Sonntag, 10. März 2024

 Früher ist auch er ins Theater gegangen oder zu Vernissagen, sogar zu Lesungen ist er hin und hat sich das angehört. Was man halt so tut, um bei den Frauen zu landen. So triebgesteuert ist er heute nicht mehr, so'ne Veranstaltungen sind jetzt nix mehr für ihn.


Die Tageszeitung las er grundsätzlich erst einen Tag später. Weil die ganzen schlechten Nachrichten so ihre Aufdringlichkeit einbüßten. Is' gut gegen Blutdruck, sagte er immer. Und weil er sparsam war, das natürlich auch, die Zeitung gab's umsonst vom Nachbarn.


Nie schmiss er mal 'ne Runde, nie ließ er auch nur mal 'ne Kleinigkeit springen. Weil er diese Form von Geselligkeit im Grunde verabscheute, dieses - wie man es schon so abstoßend beschrieb! - "feuchtfröhliche Beisammensein". Und weil er sparsam war, das natürlich auch.


Mit so 'nem sonnigen Gemüt, mit so 'ner Wärme und Helligkeit in einem drin, das muss schon irre sein. Wenn einem das gegeben ist, hat man's große Los gezogen, ganz klar. Und wenn's dann noch unerschütterlich ist, dann das ganz große.


Seit 16 Jahren sind sie jetzt verheiratet. Im Bett läuft kaum noch was. Und auch sonst. Man hat sich arrangiert, ist vernünftig. Aber heute Abend kommt was im Fernsehen, was sie sogar beide gern sehen und es ist okay, es ist gut. Beide wissen, was sie einander haben.


Er hat immer viel Musik gehört, konnte in ihr schwelgen, ist in sie geflüchtet, hat sich oft stundenlang in ihr aufgehalten. Jetzt mit den Jahren ist es die Ruhe, die er in gleicher Weise aufsucht.