Sonntag, 29. August 2021

 Schon der breitbeinige Gang verriet seine schmalspurige Gedankenwelt, der üppige Goldschmuck seine Armut.


Der junge Mann brüllt jetzt zum fünften Mal "EY, WILLST DU MICH VERARSCHEN?" ins Telefon, so dass inzwischen allen anwesenden Cafébesuchern klar sein dürfte, dass er kein Mann ist, den man leicht zum Narren halten kann.


Die überdachte Raucherecke mit dem Sperrmülltisch und den Plastikstühlen ist für ihn der schönste und bequemste Platz der ganzen Firma; sein neuer ergonomischer HighTech-Stuhl im Büro ist ein affiger Scheiß dagegen.


Und als dann Betroffenheitsbekundungen aller Art sich im Smalltalk mehr und mehr etablierten, ja, Betroffenheit ein Must-have für alle Gelegenheiten wurde, war Sören N. endlich in seinem Element, endlich stand er bei den Partys nicht mehr im Abseits.


Auch für einen Job mit Warnweste ist er sich nicht zu schade. Selbstverständlich nur, wenn sie jedes Mal fabrikneu und die Krawatte darunter auf den Pressefotos klar zu erkennen ist.


Erst wurde ihre Anwesenheit selbstverständlich, dann lästig und er gab sich keine Mühe mehr, ließ beim Scheißen die Klotür offen. Sie empfand und verhielt sich im Grunde genauso. War Besuch da, rissen sie sich zusammen, ihre Kinder waren jetzt 8 und 11.


Sein Vater hatte immer leidenschaftlich gern gekegelt und auch Bernd 'Börni' N. begeisterte sich für Sport, wenn da 'ne Kneipe drum herum gebaut war; 'ne ganze Zeit lang war er im Kiez 'ne ziemlich große Nummer am Tischkicker.


Das Wort Liebe kam ihm allzu leichtfertig von den Lippen und auch sonst machte er einen recht schmierlappigen Eindruck.


Betrunken hat er wüste Gedanken, nüchtern helfen die ihm auch nicht weiter, dennoch hat er sie gern, seine wüsten Gedanken.

Mittwoch, 18. August 2021

 Überfordert, gescheitert und frustriert kaufte er sich ein Samuraischwert, platzierte es an der Wand über dem Ecksofa und träumte von Kampf, Ehre und Barbarei.


In meiner Kindheit war der Sonntag der Familienausflugstag, in meiner Sturm und Drang Phase der Ausnüchterungstag und jetzt ist er der "Was ist nur aus mir geworden?"-Tag.


Der gänzlich unbemalte und unbeschriftete junge Mann am Pool fiel ihr gleich ins Auge. Tätowiert war inzwischen ja Hinz und Kunz.


Seine Bürokollegin und Vorgesetzte ist nach eigener Aussage eine dauergestresste Stress-Esserin. Sie hat immer eine Nussmischung und knackiges Obst griffbereit. Manchmal schlürft sie auch einen Pfirsich.


Und gestern hat er die noch bis zu seiner Rente vor ihm liegenden Arbeitsstunden ausgerechnet, auf der Firmentoilette sitzend, ohne Taschenrechner, mit leergeräumtem Blick.


Und jeden Morgen ein kurzer Blick auf bild.de, um zu wissen, was die Leute heute aufregen wird. Man will sich ja schließlich mitaufregen können und nicht dumm dastehen.


Aus schierer Geilheit ließ er sich auf diese geil aussehende Perle ein, die sich dann als gar nicht so geil entpuppte und der Alltag mit ihr war auch nicht so geil. Aber seine Kumpelz dachten, sie sei geil und das fand er wiederum total gut.


Als es dann endlich wirklich alle verinnerlicht hatten, grundsätzlich auf unverfängliche Floskeln auszuweichen, wurde es etwas langweilig. So stürzte man sich dann auf das vielversprechende Feld der politisch korrekten nonverbalen Kommunikation.

Dienstag, 10. August 2021

 Und wie es dann kam, dass auch er Tag für Tag brav zur Arbeit ging und sich dabei seine Jugendfreuden und -träume klammheimlich in Luft auflösten, war das auch wieder nur das Normalste der Welt.


Und wie ihm dann nach dem Jobwechsel klar wurde, dass sein vermeintlicher Jobfrust vielmehr ein Privatfrust war, entschloss er sich, sich damit abzufinden ein Frustrierter zu sein und das zauberte ihm endlich mal wieder ein Schmunzeln ins Gesicht.


Es war wieder mal die Hölle und die für die ganze Familie extra angeschaffte Urlaubsgarderobe, die Entspanntheit und Vergnügen signalisieren sollte, riss es erst recht nicht raus.


