Dienstag, 30. September 2025

 Mit welcher Selbstverständlichkeit sie poltern und plärren und anderen auf die Nerven gehen, einfach keine Ruhe geben, keine Ruhe geben wollen, keine Ruhe geben können. Den Wert der Ruhe nicht verstehen. Furchtbare Leute, steckengeblieben in kindischer Selbstbezogenheit.


Warme Worte in kalten Zeiten – Gefasel, ausweichendes Gefasel, er konnte es nicht mehr hören. Seine aufsteigende Wut gab ihm Energie, ließ ihn innerlich gefrieren.


Mit der Realität stand er auf Kriegsfuß, die wollte nie so, wie er wollte, war ein undankbares Miststück. Er erkannte da mehr und mehr ein Muster – und die ihm darin zugewiesene Rolle, informierte sich, welche effektiven Waffen sich wo unauffällig besorgen ließen.

Samstag, 27. September 2025

 Wohlgefühlt hatte er sich immer nur in seinen Phantasien, wo er klug und witzig war, sexy, ein Frauenschwarm, und glücklich, die ganze Zeit glücklich. Im mittleren Alter verkümmerte seine Phantasie, da ließ sie ihn dann im Stich. Wie auch seine Gesundheit. Etwa zur gleichen Zeit.


Zum Friedhof, wo sie bald bei ihrem Mann liegen wird – auf dem Grabstein ist der Platz für ihren Vornamen schon vorgesehen –, geht sie wenn möglich jeden Tag. Um dann von da wieder bewusst weggehen zu können, hin zu ihrem Restleben.


Langsam kam er in ein Alter, wo auch der Alkohol nicht mehr half, wo selbst der ihn mehr und mehr enttäuschte. Er nahm es dem Alkohol nicht übel, es war nun mal der Lauf der Dinge. Ab und an trank er noch ein Glas, ohne Erwartung, ohne sich was vorzumachen.

Sonntag, 21. September 2025

 Er mochte die Frauen nicht, immerzu müssen die reden, sich immerzu herausputzen. Und immerzu kramen sie in ihren Handtaschen nach irgendwas. Er kannte sich aus, war er doch mit einer Frau verheiratet. Eine, die wo er hätte lieben können, war ihm nie begegnet.


Der Verwaltungsfachangestellte Uwe H. trieb sich an den Wochenenden oft in der Bahnhofsgegend rum. Um was zu erleben. Einmal bekam er da gewaltig eins auf die Mütze: Brieftasche weg, Handy weg, sechs Wochen krankgeschrieben. Davon erzählt er noch heute mit Glanz in den Augen.


Diese vielbeschworenen kleinen Freuden, denen gegenüber er achtsam sein sollte, auf die es allein ankäme, die wurden mit der Zeit dann aber nur noch kleiner. Fadenscheiniger. Rückblickend auf sein Leben jedenfalls hätte er bei den Freuden lieber doch mehr aus dem Vollen geschöpft.


Sogar Bier wollen die verbieten. Weil da Alkohol drin ist. Und Frauen verhüllen. Weil – sind eben Frauen. Bier verbieten; an was für Unverträglichkeiten leiden die eigentlich oder sind die einfach nur so bekloppt?


Er mag Bier. Bier beruhigt das Gemüt, das ist eine gute Sache. Man darf es nur nicht übertreiben, das ist klar, sonst wird aus der Seligkeit eine Sauerei. Nun, er hat es im Griff, schätzt sich glücklich, gießt sich gerade ein zweites ein und schenkt der Welt ein Lächeln.

Mittwoch, 17. September 2025

 In seiner Heiterkeit lag immer auch eine gewisse Melancholie. Es war für ihn die einzig mögliche Heiterkeit, die einzig erträgliche.


Bisweilen war sie etwas naiv und dann hatte er sich immer mal für sie geschämt. Aber ihre Freundlichkeit war echt, die Gutmütigkeit tief in ihr verankert. Dass sie ihn durchs Leben begleitete, war sein Hauptgewinn. Er wünschte nur, er hätte das schon früher erkannt. 


Ich denk', das lässt sich so oder auch so sehen, sagte er stets, wenn bei den anderen die Emotionen hochkochten. Aber auch sonst sagte er es, eigentlich war's seine Meinung zu allem. Viele hielten ihn für ahnungslos, vielleicht lagen sie damit richtig, vielleicht aber auch nicht.

