Mittwoch, 28. Dezember 2022

 Dann entdeckte er die bewusste Rumsitzerei für sich. Zu Hause hatte er ja schon immer viel rumgesessen, aber jetzt machte er es auch in der Öffentlichkeit, am liebsten in der Einkaufsmeile: setzte sich da irgendwo hin und saß dann rum.


An so etwas wie Wohlstand hat er nie gedacht, es hat ihn nicht interessiert, anderes war wichtiger. Jetzt, wo eine beheizte Wohnung mit Strom und fließend Warmwasser und eine medizinische Versorgung zusehends Wohlstand bedeuten, ist dieser Luxus vorbei.


Seine Arbeit wurde immer abstruser, immer blödsinniger. Der ganze Betrieb war ein einziger Blödsinn – und er der dumme August am unteren Ende.


Am Ende des Tages jedoch war alles nur noch eitel und sinnlos, allein der Schlaf noch eine letzte Verheißung. – Und dann träumte er doch wieder nur den üblichen Quark.

Montag, 19. Dezember 2022

 Das Leben ertragen, die Arbeit erledigen – was blieb ihm schon anderes übrig?
Der Schlaf war ihm längst das Liebste.


Und wie wenig die immer wieder aufs Neue ersehnten Wochenenden überhaupt noch einen Unterschied machten.


Die Arbeit an sich war nie das Problem. Das, was sie nach und nach aus ihm gemacht hatte, war es. Manchmal, wenn er sich selbst reden hörte, war er geradezu entsetzt: Über was er sich da wieder aufregte! Was für ein lächerlicher, bornierter Arsch war er nur geworden!


Seine umtriebigste und kreativste Zeit, seine 20er Jahre, verbrachte er damals in Berlin-Kreuzberg und was ihn dort in erster Linie beeinflusst und geprägt hatte, war das Beck's Bier. Danach verlief sich seine Spur, wie bei so vielen.


Damals, als man für Zigarette noch Fluppe sagte, das war so seine Zeit gewesen. Wahrscheinlich war's zu der Zeit auch schon beschissen gewesen, sicher war's da auch schon beschissen, nur eben anders beschissen. Aber man sagte noch Fluppe für Zigarette, das weiß er noch.


Um dem von Bitterkeit und Verdruss geprägten Zeitgeist zu entfliehen, tauchte er ein in die unzeitgemäßen Welten einer überholten und nun politisch völlig unkorrekten Trashkultur.


Auch im realen Leben sollten aggressive Schlägertypen als "Bösewichte" bezeichnet werden.

Donnerstag, 15. Dezember 2022

 Unfassbar, an was die Menschen – sogar noch als Erwachsene – so alles ihre Freude haben! Er versteht das nicht; genauso wie er sein eigenes Unglück nicht versteht. Wahrscheinlich gibt es da auch gar nichts zu verstehen.


Er musste zur Arbeit, freute sich aber schon auf die Sauferei am Abend. Der Alkohol war das einzige Ziel, das er noch hatte, der alleinige Heilsbringer, der alles andere überstrahlte; nichts kam dagegen an, der Alltag war eine Zumutung.


Der Alkohol wurde sein Rückzugsort, das schon bald ranzig stinkende Hinterzimmer, in das er sich immer häufiger verdrückte, um sich ein Leben zu erträumen.


Seine ironischen Verdrehungen des eigenen Lebens und der eigenen Person ließen inzwischen nicht nur sein Umfeld ratlos zurück. Er wusste selbst nicht mehr, was er noch ernst meinte und was nicht. Alles war irgendwie nur noch ein mieser Witz.


Eine Zeitlang hatten seine Eltern noch das Wort "bumsen" benutzt, wenn sie "furzen" gemeint hatten. Soweit er sich erinnern kann, war das seine erste Erfahrung mit der lächerlichen Peinlichkeit seiner bürgerlichen Sexualität.

Montag, 12. Dezember 2022

 Aber der Mensch erträgt sie ja gar nicht, die vielbeschworene Ruhe, viel lieber macht er ja sich und andere verrückt mit seinem ewigen Gemache und Getöse. Was für ein Affenzirkus das doch alles ist!


Vor der Kartoffelpufferbude auf dem Weihnachtsmarkt stehen sie wieder Schlange, die typischen Kartoffelpufferleute, denkt er sich, Lieschen Müller und ihr Hermann, wo sie sich mal einig sind, denkt er sich  –  und stellt sich dazu.


