Mittwoch, 17. September 2025

 In seiner Heiterkeit lag immer auch eine gewisse Melancholie. Es war für ihn die einzig mögliche Heiterkeit, die einzig erträgliche.


Bisweilen war sie etwas naiv und dann hatte er sich immer mal für sie geschämt. Aber ihre Freundlichkeit war echt, die Gutmütigkeit tief in ihr verankert. Dass sie ihn durchs Leben begleitete, war sein Hauptgewinn. Er wünschte nur, er hätte das schon früher erkannt. 


Ich denk', das lässt sich so oder auch so sehen, sagte er stets, wenn bei den anderen die Emotionen hochkochten. Aber auch sonst sagte er es, eigentlich war's seine Meinung zu allem. Viele hielten ihn für ahnungslos, vielleicht lagen sie damit richtig, vielleicht aber auch nicht.

Samstag, 13. September 2025

 Im Gespräch war er unangenehm: ausschweifend, selbstbezogen. Und da er keine Bekannten, keine Freunde hatte, rückte er häufig Fremden auf den Pelz. Die, die dabei unter Aufbringung all ihrer Geduld und Toleranz höflich blieben, nannte er dann seine Freunde.


Er war sehr belesen und ließ das auch gern andere wissen. Abgesehen von seiner Belesenheit war da aber nicht viel. Wie denn auch, las er doch von früh bis spät.


Er fühlte sich gut, richtig gut, den ganzen Tag schon. Er wusste nicht, was los war, alles war wie immer und doch fühlte er sich gut, beinahe fröhlich. Das war verrückt. Verstörend. Da stimmte was nicht. Mit seinem Kopf, seinem Hirn, da kam das schließlich her. Ein Tumor?

Dienstag, 9. September 2025

 So langsam sollte er mal an seinen beruflichen Aufstieg denken, nützliche Kontakte knüpfen, Fortbildungen besuchen. Nur zog er es vor, daheim in der Küche zu sitzen, Bier zu trinken und seinen Gedanken nachzuhängen. Das gab ihm was, mehr als so eine Karriere ihm je bieten könnte.


Den Arsch sollte er gefälligst hochkriegen und in die Puschen kommen. Und er machte es, sein Leben lang kam er mit seinem Arsch hoch und in die Puschen. So ging das Tag für Tag. Darauf lief's im Grunde hinaus. So ein Menschenleben ist doch was völlig Verrücktes.


Das Bier gestern Abend war ihm nicht bekommen. Allein schon der nächtliche Harndrang wieder. Nicht mal sonderlich geschmeckt hatte es ihm. So ging das schon länger und er trank es trotzdem, war es doch immer noch besser als so ziemlich sonst alles. Sein Leben war nun mal so.

Sonntag, 7. September 2025

Seit jetzt über 20 Jahren pendelte er zwischen Arbeiten und Alleinsein, steckte er fest in dieser Berufstätigkeit, die ihm von Woche zu Woche absurder erschien, die er nur noch hasste. Konserviert hat die Arbeit mich, sagte er, luftdicht verschlossen und sicher verstaut.


Oft war es bei ihm aber gar keine Gutmütigkeit, Feigheit war es. Die Angst vorm Konflikt. Und dann redete er sich raus, es lohne sich nicht, es bringe ja doch nichts, was meistens sogar stimmte. Aber die Feigheit blieb, verhöhnte ihn, machte ihn mickriger von Jahr zu Jahr.


Er lästerte viel und erzählte dann, dass er hier bald weg sei, dass ihm bereits gute Angebote vorlägen, sehr gute, er mache das hier nicht mehr länger mit. Gegenüber seinen Vorgesetzten zeigte er weiterhin seine schmierige Unterwürfigkeit. Zu gern wäre er ein bedeutender Mann.


Wichtig: reden, miteinander reden, über alles reden, auch über scheinbar Belangloses, immerzu und wieder und wieder reden, es ist wichtig, es ist essenziell ...  Mehr und mehr zog er es vor zu schweigen, mehr und mehr machte er mit sich selber aus.


