Sonntag, 30. Juli 2023

 So in etwa im gleichen Maße, wie er die Woche über mit einem Lächeln im Gesicht funktioniert hatte, wurde er dann betrunken zum Arsch.


Seit Ewigkeiten hockte er mal wieder in einer Kneipe am Tresen, starrte vor sich hin, pulte am Etikett der Bierflasche. Er suchte keinen Kontakt, betrachtete sich selbst unschlüssig bei einer Art peinlichen Selbstinszenierung.


Nach der üblichen Vorfreude aufs Wochenende dann wieder nur die übliche Langeweile. Die übliche Sinnlosigkeit. Aber er hatte Bier da, wie üblich hatte er Bier da.


Es ist etwas sehr Schönes, sehr Persönliches, da redet er nicht drüber, mit niemandem. Das Reden hat ihm schon so vieles kaputt gemacht. Dieses drängende Gefasel, eitel und unnötig – umso mehr man sich dabei selbst zuhört.


Die Euphorie und der Rausch, in jungen Jahren kein Problem, waren jetzt in seinem Alter teuer erkauft, dennoch blieb er dran, er wusste, es war idiotisch und dennoch blieb er dran. Ein anderes Glück war ihm nie begegnet.

Donnerstag, 27. Juli 2023

 Er trank Bier an der Bierbude, glotzte auf die Bierbudenbedienung. Den ganzen Rummel und die Leute um ihn rum hatte er sich längst weggesoffen. Das einzige Problem war der scheiß Toilettenwagen, er hasste diese scheiß Toilettenwagen, musste ständig pissen.


Er sieht sich selbst als'n Kerl mit ordentlich Eiern in der Hose. Gender heißt das neuerdings, hat ihm neulich so'ne Type verklickert. Das ist also sein Gender; klingt irgendwie cool.


Empörung, billige Polemik, schamloser Hass – schon erschreckend, was da bei den Leuten so unter der Schädeldecke brodelt. Irgendwann wird's mal böse enden. Na ja, ich mach mir jetzt 'n Bier auf und lass es auf mich wirken, also das Bier natürlich.


Er ging den Menschen lieber aus dem Weg. Auf dem Bürgersteig, im Gespräch, überall, er traute ihnen nicht. Als wollten sie ihm an den Kragen, an seine Seele. Im Grunde war's ja auch so.


Das schwierigste für ihn jetzt nach ihrem Tod, sagt er, ist vor allem das Hemdenbügeln. Das Einkaufen, Fensterputzen und so kriegt er ganz gut hin, aber die Hemden – es will ihm einfach nicht gelingen, oft ist er dann den Tränen nahe.

Montag, 24. Juli 2023

 Tag für Tag, Woche für Woche: immer das Gleiche. Immer die gleiche Scheiße, mit der er sich arrangiert und jetzt zu leben hat. Diese hartnäckige Scheiße, die ihm jeden Morgen aufs Neue an den Schuhen klebt.


Jedes Mal, wenn ein Gespräch mit seiner Abteilungsleiterin ins Private wechselt und er sich interessiert oder sogar amüsiert gibt, stirbt irgendwo ein ..... was auch immer, irgendwas stirbt jedenfalls!


Sei authentisch und spontan, sei einfach du selbst! – Aber jetzt bloß nicht mit Ehrlichkeit verwechseln! Ehrlichkeit ist fatal.


Er sah sie jeden Tag auf der Arbeit. Aber sie war verheiratet, beachtete ihn auch kaum. Kam sie ihm näher als 2 Meter, war da sofort der Drang, sie in den Arm zu nehmen. Er achtete immer auf die 2 Meter, das half etwas. Ihm durfte das nicht schon wieder passieren.


"Aber ich vergebe ihr", hat er gesagt und meinte das auch so. So ein erhabener Großmut fühlt sich bestimmt richtig geil an.


Er lag hinten, wieder mal. Als junger Mann hatte er auch mal vorne gelegen, jetzt lag er nur noch hinten. Vorne wartete ja doch nichts auf ihn, zumindest nichts, was der Mühe wert gewesen wäre.

Samstag, 22. Juli 2023

 Ich bin Jeanslochdesigner, aber da verdient man auch nicht mehr so gut wie früher.


Für eine stetig wachsende Zahl augenscheinlich erwachsener Kunden*innen musste er eine Art Sprache und Rücksicht entwickeln, mit der man sonst kleinen Kindern begegnete. Da musste er erst mal drauf kommen. Aber so langsam hatte er's raus.


Vertane Tage im Betrieb, tote Lebenszeit im Workflow, erst im Schlaf lebendig.


Er machte eifrig mit, aber es passte nicht, es war einfach nicht seins. Das zog sich so durch sein ganzes Leben, nie war's wirklich seins. Was denn seins gewesen wäre, hat er nie rausgefunden. Er war immer nur drauf bedacht dabeizusein, mitzumachen.


