Donnerstag, 30. November 2023

 Er setzte sich. Ein zwei Bier zum Feierabend, ein paar Minuten Ruhe, die kleinen Freuden eben, was anderes hatte er ja nicht. Große Freuden gibt's eh nur in der Vorstellung, dachte er dann und der Gedanke gefiel ihm, bereitete ihm Freude.


Seine materialistische Orientierung und streng bürgerliche Arbeitsmoral hatten ihn dieses Leben leben lassen. So war das eben. Von was sich die jungen Leute heute so leiten lassen, weiß er nicht, aber die werden schon noch sehen – so wie er das auch musste.


Ein eigenes Haus, einmal im Jahr eine Urlaubsreise, alle 7 Jahre ein neues Auto: Dafür gingen seine Eltern arbeiten. Darauf hatte er keinen Bock, er wollte immer ein anderes Leben und tatsächlich: Er geht nun arbeiten, um überhaupt erst mal Miete, Strom und Heizung zahlen zu können.


Weil und wenn ihm langweilig ist, kauft er sich irgendwelchen Kram. Früher in der Innenstadt, jetzt im Internet. Die Innenstadt vermisst er nicht, er war da immer nur aus Langeweile.


Er glaubte es nicht und es interessierte ihn auch nicht und damit lag er wieder mal goldrichtig.

Donnerstag, 23. November 2023

 Wirklich alles, was sie von sich gab, war durchdacht, korrekt und zudem auch noch zielführend. Wie kann man sich nur so unbeliebt machen!


Aber was hingegen das menschliche Verhalten betraf, da favorisierte er längst die einfachen, naheliegenden Erklärungen.


Als Geschäftsmann musste er sich natürlich lokal engagieren, sich sehen lassen: Vereine, Politik, Ehrenamt. So lief das nun mal. Und was ging ihm dieser ganze verlogene Zirkus auf den Sack! Nur damit er mit seinem Scheißladen noch einigermaßen über die Runden kam.


Er hatte sich immer gern sein Leben schöngetrunken. Rückblickend hat er so natürlich genau das Gegenteil erreicht. Und wo er jetzt so drüber nachdenkt, denkt er: Wär's nicht die Trinkerei gewesen, wär's was anderes gewesen, mit Sicherheit.


Er war ja immer schon überzeugter Nachtmensch; früher ist er da oft betrunken und lustig gewesen und jetzt schläft er da halt.


Schon als Kind las er viel, geradezu flüchtete er sich in die Welt der Bücher und er wuchs heran zu einem fantasiebegabten jungen Mann, einem liebenswerten Träumer. Sogar vom Geldverdienen hatte er romantisch abenteuerliche Vorstellungen.


Zweifelsohne noch am Leben begriff er sich selbst aber als bereits weitestgehend verstorben und so schlenderte er doch recht amüsiert durch diese Zwischenwelt mit all den seltsam umtriebigen Menschen darin, diesen sogenannten Alltag.

Mittwoch, 15. November 2023

 Auch bei ihm ging inzwischen das meiste für Miete, Heizung und Strom drauf. Dass die jungen Leute heutzutage nicht mehr so wie er malochen wollten, konnte er in der Hinsicht sogar so langsam verstehen, aber auch nur in der Hinsicht.


Immer wieder hat er vom Leben eins auf'n Deckel gekriegt, kaum ging's mal gut für'ne Zeit, da gab's auch schon wieder eins auf'n Deckel. "Damit der Mensch nicht hochmütig wird", hat ihm mal einer ins Gesicht gesagt. Selten hatte er derart einen Stuss gehört.


Auch seine Glückszahlen lassen ihn im Stich. Ab und zu mal 3 Richtige, damit er am Ball bleibt. So läuft's doch im Grunde überall: ausnehmen und abspeisen. Aber irgendwann zieht auch er das große Los, ganz klar, was wäre das auch sonst für ein Leben!


Als seine Eltern endlich begriffen, dass er statt wirklich zu studieren nur Party machte und Weibergeschichten nachging, drehten sie ihm mit Ende 20 den Geldhahn zu. Rückblickend muss er sagen, dass das das Beste war, was ihm passieren konnte – also, die Partys und Weibergeschichten natürlich.


Und als er dann mit der Sauferei aufhörte, musste er keine Kater mehr auskurieren und überhaupt wurden die Tage lang und eintönig.

Samstag, 11. November 2023

Das Paar in der Wohnung nebenan streitet mal wieder, es ist Alkohol im Spiel. Sie will "diskutieren", er seine Ruhe. Immer das gleiche Theater; beinahe schon von einer rührenden Lachhaftigkeit.


Gerade eben hat er mit einem Kollegen gestritten, ihn wegen einer Lappalie angeschrien. Jetzt sitzt er breitbeinig in einem Dunst aus Schweiß und Zwiebeln mir gegenüber und kaut mit offenem Mund und leeren Augen sein Pausenbrot.


Immer hatte sie eine Wut im Bauch. Bei allem, was sie machte: immer nur mit Wut und bitterer Miene, weil doch alles eine Zumutung war, eine persönliche Demütigung. Dass das Leben kein Zuckerschlecken war, brauchte man ihr nicht sagen, ihr nicht!


Früher fand er Wirrköpfe ganz amüsant, oft sogar interessant. Seitdem er an dem Infopoint einer städtischen Bibliothek arbeitet, sieht er das anders.


Immer wenn er witzig sein wollte, wurde er komisch.

Sonntag, 5. November 2023

 Seine süffisanten Anekdoten liefen jedes Mal darauf hinaus, dass andere dumm und unwissend waren. Das war es, was ihn amüsierte.


Und als er dann ihrem Beispiel folgte und auch er sich wieder mehr auf sein "real life" fokussierte, da wurde ihm schon nach wenigen Tagen wieder bewusst, um wie viel schöner und befriedigender doch das Virtuelle war.


Für ihn war's das jetzt mit Rührseligkeiten. Zu oft hatten sie ihn damit drangekriegt, ihn weichgekocht mit diesem zuckersüßen Dreck, mit dem sie ihre Absichten und ihre Herablassung kaschierten.


Und da saß er dann: in seinem Zellenbüro, mit seinem ergonomischen Headset und seinen zerrütteten Träumen.


Flachpfeifen und Arschgeigen, wohin man auch schaut: überall nur Flachpfeifen und Arschgeigen! – So sieht er das. Das ist sein Point of View, seine Philosophie.

Donnerstag, 2. November 2023

 Er fand sich da nicht zurecht und just als er eine Verkäuferin fragte, wo denn die Hosenabteilung sei, entwich ihm ein knatternder Furz. Er fühlte sich furchtbar, auch ohne den Furz, er fühlte sich nur noch furchtbar, nirgends mehr fand er sich noch zurecht.


Bereits als er seinen Beruf erlernt hatte, war er ihm peinlich. Der Beruf war Blendwerk, Augenwischerei. Sein gesamtes Berufsleben verbrachte er in der Angst, dass andere das auch erkennen und ihn fortan als lächerlichen Menschen betrachten.


Mit seinem losen Mundwerk und überhaupt seinem ganzen Auftreten lärmte und polterte er umher, nervte – und er merkte es nicht, wusste es nicht und er fühlte sich sauwohl in seiner Haut.


Die Witzigen sind stärker als die Starken.


Gestern Abend ertappte sie sich selbst bei der Überlegung, welches Outfit sie mal bei der Beerdigung ihrer Mutter tragen wird.