Von der Psychologie wollte er nun nichts mehr wissen. Dabei hatte er sich immer für sie interessiert. Die Menschen wollte er verstehen, seine Angst ihnen gegenüber. Kaum etwas im Leben hatte ihn dann aber so oft getäuscht und schlecht beraten wie die Psychologie.

Mittwoch, 3. September 2025

 Diese romantischen Filme – und auch die romantischen Bücher, gerade die! –, die sollte man den jungen Leuten vorenthalten. Eine Altersfreigabe bräuchten die: Freigegeben ab 47 Jahren, da hat man die nötige Erfahrung, da weiß man Bescheid und durchschaut den Quark. Lacht allenfalls drüber.


Mit dem Scheiß aufzuhören, sagt er, ist im Grunde ganz einfach: Es sein lassen und nicht mehr damit anfangen. Es ist eine Entscheidung, jedes Mal aufs Neue. Ein Kampf mit sich selbst.
Nun, er hat es geschafft, hat die Sammelwut überwunden, hat seine Ü-Ei-Sammlung verkauft.


Er erwarte aber allzeit auch das Unerwartete, erzählte er, als er wieder mal von sich erzählte. Und der Tod – der sei, gab er noch zu bedenken, die einzige Gewissheit im Leben. Das hatte er alles aus so einem Kung Fu-Film, aber das brauchte ja keiner wissen.

Sonntag, 31. August 2025

 Er zeigte sich wenig begeistert, generell. – Selbst wenn ihm mal was gefiel, sah er darin keinen Grund, aus dem Häuschen zu geraten. Auch fand er, die Leute sollten sich mal mehr zusammenreißen, alle, in jeder Beziehung, die Welt wäre eine bessere.


Die eigene Verdorbenheit und niedere Gesinnung sah er nie, projizierte sie stets in andere. Sie hätten mal das Gesicht sehen sollen, das er sein Leben lang vor sich hertrug. Seinen Blick. Ich sage Ihnen, so was vergisst man nicht.


Bei ihnen war immer was los, immer Leben in der Bude. Langeweile? – kannten sie nicht, gab es nicht. In was für eine Hölle war er da nur geraten.

Mittwoch, 27. August 2025

 Und dann sagte sie noch Verarsche, alles sei da voll die Verarsche. Vulgäre Frauen deprimierten ihn.


Einmal hatte er den Alkohol schon lange hinter sich gelassen, aber dann kam der irgendwie wieder um die Ecke geschossen und jetzt sind sie wieder gleichauf. Vielleicht trennen sich ihre Wege auch wieder, vielleicht nicht – nun, es ist wie's ist und's kommt wie's kommt.


Er holte den alten Plastikweihnachtsbaum vom Keller hoch und stellte ihn neben den Fernseher, wie jedes Jahr eine Woche vor Weihnachten. Es war ein Witz, seine Art von Humor. Die Aussicht auf's Bier und die alten Filme an den Feiertagen aber, die brachte ihn wirklich in Stimmung.

Sonntag, 24. August 2025

 In der gemeinsamen Mittagspause unterhielten sich seine Kolleginnen und Kollegen oft über ihre Freizeit, was sie da machten, was sie interessierte, was sie aufregte. Er konnte damit nie was anfangen. Unterhielten sie sich über die Arbeit, war's das Gleiche.


Ja, aber er hatte sich diese Welt nun mal nicht ausgesucht. Bei manchen passt's eben und bei anderen eben nicht und viele stellen sich ihr Leben lang auf'n Kopf, damit's passt, verrenken sich, machen sich Gott weiß was vor. Nein, er sah da keinen Sinn drin, ließ es sein.


Ohne Erwartung ging er da rein und kam ohne Enttäuschung wieder raus. Das war so seine Masche.

Mittwoch, 20. August 2025

 Nein, nicht ihre Streitlust, ihre Vorstellungen von Schönheit und Liebe waren es; diese Sentimentalitäten und Zuckergussromantik – diese Kuscheligkeit, damit vertrieb sie ihn.


Nie ein wirklich ehrliches Wort; vielleicht wenn man sich mal vergisst, im Streit oder Suff, und dann tut's einem auch schon leid, dann schämt man sich – für das, was da doch so alles in einem ist.