Samstag, 13. September 2025

 Im Gespräch war er unangenehm: ausschweifend, selbstbezogen. Und da er keine Bekannten, keine Freunde hatte, rückte er häufig Fremden auf den Pelz. Die, die dabei unter Aufbringung all ihrer Geduld und Toleranz höflich blieben, nannte er dann seine Freunde.


Er war sehr belesen und ließ das auch gern andere wissen. Abgesehen von seiner Belesenheit war da aber nicht viel. Wie denn auch, las er doch von früh bis spät.


Er fühlte sich gut, richtig gut, den ganzen Tag schon. Er wusste nicht, was los war, alles war wie immer und doch fühlte er sich gut, beinahe fröhlich. Das war verrückt. Verstörend. Da stimmte was nicht. Mit seinem Kopf, seinem Hirn, da kam das schließlich her. Ein Tumor?

Dienstag, 9. September 2025

 So langsam sollte er mal an seinen beruflichen Aufstieg denken, nützliche Kontakte knüpfen, Fortbildungen besuchen. Nur zog er es vor, daheim in der Küche zu sitzen, Bier zu trinken und seinen Gedanken nachzuhängen. Das gab ihm was, mehr als so eine Karriere ihm je bieten könnte.


Den Arsch sollte er gefälligst hochkriegen und in die Puschen kommen. Und er machte es, sein Leben lang kam er mit seinem Arsch hoch und in die Puschen. So ging das Tag für Tag. Darauf lief's im Grunde hinaus. So ein Menschenleben ist doch was völlig Verrücktes.


Das Bier gestern Abend war ihm nicht bekommen. Allein schon der nächtliche Harndrang wieder. Nicht mal sonderlich geschmeckt hatte es ihm. So ging das schon länger und er trank es trotzdem, war es doch immer noch besser als so ziemlich sonst alles. Sein Leben war nun mal so.

Sonntag, 7. September 2025

Seit jetzt über 20 Jahren pendelte er zwischen Arbeiten und Alleinsein, steckte er fest in dieser Berufstätigkeit, die ihm von Woche zu Woche absurder erschien, die er nur noch hasste. Konserviert hat die Arbeit mich, sagte er, luftdicht verschlossen und sicher verstaut.


Oft war es bei ihm aber gar keine Gutmütigkeit, Feigheit war es. Die Angst vorm Konflikt. Und dann redete er sich raus, es lohne sich nicht, es bringe ja doch nichts, was meistens sogar stimmte. Aber die Feigheit blieb, verhöhnte ihn, machte ihn mickriger von Jahr zu Jahr.


Er lästerte viel und erzählte dann, dass er hier bald weg sei, dass ihm bereits gute Angebote vorlägen, sehr gute, er mache das hier nicht mehr länger mit. Gegenüber seinen Vorgesetzten zeigte er weiterhin seine schmierige Unterwürfigkeit. Zu gern wäre er ein bedeutender Mann.


Wichtig: reden, miteinander reden, über alles reden, auch über scheinbar Belangloses, immerzu und wieder und wieder reden, es ist wichtig, es ist essenziell ...  Mehr und mehr zog er es vor zu schweigen, mehr und mehr machte er mit sich selber aus.


Von der Psychologie wollte er nun nichts mehr wissen. Dabei hatte er sich immer für sie interessiert. Die Menschen wollte er verstehen, seine Angst ihnen gegenüber. Kaum etwas im Leben hatte ihn dann aber so oft getäuscht und schlecht beraten wie die Psychologie.

Mittwoch, 3. September 2025

 Diese romantischen Filme – und auch die romantischen Bücher, gerade die! –, die sollte man den jungen Leuten vorenthalten. Eine Altersfreigabe bräuchten die: Freigegeben ab 47 Jahren, da hat man die nötige Erfahrung, da weiß man Bescheid und durchschaut den Quark. Lacht allenfalls drüber.


Mit dem Scheiß aufzuhören, sagt er, ist im Grunde ganz einfach: Es sein lassen und nicht mehr damit anfangen. Es ist eine Entscheidung, jedes Mal aufs Neue. Ein Kampf mit sich selbst.
Nun, er hat es geschafft, hat die Sammelwut überwunden, hat seine Ü-Ei-Sammlung verkauft.


Er erwarte aber allzeit auch das Unerwartete, erzählte er, als er wieder mal von sich erzählte. Und der Tod – der sei, gab er noch zu bedenken, die einzige Gewissheit im Leben. Das hatte er alles aus so einem Kung Fu-Film, aber das brauchte ja keiner wissen.