Samstag, 27. April 2024

 Er war froh gewesen, es war seine erste unbefristete Vollzeitstelle und um sie herum hat er sich dann in Lauf der Jahre seine Existenz aufgebaut und jetzt hasst er nur noch alles daran.


Über die Jahre hatte er sich eingerichtet in dieser Sackgasse, in diesem Trott seiner Unzufriedenheit. Bei anderen sah er das auch und das stimmte ihn dann wieder etwas milde.


Er kommt kaum mehr klar in der Firma, ist überfordert, sucht Sicherheit in alten Routinen. Als sei er ein Fluchttier in Angststarre, das gleich gefressen oder überfahren wird, so empfindet er es, so geht er jeden Morgen da hin.

Mittwoch, 24. April 2024

 Er wollte immer das, was er in den Filmen oder auf den Plattencovern sah, legte sich sogar die Frisuren und die Klamotten zu; bekommen hat er einen müden Scheiß.


Um diese Leute ertragen zu können, hörte er ihnen nicht mehr wirklich zu. Er tat nur so und grinste. So wie sie's auch machten.


Ich mag die alten Filme, wo der Bösewicht mürrisch, ungepflegt und hässlich und der Oberbösewicht lächelnd, wie aus dem Ei gepellt und durchaus gutaussehend daherkommt. Das waren noch Filme, die gaben einem noch Orientierung im Leben!


Und als er dann tatsächlich nach der Ausbildung direkt übernommen wurde, sogar in eine unbefristete Vollzeitstelle, da war alles nur noch schön und er lebte glücklich und zufrieden bis ans Ende seiner Tage.

Sonntag, 21. April 2024

 Er geht arbeiten, geht einkaufen und an den Sonntagen geht er spazieren, immer zum Friedhof und zurück.


Alkohol trinkt er – wenn überhaupt – nur noch, wenn er sich entspannt und gut fühlt und nicht mehr, um sich so zu fühlen. Er ist dankbar und glücklich, dass er diese Entscheidung nach all den Jahren für sich so noch treffen konnte.


Er lebte sein Leben nach seinen Möglichkeiten, machte kein Trara, war immer darauf bedacht, niemandem unnötig auf den Sack zu gehen. Er hatte das nicht von seinen Eltern mitbekommen oder in der Schule gelernt, da war er von selbst drauf gekommen.


Gerade in der Stille fand er keine Ruhe, er brauchte immer erst die Erschöpfung.


Jedes Wochenende hockte er in irgendeiner Kneipe, klopfte lauthals die immer gleichen Sprüche, riss die immer gleichen dreckigen Witze. Zuhause in seiner Wohnung wartete ja doch nichts und niemand auf ihn, da quälte ihn die Stille.


Wenn in einem amerikanischen Film Teenager ausgelassen feiern, am besten auf einem schicken Anwesen mit großem Pool, ist das jedes Mal so schlecht und affig und peinlich inszeniert, wie es wohl auch in der Wirklichkeit ist.


Er geht da nur hin, um überhaupt noch irgendwo hinzugehen, und wenn er dann da ist, will er nur wieder weg. Nächste Woche, wieder um die Zeit, wird er wieder da hin gehen.

Mittwoch, 17. April 2024

 Sonst hat er sich ja immer über das aufgeregt, was bei ihm hier im Ort so alles schief läuft. Leute, die ihren Garten nicht in Schuss halten, die Straße nicht kehren, nicht grüßen, sowas halt. Aber jetzt, wo er mit dem Internet umgehen kann, ist er an den ganz großen Sachen dran.


Er redete viel von sich und seiner Hilfsbereitschaft, war sichtlich gerührt von der eigenen Großzügigkeit, einmal kamen ihm fast die Tränen.


Könnte ich in der Zeit zurückreisen, um nochmal alles anders zu machen oder zumindest so manches anders zu machen, hätte ich in der Vergangenheit ja doch nur wieder mein altes Motivationsproblem überhaupt was zu machen.


Und um seine absolute Entschlossenheit zu demonstrieren, goss er dann eine halbvolle Flasche Schnaps in den Ausguss. Es war beeindruckend, überwältigend; seinen Followern lief ein Schauer über den Rücken.


