Sonntag, 29. August 2021

 Schon der breitbeinige Gang verriet seine schmalspurige Gedankenwelt, der üppige Goldschmuck seine Armut.


Der junge Mann brüllt jetzt zum fünften Mal "EY, WILLST DU MICH VERARSCHEN?" ins Telefon, so dass inzwischen allen anwesenden Cafébesuchern klar sein dürfte, dass er kein Mann ist, den man leicht zum Narren halten kann.


Die überdachte Raucherecke mit dem Sperrmülltisch und den Plastikstühlen ist für ihn der schönste und bequemste Platz der ganzen Firma; sein neuer ergonomischer HighTech-Stuhl im Büro ist ein affiger Scheiß dagegen.


Und als dann Betroffenheitsbekundungen aller Art sich im Smalltalk mehr und mehr etablierten, ja, Betroffenheit ein Must-have für alle Gelegenheiten wurde, war Sören N. endlich in seinem Element, endlich stand er bei den Partys nicht mehr im Abseits.


Auch für einen Job mit Warnweste ist er sich nicht zu schade. Selbstverständlich nur, wenn sie jedes Mal fabrikneu und die Krawatte darunter auf den Pressefotos klar zu erkennen ist.


Erst wurde ihre Anwesenheit selbstverständlich, dann lästig und er gab sich keine Mühe mehr, ließ beim Scheißen die Klotür offen. Sie empfand und verhielt sich im Grunde genauso. War Besuch da, rissen sie sich zusammen, ihre Kinder waren jetzt 8 und 11.


Sein Vater hatte immer leidenschaftlich gern gekegelt und auch Bernd 'Börni' N. begeisterte sich für Sport, wenn da 'ne Kneipe drum herum gebaut war; 'ne ganze Zeit lang war er im Kiez 'ne ziemlich große Nummer am Tischkicker.


Das Wort Liebe kam ihm allzu leichtfertig von den Lippen und auch sonst machte er einen recht schmierlappigen Eindruck.


Betrunken hat er wüste Gedanken, nüchtern helfen die ihm auch nicht weiter, dennoch hat er sie gern, seine wüsten Gedanken.