Sonntag, 20. Januar 2019

Als Herr S. beim Durchblättern einiger Bücher die Textpassagen, die er als junger Mann angestrichen hatte, nochmal las und damit so gar nichts mehr anfangen konnte, beruhigte ihn das.


Mit seinem allein auf Eitelkeit beruhenden Ehrgeiz machte er bislang mehr kaputt, als er erreichte. Zunächst privat, dann auch beruflich. Seit neuestem zieht es ihn in die Politik.


Nichts an seinem im Grunde lachhaften Arbeitsplatz war es wert, dass er sich deswegen aufregen und schlecht fühlen müsste. Mit dieser herausfordernden Einsicht etablierte er nach und nach ein stoisches Gemüt.


Die Mehrheit ertrug er nicht und das irgendwie Besondere, wonach er sich ohne konkrete Vorstellung so sehr sehnte, fand er nicht.


Seine vulgäre Ausdrucksweise und sein aggressives Auftreten wiesen schon früh auf eine gut ausgeprägte Anpassungsfähigkeit hin. Sein Vater war stolz auf ihn und überzeugt von seiner Lebenstüchtigkeit.


Wild entschlossen, sein Leben zu ändern, legte er sich erst mal einen neuen Haarschnitt und eine neue Garderobe zu. Als die Reaktionen darauf nur äußerst verhalten ausfielen, wusste er auch nicht weiter.


Gefangen in seinem Selbsthass konnte er selbst als alter Mann sich die Peinlichkeiten seiner Adoleszenz nicht verzeihen. Und dafür hasste er sich erst recht.


Dann ließ seine körperliche Verfassung keinen Alkohol mehr zu und verdarb ihm den Rausch. Nach einer Phase des Trotzes und Aufruhrs gewöhnte sich sein Geist an den Verzicht, da er die Autorität und Klugheit des Körpers letztlich doch anerkannte.