Sonntag, 3. Oktober 2021

 Plötzlich hielt er inne, lehnte sich zurück und schaute sich um. Schaute, als zöge er ein schleimig triefendes Haarbündel aus einem verstopften Abfluss. Seit tatsächlich 20 Jahren sitzt er jetzt also in diesem Büro.


Er ist in den späten 70ern mit der Punkkultur erwachsen geworden, mit der Umwertung aller Werte, und das hilft ihm bis heute. Nur so hält er es aus, dieses ganze Getöse um die jeweilige Korrektheit.


Irgendwie waren die Menschen schon immer bescheuert. Es gab mal eine Zeit, da haben sie Geld für Klingeltöne ausgegeben.


Hannes A. wird älter, der Gang langsamer, das Furzen unkontrollierter. Hannes steht aber über diesen Dingen, er besitzt Fröhlichkeit.


Er zog es durch, bis zum bitteren Ende. Sogar bei seiner betrieblichen Verabschiedung zum Renteneintritt sprach er mit den Kolleg:innen ausschließlich in wohlmeinenden Floskeln, die gar nicht wohlmeinend waren; sie waren gedankenlos und gleichgültig. Und er lächelte.


Seine karierten Arbeiterhemden hat sie immer gehasst. Sie wünschte sich einen Mann in feinen Hemden. Und wenn er sich ihr zuliebe mal herausputzte, dann machte es das für sie nur noch schlimmer.


Als er es dann endlich schaffte, mit der Trinkerei aufzuhören, hatte er plötzlich alle Zeit der Welt, mit der er alles Mögliche anfangen konnte. Er fing wieder an mit der Trinkerei.


Er lachte über seine Fehltritte, empfand keine Reue, keine Scham. Betrachtete er doch die ganze Menschheit incl. seiner Winzigkeit als einen kurzen Fehltritt der Evolution, einen Witz.


Seitdem er sich entschlossen hatte, die Wochenendsauferei hinter sich zu lassen, ging er gern am frühen Sonntagmorgen auf der Partymeile spazieren. Was er da sah und wie er sich dabei fühlte, frisch und ausgeruht, bestärkte ihn in seinem Entschluss.