Freitag, 24. Mai 2019

Nun ist er alt und hat das Meiste satt. Das wohlige Zubettgehen am späten Abend ist ihm inzwischen das Liebste


Unvorsichtig bezeichnete Frau P. in der Mittagspause ihre Arbeit als monströse Lebenszeitverschwendung. Tags darauf wurde sie ins Büro des Direktors zitiert. Der gratulierte ihr amüsiert zu ihrer Formulierung, bat sie aber, seine Zustimmung für sich zu behalten.


Der schüchterne Herr L. schwelgt ab und an immer noch in der rührseligen Vorstellung, wie seine Arbeitskolleginnen wohl die Nachricht seines überraschend tragischen Todes aufnehmen würden. Dabei wird ihm peinlich bewusst, wie viel kindisches Gemüt noch immer in ihm steckt.


Und dann wurden für ihn die eigenen Lügen wahrhaftiger als all diese lästigen Wahrheiten; endlich kam er im Leben voran.


Aus einer unbegreiflichen Laune heraus besuchte er am Samstagabend den örtlichen Jahrmarkt. Unbeholfen inmitten des lärmenden Getümmels dauerte es keine viertel Stunde, bis er sich widerwillig selbst als hochnäsig und pikiert empfand.


Seine Verachtung gegenüber seiner Arbeitsstelle war inzwischen so groß, dass er nicht einmal mehr Kritik an ihr übte. Als er sich letztens noch bei Arbeitskollegen kritisch geäußert hatte, empfand er es im Nachhinein als peinliches Eingeständnis seiner Zugehörigkeit.


Herr L. ging hart mit sich selbst ins Gericht, verzieh sich nichts, quälte sich mit peinlichen Erinnerungen. Offenbar war er unzufrieden mit sich und mochte sich nicht besonders. - Noch ein Grund mehr für ihn, sich nicht zu mögen.

Sonntag, 19. Mai 2019

Die Eltern von Brando-Marlon Meyerhoff waren begeisterte Cineasten. Weitsicht und Verantwortungsbewusstsein gehörten nicht zu ihren Stärken.


Für die bislang verwöhnten Mitarbeiter*innen war es eine völlig neue Erfahrung, als in ihrem Kulturzentrum die Unkultiviertheit Einzug erhielt. Sie überlegten, das kostenlose W-LAN wieder abzuschaffen.


Was für'n Scheiß, pflegte er bei allen möglichen Gelegenheiten zu sagen und lag damit jedes Mal zu 90 % richtig.


Voller Eifer besprüht Wilfried R. den Herd mit dem neuen Mega-Powerreiniger, nur um gleich festzustellen, dass die volltönenden Versprechungen auf der knallig bunten Sprühflasche ihn bei seinen Bemühungen schamlos und eiskalt verhöhnen.


Nach umfangreichen Internetrecherchen und dem Aufsuchen mehrerer Experten in diversen Museen entpuppt sich der Flohmarktkauf tatsächlich als Flohmarktartikel. Aber Karl-Heinz M. weiß es besser und bleibt dran.

Donnerstag, 16. Mai 2019

Fassungslos, wütend und im derbsten Vokabular fluchend hörte der ledige Willibald B. im Alter von 73 Jahren zum ersten Mal, dass es zweifelsfrei erwiesen ist, dass Masturbation weder Blindheit noch Geistesgestörtheit oder sonst ein Leiden zur Folge haben kann.


Da Hartmut R. es nicht akzeptieren konnte, dass Gutmütigkeit auch mal schändlich ausgenutzt wird, blieb er zeitlebens lieber der misstrauische, unnachgiebige harte Knochen mit der üblen Laune. Ja, da blieb er sich treu bis zum bitteren Ende.


6 Jahre ist sie jetzt arbeitslos und bewegt sich längst in einem anderen sozialen Umfeld, dennoch legt sie weiterhin großen Wert auf ein exklusives Erscheinungsbild. Ihre trotzige Eleganz wird mehr und mehr zu einem tragischen Kampf auf verlorenem Posten.


Um sich vor der Angst und Ohnmacht angesichts der rasant fortschreitenden Verwahrlosung seiner Umgebung zu schützen, empfand er zusehends eine gehässige Freude am Niedergang.

Sonntag, 12. Mai 2019

Die Arbeitstage sind ihm lästig und öde, die freien Tage hingegen nur öde. Die freiwillige Ödnis gefällt ihm.


Nach einem langen, lausigen Arbeitstag macht er sich ein Bier auf und starrt ins Leere:  #TagderArbeit


Da Herr A. nur sehr selten etwas witzig findet, fragte ihn eine Kollegin amüsiert, ob er vielleicht an einer chronischen Lachhemmung leide. Diese Unverschämtheit quittierte er mit einem völlig überzogenen Verlegenheitslacher.

Donnerstag, 9. Mai 2019

Großmäulig tönt er in Superlativen, da alles, was er faktisch zu bieten hat, noch nicht mal an den Durchschnitt heranreicht.


Die abgebrochene Hauptschule hinderte ihn nicht an einem Leben in Eitelkeit und Großmannssucht.


Die Jogginghose mit dem oberschenkelgroßen Aufdruck "BOSS" karikiert ihren nichtsahnenden Träger wieder mal gnadenlos in aller Öffentlichkeit.

Sonntag, 5. Mai 2019

Noch mit Anfang 40 legte Claus K. großen Wert darauf, seinen alternativen Lebensentwurf durch eine entsprechend auffällige Garderobe zum Ausdruck zu bringen. Der aristokratisch melancholische Piratenvampir in ihm ließ einfach nicht locker.


Der fitnessbegeisterte Kai-Uwe K. vollführt seine Dehn- und Fitnessübungen gern vor Publikum im öffentlichen Raum. Besonders stolz scheint er auf seinen Hintern zu sein, den er dabei den weniger sportbegabten Passanten selbstbewusst entgegenstreckt.

Samstag, 4. Mai 2019

Sich seines Äußeren und der entsprechenden Wirkung auf Frauen bewusst, blieb er ihnen gegenüber immer freundlich, aber eingeschüchtert und passiv und er hoffte auf ein Wunder.


Der alte Herr hat nicht wirklich was zu erzählen, aber viel loszuwerden. Mit Spannung und Vorfreude wartet er darauf, welcher der gerade zusteigenden Fahrgäste wohl gleich neben ihm Platz nehmen wird.


Nach einer hektischen Einführung fragte der Ein-Euro-Jobber verunsichert, was genau er denn jetzt eigentlich zu tun habe. Der Rektor wies ihm den Weg zum Klassenzimmer und sagte: "Entscheidend ist, dass Sie die Schüler irgendwie gut unterhalten."

Mittwoch, 1. Mai 2019

Das sind keine Jugendliche, das sind hochgewachsene Kleinkinder, sagte er sich immer wieder, um den beruflichen Umgang mit ihnen halbwegs ertragen zu können.


Nach einer heißen Dusche föhnte Werner W. ein Sichtloch in den beschlagenen Badezimmerspiegel, als ihm jäh die ganze Absurdität seines Seins gewahr wurde. Nach 3 Sekunden ging es wieder und er kämmte sich routiniert den üblichen Mittelscheitel.