Diesmal musste er länger bei den Eltern bleiben, für zwei Wochen, in seinem alten Heimatdorf: idyllisch, ruhig, mit freundlichen, aufmerksamen Nachbarn. Müsste er dort wieder leben, wäre er nach zwei oder drei Monaten Alkoholiker, spätestens.

Freitag, 15. August 2025

 Seinen Geiz nennt er selbst "preisbewusst", mit einem Augenzwinkern. Aber tatsächlich kennt er die Preise, studiert, verfolgt sie; seit seinem Ruhestand verbringt er einen Großteil seiner Zeit damit. Und mindestens zweimal am Tag schaut er in sein Bankkonto. Das gibt ihm was.


Sie hatte den Wandschrank gewollt, ihm war so was egal. Eine passgenaue Anfertigung, teuer. Es war ihm egal gewesen. Nur wie sie dann mal meinte, dass man für so was Schönes ja schließlich auch arbeiten gehe – von da an hasste er den Schrank.


Seit drei Jahren lebt er jetzt hier im Dorf. Mit seiner jüngeren Frau. Seit drei Jahren und noch immer schwatzt er bei jeder Gelegenheit seine Fremdwörter daher: "frequentieren", "obsolet", "bilingual" … – wie so'n Depp.

Dienstag, 12. August 2025

 Beobachtete er ausnahmsweise mal seine Gedanken, erkannte er auch gleich den haarsträubenden Unfug darin, den ganzen unnützen Mist, mit dem sie ihn Tag für Tag überhäuften.


Er war es nur noch leid, wünschte sich ein anderes Leben. Aber wie ließ sich das erringen? Mittels seiner Arbeit sicherlich nicht, ganz im Gegenteil.


Nur immerhin musste er nicht in Anzug und Krawatte zu seiner Arbeit. Was darstellen. Was hermachen. Das hätte ihm noch gefehlt.


Aber gern tat er dann genau das Gegenteil vom dem, was er sich unbedingt vorgenommen hatte. Aus Trotz – ein herrliches Gefühl.

Freitag, 8. August 2025

 Die Angst hielt ihn in Schach, bis zum Schluss. Er ging zur Arbeit, zur Vorsorge, zuverlässig, adrett, biss in viele saure Äpfel, weil das nun mal sein musste, duckte sich weg. Es war die Angst vorm Tod ebenso wie die vorm Leben, etwas wirklich eröffnet hatte sich ihm nie.

Er musste aufpassen, einmal war es ihm passiert. Die Kollegen nahmen den ganzen absurden Quark dort tatsächlich ernst, es war für sie von Bedeutung; machte er sich über die Arbeit lustig, machte er sich über sie lustig. Gewaltig zusammenreißen musste er sich, immer wieder.


Sie hielten sich grundsätzlich für gescheiter als ihr Gegenüber – auch insgesamt besser dastehend als der Durchschnitt, als ihre Nachbarn allemal. Ihre Gewöhnlichkeit sahen sie nicht, kam ihnen nie in den Sinn.


Sobald das Leben es gut mit ihm meinte und er sich glücklich schätzen konnte, nörgelte er auch schon. Er misstraute dem Glück, fand es noch am ehesten in der Nörgelei.

Mittwoch, 6. August 2025

 Den Leuten zu gefallen, gab er sich keine Mühe mehr. Nicht dass er aufhörte, freundlich und höflich zu sein. Aber ob er den Leuten nun gefiel oder nicht, was spielte das für eine Rolle. Er ging auf die 60 zu, dieses Schmierentheater lag ein für alle Mal hinter ihm.


Die Wehwehchen wurden mehr, er war jetzt in dem Alter. Einschränken sollte er sich. Kürzer treten. Gut, er war im Grunde immer schon ein Freund von Genügsamkeit und Zurückhaltung – aber beim Essen und beim Trinken? Beim Trinken? Ja, was bleibt einem denn da noch!


Früher isser noch nachts raus. Jedes Wochenende. Und was er da erlebt hat, viel wars übrigens nicht, hat er dann kaum mehr mitgekriegt und auch gleich wieder vergessen – Alkohol und so, viel Alkohol. Und Zigaretten. So war das, sein Highlife, so lässt sichs zusammenfassen.