Montag, 24. Februar 2020

Alles geht seinen Gang und schleift ihn mit.


Er war immer schon der pragmatische Typ gewesen, der die Dinge gern schnell hinter sich gebracht und abgehakt hat. Irgendwann betraf das dann aber auch die schönen Dinge.


Die 93jährige Clara A. betrachtete es schon länger als eine Art Wettbewerb mit K.-o.-System. Voller Spannung erwartete sie jede Woche die Samstagszeitung mit den Todesanzeigen für den aktuellen Ergebnisstand.


Er hing an seiner Jugend, kleidete sich entsprechend, hörte die alte Musik und kaufte und sammelte die Accessoires aus "seiner" Zeit, weil alles, was nach seiner Jugend kam, in emotionaler Hinsicht ein großes, langes Nichts war. (Was wiederum an seiner Jugendfixierung lag.)


Da sein Leben arm an Abwechslung war, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich permanent zu wiederholen. In seinen phantasiereichen Variationen der Wiederholung lag dann aber ein gewinnender Reiz.


Er spürte es, jeden Tag, wenn er wieder da hin musste, wenn er die abgestorbenen Gesichter der Kundschaft betrachtete oder die Neurosen des Kollegiums ertrug: Es war ein schlechter Witz, ein Albtraum, der doch unmöglich noch all die Jahre so weitergehen konnte.


Er war Single, ging einem angesehenen Beruf nach, hatte ein fröhliches Gemüt und sah für sein Alter noch außerordentlich gut aus und dass sein Sexualtrieb ihn nicht mehr dominierte, bewahrte ihn vor so manch bösen Falle.


Verstohlene Blicke voller Sehnsucht und Gier auf die Körper der verschwitzten Jungs, mehr ist für ihn nicht drin, niemals. Das kann er seinen ehrbaren Eltern unmöglich antun. Im McFIT trägt er zur Tarnung einen Ehering. #Ehrenmann


Betrunken vergaß er seine Probleme und das war schön. Am nächsten Tag war's weniger schön, aber bei dem üblen Kater vergaß er immerhin seine Probleme.


Chronische Bequemlichkeit trübt die Lebensqualität, das Sofa sollte eine Belohnung sein und kein Dauerzustand, sagt der Kleinbürger in mir und wie so oft hat das Sackgesicht ärgerlicherweise recht.


Enttäuscht stellte das Aggro-Krawallgirl Pia P. fest, dass der neue, schrill beworbene Action-Tampon "Blood-Bullet" in der martialischen Blechschachtel sich letztlich doch nur als ganz gewöhnlicher Tampon erwies.


Horst-Uwe U. misstraut grundsätzlich den rhetorisch Geschulten, denn die sind ja nicht ohne Grund rhetorisch geschult.


Aufdringliche Großspurigkeit im Gang und Mundwerk: So wird jeder arme Wicht, der gern eine große Nummer wäre, zu einer großen Nummer. Garantiert.


Allein das Wunschdenken in seiner unerwiderten Verliebtheit machte aus dem sonst so besonnen und erfolgsverwöhnten Dr. med. Jens S. schlagartig einen kompletten Narren. Vor allem, weil er sie da schon geheiratet hatte.


Der brave Angestellte und Familienvater Jens-Dieter D. glaubt nicht an ein Jenseits, er glaubt aber an ein für seinesgleichen verborgenes Diesseits.


Der ganze Tag war schon so komisch und jetzt der Alkohol gerade wirkt für Verwirrung.


Zum Renteneintritt zog er wieder seine alte Lederjacke an und dazu noch die Heavy-Metal-T-Shirts. Genau so, wie er es sich all die Jahre in heller Vorfreude ausgemalt hatte und es dauerte fast eine ganze Woche, bis es ihm selbst peinlich wurde.


Die Stürme häufen sich, werden stärker, zerstörerischer. - Beton. Investieren Sie in Beton!


