Freitag, 22. Juli 2022

 Seine Businesshemden waren stets so grau wie sein Arbeitsalltag; und das war ja nur ein Aspekt seiner subtilen Rebellion. Das Familienfoto auf Schnappschussniveau in dem billigen Plastikrahmen auf seinem Schreibtisch zum Beispiel, das war ja auch so eine Sache.


Nach 2 bis 3 Monaten Einarbeitung könnte doch im Grunde jeder mit einem normalen gesunden Menschenverstand die Stelle übernehmen. – Aber find' jetzt erstmal so einen!


Mit der neuen weiblichen Leitung setzte sich im innerbetrieblichen E-Mail-Verkehr zusehends die Anrede "Liebe ...", bzw. "Lieber ..." durch. Herr M. und Herr S. sträubten sich, sie waren sich einig: "Sehr geehrt" ist zwar auch verlogen, aber nicht derart ungeniert verlogen.


Nun lebt er allein. Er studiert gern die Discounterangebote, sie sind so ziemlich die einzige Post, die er noch bekommt. Meistens geht er zu Lidl oder Aldi, zu Netto nur selten und manchmal auch zu Edeka. Er kommt zurecht. So ein Leben ist ja kein Hexenwerk, sagt er immer.


Aus jedem Anliegen machten sie dann ein Event: möglichst schrill und laut, um wahrgenommen zu werden. Und irgendwann dermaßen schrill und laut, dass das Event das Anliegen übertönte und hinter sich ließ.