Touristen schlendern durch die Fußgängerzone einer ihnen fremden Stadt und genießen so das beruhigende Gefühl von Vertrautheit.


Ja, wenn das so ist, dann mach ich mir doch jetzt ein Bier auf und lass es erstmal auf mich wirken  -  also, das Bier.


Adrian O. war missionarisch unterwegs, für eine wirklich echt gute Sache. Aber das machte es auch nicht besser.


Reichtum fand er in seiner Bedürfnisarmut; er hatte immer mehr, als er brauchte.


Er war ein Mann klarer Prinzipien und großer moralischer Werte.  -  Und er schaute liebend gern Hollywoodfilme, da erkannte er sich regelmäßig wieder.


"So, dem hab ich jetzt ordentlich die Meinung gesagt", hat er glücklicherweise noch nie denken müssen. Ein Mensch, der so denkt, ist er nicht und das macht ihn glücklich.

Montag, 2. August 2021

 Tja, ein Leben voller Arschlöcher, resümiert der berufsmüde Proktologe Hans-Günther W. beim dritten Feierabendbier.


Mit dem Trinken aufhören, bevor es hässlich wird - wie mit allem anderen auch.


Sie hatte damals große Pläne und die beinhalteten mich nun mal nicht. Ich war ihr nicht böse, ich hatte gar keine Pläne und daraus ergab sich dann so vieles für mich.


Er konnte keine Beziehung zu einer Gruppe aufbauen, noch nie. Da stand er immer am Rand oder außen vor. Nur einzelne Menschen waren ihm genehm, das funktionierte und gefiel ihm und so behielt er es bei.


Trotz eines völlig entgegengesetzten Lebensentwurfs musste er einfach die gleichen Fehler wie sein Vater machen. Es war die Macht des Schicksals, der Gene oder was auch immer und sie hatte ihn an den Eiern, die ganze Zeit.


Seine bisweilen schon zur Trägheit neigende Besonnenheit bescherte ihm ein langes Leben. Seine 72 Lebensjahre hatten sich für ihn mindestens wie 100 angefühlt.


Meistens hab' ich aber schon was Besseres vor - (in aller Regel nichts).

Sonntag, 1. August 2021

 Der größte Genuss des ersten Schlucks eiskalten Biers nach einem harten, undankbaren Tag liegt in der Gewissheit der gleich einsetzenden Wirkung.


Hinter einem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau und er kriegt es hin, obwohl sie ihm dabei über die Schulter schaut.


Jede einzelne Minute seiner Dienstzeit, die er für private Dinge nutzte, verbuchte er als kleinen Sieg; wohl wissend, dass er nur der Verlierer war.


Allein die Eitelkeit trieb ihn an, in allem. Und der durch und durch verdorbene Zeitgeist öffnete ihm Tür und Tor.


Er besaß keinen Ehrgeiz und dies hatte ihn vor manch großem Ungemach bewahrt. Mochten ihn die anderen ruhig faul oder gar feige rufen, er wusste es besser.


Sogar das verkaterte Aufwachen und Aufstehen wird in populären Filmen immer wieder humoristisch dargestellt. Menschliche Schadenfreude macht wirklich vor gar nichts halt!


Pensionierte Lehrer:innen fühlen sich zu Kulturschaffenden berufen und auf kommunaler Ebene kennt und beklatscht man sich. Es geht ihnen gut.

 Als Kind wollte er in zuckrigen Jahrmarktsbuden wohnen; später dann in einer vergessenen rostigen Geisterbahn.


In allem stets das gesunde Mittelmaß zu finden, ist weise; und Weisheit was für müde alte Leute.


War es warm, wünschte er sich Kälte und war es kalt, wünschte er sich Wärme und wenn die Sonne schien, schaute er nach Wolken. So einer war der Hartmanns Georg und er kam hier mit allen immer super zurecht, obwohl er nur ein Zugezogener war.


Sich auf eine Frau einzulassen, deren Äußeres ihn in irgendeiner Weise abschreckte, war ihm von vornherein unmöglich. Was das Innere betraf, war er weitaus weniger intolerant. So begann seine Ehehölle.


Dass er sich mit seinem Job, also einer fremdbestimmten Arbeit, noch am ehesten selbst verwirklicht sah, beschämte ihn.


Wissen Sie, eine Fliege, die auf ihren Flügeln liegt, fliegt nicht mehr, sagt der Unternehmensberater André T. gern im vertraulichen Gespräch nach einer Firmenbesichtigung. Auf diesen Satz ist er besonders stolz.


Unfreundlich auftretende Menschen empören und beschweren sich über Unfreundlichkeit.