Sonntag, 19. Januar 2020

Als die Kaufhäuser dann dazu übergingen, nicht mehr die Hemden zu den Hemden und die Hosen zu den Hosen zu packen, sondern alles nach Marken zu sortieren, wurde Herrn S. das Einkaufen endgültig ein Graus.


Die punktgenaue, unaufgeblasene Einfachheit seiner Äußerungen störte sie. Ihre Leidenschaft war es, sich in nicht enden wollenden Gesprächen zu verlieren.


Diese gefälligen Floskeln von weichgespülten Luschen beleidigten ihn weitaus mehr als jede noch so ätzende Spöttelei provokanter Intellektueller.


Der in die Jahre gekommene Frauenheld Frank 'Fränki' R. begrüßt die Kassiererin im Discounter mit "Hallöchen, liebe Lidl-Maus" und meint das charmant und originell.


Inzwischen macht ihr das Entsorgen fast schon mehr Freude als das Kaufen. Denn eine vorherige Entsorgung ist die perfekte Legitimation für einen neuerlichen Kauf.


Bücher haben es schwer gegenüber Fernsehen, Internet und Gaming - nicht wenige völlig zu Recht.


Er musste nicht verzichterpocht ins Kloster gehen oder als schräger Kauz in den Wald ziehen und sich da eine Hütte zimmern. Ihm reichte es, die Tür beim Betreten seiner kleinen Mietwohnung hinter sich abzuschließen.


Der Bodensatz in seiner Klobürstenauffangschale befand sich gerade im alles entscheidenden Stadium des Proterozoikums, als Günther G. tragischerweise eine neue Klobürstengarnitur zum Schnäppchenpreis im neu eröffneten TEDi ergatterte.


Die Illusionen waren weg. Die Erfahrung hatte sie gekillt, eine nach der anderen. Im Suff stellte sich ab und an noch eine Billigillusion ein, so billig, dass sie schon am nächsten Tag lachhaft und peinlich war.


Er hatte sich in seinem Leben so oft daneben benommen, so viele Dinge gesagt und getan, die er bereute, dass es nun für ihn kaum noch ein Erlebnis gibt, das nicht irgendeine peinliche Erinnerung hervorruft.


Sein Leben war festgefahren. Faul und feige wartete er auf ein Wunder. Das Wunder blieb aus, aber immerhin hatte er sich nicht umsonst bemüht oder sich sogar blamiert. Was er jetzt davon halten sollte, wusste er auch nicht.
Man sah es ihm einfach an: Jede Kleinigkeit ging ihm sofort auf den Sack. Sein Sackgesicht sprach Bände.


In der Gegenwart dachte er vornehmlich an zukünftiges Unglück oder an längst vergangenes Glück. Das Leben war ihm unangenehm.


In dem Arbeitskollegen Jochen K., der diesen Job tatsächlich ernst und wichtig nimmt und sich damit auch noch verwirklicht sehen will, sehen so manche ein Vorbild, die meisten aber eine Realkarikatur.


Die Zumutungen gilt es auszuhalten, um sich danach gut zu fühlen. Das Zubettgehen ist die Belohnung für den Tag, der Schlaf die Erlösung. — Das Zuvielerwarten die Hölle.


Wenn der zu Jähzorn neigende Dietmar Z. beobachtet, dass seine Arbeitskollegen Ärger mit Kunden haben und dabei auch mal Nerven zeigen, macht ihn das glücklich.


Das ständige Lügen wurde ihm einfach zu anstrengend. Fortan lebte er lieber den herrlichen Aberwitz seiner Wahrheiten.


Bei jedem großen Familientreffen wird ihm schlüssig vor Augen geführt, warum er so zurückgezogen und einsam lebt. Wieder daheim öffnet er dann voller Dankbarkeit die Tür seiner 2-Zimmer-Wohnung.


Dass sie schon seit Monaten nicht mehr miteinander schlafen, ist ihnen egal. Die letzten Male war es nur noch ein mühseliges Rumgejuckel gewesen. Wichtig ist ihnen, ihr Image des glücklichen und sexy Paares aufrechtzuerhalten.


Da er in aller Regel schon den Abend vorher abstürzte, war das Feiern an den Feiertagen selbst nur ein müder Aufguss oder gar eine lästige Pflicht.


Sein Gedankengefängnis hält ihn seit Jahrzehnten gefangen. Es bietet ihm lediglich einen Ausblick auf den Gefängnishof, wo andere Gefangene bedrohlich umeinander schleichen.


Meine erste Seniorenerfahrung: tief empfundene Dankbarkeit und Freude über ein neues Paar bequemer Schuhe, das ich nicht erst einlaufen muss, bei gleichzeitig absoluter Gleichgültigkeit, wie die Latschen aussehen.
Die Zeitspanne zwischen Einsicht und entsprechender Verhaltensänderung ist deswegen so lang, damit man doch noch genügend Argumente für die Beibehaltung der alten Gewohnheiten finden kann.


Der kurzatmige Dickwanst Daniel L. sieht und bezeichnet sich selbst bedenkenlos als sportlichen Fahrer und hegt eine in der Tat innige Beziehung zu seinem Fahrzeug.


Herr L. trank, um das Alleinsein besser ertragen zu können. Später dann war und blieb er allein, um besser trinken zu können.


Selbst in schlechter Verfassung bemühte sich Richard H. tapfer um schöne und aufmunternde Worte. So bekam er zumindest noch ab und zu Besuch im Krankenhaus.


Mit angespannter Miene läuft die Abteilungsleiterin gestresst und schwer beschäftigt im Betrieb umher. Amüsiert und als Ausdruck seines Hohns setzt Herr S. bei der Arbeit eine noch viel angespanntere Miene auf.


Jedes Mal, wenn er sich längere Zeit über etwas aufgeregt hatte und davon im Geiste ganz erschöpft war, stellte sich von ganz allein eine angenehme generelle Gleichgültigkeit ein.


Er riecht nicht nur wie ein verschwitzter Aschenbecher, er sieht auch so aus. Seit 20 Jahren hat er genau 8 Blondinenwitze in petto, die niemand mehr hören will. Im "Michi's Dart-Eck" gehört er quasi zum Inventar.


Das unübersehbare Unterhosen-Doppelripp-Pressmuster auf seinem roten Hintern zeugte von seiner ausgedehnten Fernsehsesselsitzung. Seine Frau konnte selbst nach 40 Jahren Ehe noch herzhaft darüber lachen.


In seiner ohnmächtigen Wut auf seine Mitmenschen phantasierte er sich in Situationen und Gespräche hinein, die ihn dann noch wütender machten; sogar, wenn er in ihnen als souveräner Sieger hervorging.


Die Alkoholabstinenz erhöhte tatsächlich sein Denkvermögen und verbesserte sein Gedächtnis. Hilfreich war das aber nicht, in der Banalität seines Alltags sorgte dieses Klugsein eher für Verdruss.


Inzwischen war er in einer Verfassung, in der ihm der Alkohol hinsichtlich Stimmung und guter Laune nichts mehr bot, da auch er dem Alkohol diesbezüglich nichts mehr anzubieten hatte.