Als Arbeiter, der draußen bei der Arbeit einfach alles um sich herum stehen und liegen lässt und sich erst mal 'ne Zigarette ansteckt, machst du eindeutig mehr her als so'n Angestellter, der für 'ne Zigarette draußen vor der Tür rumsteht.

Mittwoch, 19. Juli 2023

 Was für Idioten überall, dachte er, ohne sich da selbst als Ausnahme zu betrachten.


Betrunken sein mochte er in seinem Alter nun nicht mehr, betrunken werden schon.


In letzter Zeit stand er oft am Fenster und schaute raus. In den Hinterhof, wo sich nie was tat. Dann dachte er über sein Leben nach, so über alles halt, aber ihm fiel da nie wirklich was zu ein.


"Is' keine große Sache", sagte er immer und letztendlich war das dann auch sein Lebensresümee.


Aber man gewöhnt sich recht schnell dran, glauben Sie mir, mit der richtigen Resignation geht das ratzfatz.


Sich mit dem Fehlerbehafteten, Unvollkommenen arrangieren, am besten sogar anfreunden – also, mir hilft's.

Donnerstag, 13. Juli 2023

 Von diesem ewigen Weicheigekoche hatte er jedenfalls die Schnauze voll! Schmied wollte er sein. Waffenschmied. Mit Bart und breiten Schultern. Auf glühenden Stahl wollte er einhämmern. Seine Freundin stand auch voll auf diese Phantasie.


Der Mittelweg, den die Leute früher gegangen sind, ist wie leergefegt. Beleidigt oder zankend auf der Stelle zu treten und sich aufzuregen, scheint erfüllender zu sein.


Gleich ganz schrullig braucht man ja jetzt nicht werden, aber so 2 oder 3 Schrullen braucht's schon. Für den Spaß. Für die Persönlichkeit. Und erst recht für die Glaubwürdigkeit. Wer glaubt denn schon einem, der jetzt so gar keine Schrulle hat!


Ja, so was wie 'ne Liebe hätt' er sich schon gewünscht, hat aber wohl nicht sollen sein. Zu unansehnlich, zu arm, zu bescheuert, er wusste es nicht, verstand es nicht. Fragte er mal ganz direkt, wich man ihm aus. Ein durch und durch verlogenes Spiel, so sah er das jetzt.


Redeten sie, redeten sie zu 80% aneinander vorbei und die restlichen 20% waren Missverständnisse und dann stritten sie sich wieder. Aber sie redeten so gern, beide redeten sie für ihr Leben gern.

Sonntag, 9. Juli 2023

 Er führte doch schon jetzt das Leben eines verlassenen, einsamen Rentners. Nur dass er auch noch seinen verhassten Beruf an der Backe hatte.


Im Fernsehen liefen nur noch die ewig gleichen Wiederholungen, sonst ein dröger Kram oder unsäglicher Stuss zum Fremdschämen. Im Grunde genau wie in seinem realen Leben.


Was das nun soll, fragt er sich schon gar nicht mehr. Er grinst, als wüsste er's und geht weiter.


Auch mit 47 lässt er's in seiner Junggesellenbude noch regelmäßig ordentlich krachen. Gestern ist dabei aber sein gerahmtes Ferrariposter zu Bruch gegangen, das große mit dem Ferrari 308 GTSi. Wenn er rauskriegt, wer das war, dann setzt's Dresche!


Den Song fand er gut, immer noch, nach all den Jahren, aber es hing diese eine peinliche Erinnerung dran. Er konnte ihn nicht mehr hören, das ganze Album konnte er nicht mehr hören, die ganze Band. Nix zu machen.

Dienstag, 4. Juli 2023

 Kaum ausbezahlt hatte er das Geld auch schon wieder großspurig unter die Leute gebracht. Es war die Zeit des Bargelds, gerollte Bündel in engen Hosen. Andere Zeiten waren das, völlig anders, nicht so verklemmt und so verkackt wie heute.


Geld langweilte ihn. Genau wie all der nutzlose Kram, den er und seine Frau sich dafür kauften. Ihre gemeinsamen Urlaube allerdings waren noch schlimmer.


Die jungen Leute in ihrer Erregtheit und Manie gehen ihm mächtig auf den Sack. So ist das, wenn man älter wird, da gehen einem diese jungen Leute auf den Sack, da kann man nichts gegen machen, ist'n Naturgesetz.


Bei der Arbeit jedenfalls mit all den Kollegen fühlte er sich einsamer als allein in seiner Wohnung. In die Kneipen oder sonst wohin zog es ihn auch nicht mehr. Für ihn war es überall das Gleiche.


Bereits in jungen Jahren hatte es sich bei ihm abgezeichnet, dass er mal ganz was Herkömmliches werden sollte.