Sonntag, 15. Januar 2023

 Spätestens wenn da steht "der neueste Trend", ist doch klar, dass es sich um den letzten Dünnpfiff handelt.


Seit Jahrzehnten hockte er vorm Fernseher, schon als Bub hockte er am liebsten vorm Fernseher. Und jetzt, wo da nur noch Wiederholungen liefen, gefiel es ihm sogar noch besser. Es beruhigte ihn – wie ein Kind, das immer die gleichen Geschichten hören will.


Und dann tatsächlich lebte er seinen Hippie-Traum. – In Niedersachsen. In einem deutschen Mittelzentrum. In Quakenbrück.


Zeug hatte sich angesammelt. Vor allem hatte sich Zeug angesammelt, so unglaublich viel Zeug. Als hätte man sein Leben lang nur Zeug rangeschafft – und das war's dann gewesen.


Hochbetagt auf einem motorisierten Stressless-Fernsehsessel liegen, "Traumschiff" schauen und auf den unvermeidlichen Eisberg warten: so oder so ähnlich.

Sonntag, 8. Januar 2023

 In so einer schleimscheißerisch sanftmütigen Art und Weise kam er angeschissen, dieses verlogene, heimtückische Arschgesicht. Überzeugen wollte er mich, von seiner Religion. Damit ich so werde wie er, wie einer von ihnen.


Sicher, mit seinem ewigen Klagen und Jammern steigert er sich in negative Vorstellungen hinein und macht sich selbst das Leben schwer, aber das gehört nun mal dazu, das Klagen und Jammern, ist es doch ein zentraler Aspekt seiner kulturellen Identität.


Komm, sei ruhig und geh' scheißen, sagte er zu mir und was offenbar als Beleidigung gemeint war, war ja aber eigentlich gar keine so schlechte Idee.


Wieder mal gewaltig aufgebracht klatschte er hinter jeden Satz ein Ausrufezeichen, wenn nicht sogar gleich drei oder noch mehr. Punkt und Komma kamen ihm kaum mehr in den Sinn, vom Gedankenstrich ganz zu schweigen. Das Getöse in seinem Kopf war unerträglich, eine Zumutung.


"Ja, und? Was kostet es Sie schon? Das bisschen Lügen – oder besser: das bisschen Schönfärberei."
"Eine Überwindung, von der Sie nicht die geringste Ahnung haben."

Sonntag, 1. Januar 2023

 Dass mir so dermaßen viele Menschen so dermaßen auf den Sack gehen, liegt natürlich an mir selbst  –  das ändert ja aber nun nichts daran, dass mir so dermaßen viele Menschen so dermaßen auf den Sack gehen!


Seit über 30 Jahren war er jetzt da beschäftigt und es war klar, dass er da nicht mehr raus kam, dass er den Absprung verpasst hatte. Seine distanzierte Verachtung gegenüber der längst als sinnlos erlebten Arbeit half da auch nicht viel, aber manchmal schon.


Wieder hockte er über die Feiertage bei seiner Familie, ohne je eine eigene Familie gegründet zu haben. Er machte sich noch ein Bier auf. Mit jedem Bier wurde's erträglicher. So schlecht war sein Leben gar nicht.


Und so zogen die Jahre übers Land und dass sie einem mit zunehmendem Alter immer kürzer vorkamen, war doch eine verdammte Gnade, war es doch irgendwann sowieso immer wieder nur noch der gleiche Scheiß.


Er hatte ja aber nichts, was ihn mal aus dieser Trostlosigkeit herausriss, nichts, worauf er sich freuen konnte und was ihn mal eben befreite und vergessen ließ. Nichts! So zog es ihn trotz seines Vorsatzes doch gleich wieder in die funkelnde Spirituosenabteilung.