Mittwoch, 3. Juli 2019

Seit 18 Jahren ist er jetzt Kulturdezernent, bei Kolleg*innen beliebt und anerkannt, aber oft wäre er viel lieber so ein hartgesottener Typ mit entsprechender Hackfresse, der bei Volksfesten breitbeinig vor dem Toilettenwagen sitzt und abkassiert.


Beim Schneiden seiner Fußnägel völlig in sich versunken vergaß er ihre Anwesenheit und registrierte sie nicht: ihre Blicke voller Abscheu und Hass, die ihn noch hätten warnen können.


Sigrid S. riss sich zusammen und schwärmte bei der Arbeit von ihrem "herrlichen" Familienurlaub. Sie schaffte es sogar, dabei tapfer zu lächeln.


Hin und wieder ärgerte er sich im Nachhinein, Dinge entsorgt zu haben. Viel häufiger aber ärgerte er sich im Nachhinein, Dinge angeschafft zu haben. Seine stetig wachsende Genügsamkeit gab ihm Ruhe und Zufriedenheit.


Herr M. hat die Urlaubsreisen satt. Das einzige, was ihm noch gefällt, sind die warmen Würstchen, der Speck und das Rührei beim Frühstücksbuffet. Wohlweislich weigert sich Frau M., ihm das zu Hause zuzubereiten.


Am Kassenband vor ihm streitet sich ein offensichtlich zugedröhntes Junkie-Pärchen nölig und kleinkariert um Schulden in Höhe von 2,80 Euro und er fragt sich, wozu nehmen die eigentlich Drogen?


Neben seinem Job investiert er spekulativ, kauft und verkauft Immobilien, jongliert mit seinem Vermögen, überwacht es tagtäglich. Gestresst, angespannt und gereizt verliert er schon mal den Überblick und wird ungerecht und nein: Spaß macht das alles keinen.


In Überlegungen versunken, wie er den Absprung aus diesem furchtbaren Beschäftigungsverhältnis bewältigen könne, starrte er untätig auf den Bildschirm - unbewusst wissend, dass seine nachlassende "Performance" schon allein für den baldigen Absprung sorgen wird.


Er betrieb Autosuggestion, er sagte sich "Akzeptier's einfach!", immer wieder "Akzeptier's einfach!", es half ihm, mit der Beschissenheit seines Seins umzugehen, zumindest ein Stück weit, ein kleines Stück weit, also, er kam soweit klar, einigermaßen.