Sonntag, 5. September 2021

 Seine Wortwahl war elitär, seine Gedanken gewöhnlich. Sein Erfolg nichts wert.


Hinter seinem endlosen Geschwafel verbarg er seine Disziplinlosigkeit, Faulheit und Inkonsequenz. Sich selbst beschrieb er als kommunikativ und spirituell, als einen "Suchenden". Seine Kumpels vorm Netto lachten ihn aus, mochten ihn aber auch irgendwie.


Beim morgendlichen Brötchenholen weicht Gerda W. mit ihrem Rollator wieder mal den Scherben und Erbrochenem der letzten Nacht aus. Der Stadtteil, in dem sie seit knapp 40 Jahren in ihrer 3-Zimmer-Whg. wohnt, sei jetzt "hip" geworden, hat man ihr erklärt.


Jetzt, wo das Unternehmenslogo auch noch groß auf dem Rücken gedruckt war, erkannten die Kund:innen ihn auch von hinten und quatschten ihn an. Er hatte noch 23 Jahre, 4 Monate und 17 Tage bis zur Rente und dem Unternehmen ging es gut.


Möhrenkauen, Bonbonzerknirschen, Tütengeraschel, das Hochziehen von Nasenrotz und was Menschen sich sonst noch so alles trotz Anwesenheit anderer Menschen nicht verkneifen können: Öffentliche Verkehrsmittel sind sinnvoll, haben aber ihre Schwächen.


Übersteigen die Zumutungen bei der Arbeit wieder mal das Maß des Erträglichen, stellt er sich vor, auf hoher See mit einbetonierten Füßen von einem Boot geworfen zu werden. So schätzt er sich glücklich, einfach nur ein- und ausatmen zu dürfen und dann atmet er ein und aus.


Sein stoisches Gemüt verlieh auch seinem Körper Widerstandskraft und Robustheit. Ihm war das gar nicht bewusst, über so was machte er sich keine Gedanken und sein Körper dankte es ihm.


Seine ewig missmutige und intrigante Nachbarin hat gerade Sex und durchs offene Fenster hört er, wie sie stöhnt und brüllt, und auch jetzt glaubt er ihr kein Wort.


Irgendwann bedeutete Biertrinken für ihn nur noch Stumpfsinn und Harndrang. Er musste sich was einfallen lassen.  - Wodka fiel ihm ein.


Mit den Worten "Der Morgenschiss, der kommt gewiss!" verließ sie hastig das gemeinsame Frühstück. Es hat mal eine Zeit gegeben, da gefiel ihm gerade diese unorthodoxe Unverblümtheit ihrer proletarischen Herkunft. Seine Eltern hatten ihn gewarnt.


Bernard Clemmens steht mit seinem Dauerfurz von 2 Minuten und 42 Sekunden im Guinness Buch der Rekorde. Ich stelle ihn mir als glücklichen Menschen vor, nicht wegen des Guinness Buchs, aber 2 Minuten und 42 Sekunden! Am Stück!


Mit Mitte 40 hatte er all seine Lebensziele erreicht und sie entpuppten sich als Sackgasse. Er wurde schwermütig und sein Schwiegervater riet ihm zu einem Hobby: Modellbau, das sei auch nicht so teuer.


Jetzt sitzt er neben seinem neuen Weber-Grill auf der Terrasse seiner Reihenhaushälfte, seine Frau macht in der Küche den Salat, die Tochter ist bei den Schwiegereltern und plötzlich wird ihm klar, dass er aus der ganzen Nummer hier wohl nie wieder rauskommen wird.


Damals hatte er sich Flammen auf beide Unterarme tätowieren lassen. Vielleicht um auszudrücken, dass er ein heißer Typ war. Und auch irgendwie rasant. So genau wusste er das aber auch nicht mehr.