtzuerhalten.


Da er in aller Regel schon den Abend vorher abstürzte, war das Feiern an den Feiertagen selbst nur ein müder Aufguss oder gar eine lästige Pflicht.


Sein Gedankengefängnis hält ihn seit Jahrzehnten gefangen. Es bietet ihm lediglich einen Ausblick auf den Gefängnishof, wo andere Gefangene bedrohlich umeinander schleichen.


Meine erste Seniorenerfahrung: tief empfundene Dankbarkeit und Freude über ein neues Paar bequemer Schuhe, das ich nicht erst einlaufen muss, bei gleichzeitig absoluter Gleichgültigkeit, wie die Latschen aussehen.
Die Zeitspanne zwischen Einsicht und entsprechender Verhaltensänderung ist deswegen so lang, damit man doch noch genügend Argumente für die Beibehaltung der alten Gewohnheiten finden kann.


Der kurzatmige Dickwanst Daniel L. sieht und bezeichnet sich selbst bedenkenlos als sportlichen Fahrer und hegt eine in der Tat innige Beziehung zu seinem Fahrzeug.


Herr L. trank, um das Alleinsein besser ertragen zu können. Später dann war und blieb er allein, um besser trinken zu können.


Selbst in schlechter Verfassung bemühte sich Richard H. tapfer um schöne und aufmunternde Worte. So bekam er zumindest noch ab und zu Besuch im Krankenhaus.


Mit angespannter Miene läuft die Abteilungsleiterin gestresst und schwer beschäftigt im Betrieb umher. Amüsiert und als Ausdruck seines Hohns setzt Herr S. bei der Arbeit eine noch viel angespanntere Miene auf.


Jedes Mal, wenn er sich längere Zeit über etwas aufgeregt hatte und davon im Geiste ganz erschöpft war, stellte sich von ganz allein eine angenehme generelle Gleichgültigkeit ein.


Er riecht nicht nur wie ein verschwitzter Aschenbecher, er sieht auch so aus. Seit 20 Jahren hat er genau 8 Blondinenwitze in petto, die niemand mehr hören will. Im "Michi's Dart-Eck" gehört er quasi zum Inventar.


Das unübersehbare Unterhosen-Doppelripp-Pressmuster auf seinem roten Hintern zeugte von seiner ausgedehnten Fernsehsesselsitzung. Seine Frau konnte selbst nach 40 Jahren Ehe noch herzhaft darüber lachen.


In seiner ohnmächtigen Wut auf seine Mitmenschen phantasierte er sich in Situationen und Gespräche hinein, die ihn dann noch wütender machten; sogar, wenn er in ihnen als souveräner Sieger hervorging.


Die Alkoholabstinenz erhöhte tatsächlich sein Denkvermögen und verbesserte sein Gedächtnis. Hilfreich war das aber nicht, in der Banalität seines Alltags sorgte dieses Klugsein eher für Verdruss.


Inzwischen war er in einer Verfassung, in der ihm der Alkohol hinsichtlich Stimmung und guter Laune nichts mehr bot, da auch er dem Alkohol diesbezüglich nichts mehr anzubieten hatte.