Es war schwierig mit ihm. Er war nicht boshaft, kein schlechter Mensch, überhaupt nicht, aber komisch, so in sich gekehrt, schwierig eben. Am schlimmsten waren seine Geburtstage, für ihn wie für seine Angehörigen.

Samstag, 13. April 2024

 Sein Geltungsbedürfnis war größer als sein Talent, größer als seine Persönlichkeit und größer als jede Einsicht. Zeitlebens war er wütend, zum Ende hin zerfressen vor Wut.


Seit etwa 20 Jahren hat er jetzt die gleichen Poster in seiner Wohnung hängen: nackte Weiber und Rennwagen. Mit Rennwagen kennt er sich sogar etwas aus.


Er ertrug es nicht, dieses Geschwätz von der Liebe. Er lebte in Einsamkeit und er kam da nicht raus und jede Wette: Es gab da jede Menge anderer, denen es genauso erging, die dieses Geschwätz auch nicht hören oder lesen wollten, denen das genauso wehtat.


Er hat so diese Aura; selbst wenn er nicht da ist, ist er noch unangenehm. Wie so'n Drecksack von der dunklen Seite der Macht.


Ihre geübt geschliffene Artikulation beeindruckt, täuscht über jede inhaltliche Durchschnittlichkeit hinweg. So geht Karriere.


Wäre ich eingewandert, wären meine ersten deutschen Wörter vermutlich "scheise" und "egal" gewesen.


Die Sonne kommt hoch, die Leute stehen auf. Lärm, Gemache; immer der gleiche Mist.

Montag, 8. April 2024

 Sie stanken, kauten mit offenem Mund und lachten wüst. Es war erst die Frühstückspause, den ganzen Tag mit ihnen hatte er noch vor sich. Einen Monat! Zumindest einen Monat wollte er diesmal durchhalten, einen beschissenen vollen Monatslohn, zumindest das.


Die Menschen wurden immer misstrauischer und dünnhäutiger und so vermied er es, in Gesprächen originell oder gar witzig sein zu wollen. Er äußerte sich in Floskeln, stets wohlwollend und zustimmend. Zynische Zeiten waren das.


Nie wollte er so sein wie sein Vater, niemals dieses Leben führen. Er wehrte sich vehement, machte konsequent alles anders und wurde die Karikatur seines Vaters.


Er saß viel zu Hause rum, eigentlich immer. Und einen Plan oder überhaupt mal irgendeine Vorstellung von einem anderen, einem in irgendeiner Weise gelungenen Leben hatte er schon lange nicht mehr und im Fernsehen lief auch nur noch Mist.


Ständig hielt sie ihn an, was zu tun. Im Garten, am Haus: Irgendwas war da immer und da musste er dann ran, immer gleich und sofort. Einen fleißigen, vorzeigbaren Mann zu haben, darum ging es ihr, dafür das ganze Theater.

Mittwoch, 3. April 2024

 Damals dachte er in seiner Schwärmerei, Frauen sind die besseren Menschen, sind ausnahmslos liebenswert, Frauen können einfach keine Arschlöcher sein. Die Ebenbürtigkeit von Frau und Mann musste er erst noch lernen anzuerkennen.


Sich den ganzen Scheiß wieder und wieder selbst schön reden, das war ihr Rat. Natürlich eleganter und ausgiebiger formuliert, sie hat ja 'n Diplom vor ihrem Namen, aber im Grunde war das der Rat.


Für sein Image, für seine "Credibility" als Künstler und Punkrocker hat er damals ständig rumerzählt, er hätte mal 'ne ganze Zeit aus Geldnot Hundefutter gegessen. Keine Ahnung, was er heute so macht – wahrscheinlich irgendwo irgendwas arbeiten geh'n.


Nur wuchsen da jetzt Menschen heran mit einer äußerst verkümmerten Sprache und es war wirklich ein Leichtes, sie zu diesem oder eben jenem Unfug zu verführen.


Kunst? – Ja, was weiß denn ich. Kunst isses vielleicht dann, wenn's die anderen einem abkaufen.