Je älter er wurde, desto mehr bekannte er sich zu seiner "deutschen" Schwermut und Gewissenhaftigkeit und desto mehr ging ihm die "südländische" Lebensfreude und Leichtigkeit auf seinen deutschen Sack.


Obwohl der 89jährige Witwer Richard R. fast immer allein in seiner Wohnung blieb, duschte er jeden Tag und zog sich frische Wäsche an. Auch seine Selbstachtung hielt ihn am Leben.


Der Job war bescheuert. Bescheuert und sinnlos. Wie das meiste in seinem Leben. Er stand die Arbeit durch, danach fühlte er sich immerhin etwas besser. Am nächsten Tag ging es aber von vorn los. Nein, man muss sich ihn nicht als glücklichen Menschen vorstellen.

Dienstag, 4. Februar 2020

Er ist ausgesprochen sensibel und hat eine romantisch lyrische Ader. Aber wenn er wieder mal den Ozean bemüht, um seine Gefühle für sie zu beschreiben, geht ihr das langsam ganz schön auf den Sack.


Er verstand und fühlte mehr, als er es je mit Worten hätte ausdrücken können. So entdeckte er die Musik für sich und erlernte das Klavierspiel und auch da wurden ihm dann seine Grenzen aufgezeigt.


Ihr Leben lang klebte sie die ewig gleichen Fotos von Familienurlauben und Familienfeiern akkurat in chronologisch geordnete und entsprechend beschriftete Fotoalben ein. - Nein, mit moderner Kunst hatte sie so rein gar nichts am Hut.


Dramaturgisch betrachtet kreiert er beim Trinken mit ein, zwei Bier erst mal eine Ouvertüre, bevor er mit dem Wodka richtig Fahrt aufnimmt. Als retardierendes Moment kommt dann später ein Becher Kaffee ins Spiel. Das Finale ist offen und am nächsten Tag zumeist schon vergessen.


Herr E. ist nervös und angespannt, ständig. Erst der Alkohol drosselt sein Hirn und befreit dann die miese Drecksau in ihm, die er tagtäglich unterdrücken muss. Gerade macht er sich eine 2. Flasche Château Pétrus auf.  


Herr L. empfindet echtes Mitleid für unbemerkt fallengelassene und nun verwaist daliegende Handschuhe und Papiertaschentücherpackungen. Er redet aber mit niemanden darüber, um nicht als komischer Kauz zu gelten.


Die Übereinkunft, vernichtende Arbeitszeugnisse in positive Formulierungen zu verpacken, ist so zynisch, wie sie feige ist. Aber was soll's, der Job und die Leute da hatten ihm nie was bedeutet, auch wenn sie "nach Kräften um ein tadelloses Arbeitsklima bemüht" waren.


Wild entschlossen inszeniert er sich immer wieder neu, provoziert bei jeder Gelegenheit. Vergeblich. Sein großer, aber einziger Erfolg war damals einem lächerlichen Umstand geschuldet gewesen, den er bis heute nicht mal im Ansatz erkennt.


Er war jung und naiv und er nahm die Menschen beim Wort. Schon bald eines Besseren belehrt, wandte er sich lieber den Wörtern der Bücher zu.


Leichtigkeit, Gelassenheit, Zuversicht, Lust am Leben: alles nach und nach in bürgerlicher Vernunft eingetauscht gegen Sorgen und Besorgungen machen.


Als sein Knackwürstchen frühzeitig seinen Knack verlor, wurde er wütend und machte fiese Sachen.


Der Richter war ein harter Knochen, vor allem gegenüber Intensivtätern. Und so wurde das Urteil selbst für diesen etwas weniger intensiven Intensivtäter zu einer recht intensiven Erfahrung.


Die Rente war noch lange nicht in Sicht und schon jetzt machte er nur noch müde Miene zum bösen Spiel.


Zunächst einfach, direkt und selbstbewusst, dazu schon ein Quäntchen an prolliger Arroganz: So erntete er viel Zuspruch, Sympathie und Erfolg, bevor er dann nur noch ekliger und ekliger wurde.