Samstag, 19. Oktober 2019

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Schmidt schraubte die Wodkaflasche auf und goss sich einen ein. Heute hatte er sich einen teuren gegönnt, in einer schicken Flasche. In zwei Wochen war Weihnachten und seit fünf Stunden war er offiziell arbeitssuchend. Die Sachbearbeiterin von der Arbeitsagentur war unerwartet freundlich und hübsch und jung gewesen. Große, lustige Kulleraugen und ein breiter Mund mit einem großen, ansteckendem Lächeln. Allzu lange konnte sie dort noch nicht arbeiten.
Frau Schultz-Kramer hatte Schmidt letzten Freitag beim Nachhauseweg am Ausgang aufgehalten und ihn aufgefordert, ihr den Inhalt seiner Tasche zu zeigen. Schmidt empfand nichts, weder Überraschung noch Nervosität oder sonst was. Ohne zu zögern übergab er ihr die Tasche. Sie wusste, wonach sie zu suchen hatte und präsentierte es ihm mit der Aufforderung, sich diesbezüglich zu äußern: zwei Permanentmarker der Marke Staedtler, eine vollständige Packung Heftklammern der Marke Leitz und drei "Correct It"-Korrekturroller der Marke Pritt. Schmidt sagte: „Gut, machen sie, was sie wollen.“
Er fragte sich, wer ihn beobachtet und angeschwärzt hatte. Dann wurde ihm bewusst, dass das keine Rolle mehr spielte. Er wollte keinen Gedanken mehr an diese Leute verschwenden.
Als er sich den zweiten eingoss, nahm er sich vor, im anstehenden Rausch an die Sachbearbeiterin zu denken und sich ein Leben mit ihr auszumalen. Er kippte den Wodka und voller Vorfreude goss er sich einen weiteren ein. Sie ist nicht nur freundlich und hübsch und jung, sondern auch noch gut im Bett, hemmungslos und unkompliziert. Sie liebt mich über alles und sorgt mit ihrer unbekümmerten Art für gute Stimmung. Wir leben auf dem Land in einem kleinen aber feinen Eigenheim, etwas außerhalb. Sie verdient die Brötchen, während ich das Haus in Ordnung halte und mit dem Hund spazieren gehe und die Nachbarn freundlich aus der Ferne grüße.