Sein Leben ist vernuftgeleitet. Seine Wohnverhältnisse sind vernünftig, sein Kraftfahrzeug ist vernünftig. Sogar seine Frau und seine beiden Kinder sind vernünftig. Manchmal fragt er sich, ob er vielleicht mal als törichter alter Mann zumindest noch etwas Trubel erleben darf.


Im Übrigen hat mir noch nie jemand einen Storch gebraten.


Mit praller Brieftasche und einem protzigen Auto auf Brautschau gehen, das war es, was er wollte, genau das. Und das ließ er sich auch nicht kleinreden, er war doch kein Idiot. So lief das nun mal.

Sonntag, 27. November 2022

 Sein Text war gekonnt formuliert, keine Frage, geschliffen, gefällig, ein Ganzes; allerdings nicht ehrlich, alles war aufgesetzt, im Grunde dahergelogen. Der Text war nichts wert.


Romantische Phantasien und Vorstellungen, die Schwärmerei generell: Darüber ist er endgültig hinweg, schließlich war es die Ernüchterung gewesen, die Schlimmeres verhindert, ja, ihm tatsächlich den Arsch gerettet hatte.


Aber das Beleidigendste war, wie fantasielos und unambitioniert er log.


Es sollte ein Liebesbrief sein, aber statt Tinte und seinem Herzblut hatte er allein seine Jauche einfließen lassen. Er war einfach nur geil auf sie.


Angesichts seines in Scherben liegenden Lebens machte er sich ein Bier auf. Und dann noch eins.

Mittwoch, 23. November 2022

Nein, das juckte ihn nicht; mit seiner ausgewachsenen Resignation stand er zwar nicht über, aber wenigstens weit neben diesen Dingen.


Widerwillig und müde schleppte er sich Tag für Tag durch den Tag. Er solle nicht immer so ein Gesicht ziehen und einfach mal auf die kleinen Freuden des Alltags achten, riet ihm eine Arbeitskollegin eines Tages. – Ja, genau so ein Tag war das wieder.


Aber dann wuchs sein Desinteresse von Jahr zu Jahr, von Tag zu Tag. Längst erstreckte es sich bis hin zu den großen Fragen, die einen ja so oder so ratlos zurücklassen.


Für den Zyniker heutzutage ist es ja auch nicht leicht, mit der Realität überhaupt noch Schritt halten zu können.


Früher hatte auch er sich noch Illusionen gemacht, jetzt behilft er sich mit Freundlichkeit und Humor, rettet sich so einigermaßen durch den Tag und durch die Jahre. Man erkennt ihn an seinen Augen.

Sonntag, 20. November 2022

 Seine Frau machte sich über ihn lustig, meinte, ihm morgens immer seine Garderobe zurechtlegen zu müssen und erzählte es rum. Er ließ es sich gefallen, es störte ihn nicht, er empfand schon längst nichts mehr für seine Frau oder sonst wem in seinem Umfeld.


So langsam verlor sogar die Trinkerei an Reiz, die Stimmung war ja doch immer die gleiche. Aber wo er nun schon mal dabei war, goss er sich noch einen ein, schon aus Trotz.


Wenn er mal nachts durchschlief, war das schon 'ne große Sache. So sah es mittlerweile aus, sein Leben.


Mit Wehmut dachte er gerade an seine jugendlichen Ausschweifungen zurück, an diese unbekümmerte Euphorie damals. – Der Wohlstand, die Bequemlichkeiten, all das, was er jetzt hatte, kam da nicht ran; es war geradezu das Gegenteil davon.


Diese überhandnehmende plumpe Unhöflichkeit und Gereiztheit überall: Er verstand das nicht. In seinem Alter musste er ja nicht mehr alles verstehen, aber das beschäftigte und beunruhigte ihn.

Donnerstag, 10. November 2022

 Von einem Leben nach dem Tod wollte er nichts hören. Licht aus und Ende, alles andere wäre ja doch nur wieder 'ne verdammte Zumutung. Aber das behielt er für sich. Dass er in dem Dorfpfarrer 'nen tuntigen Schleimscheißer sah, auch.


Die Sanftmütigkeit von zwei, drei Bier: mehr wollte und mehr brauchte er gar nicht mehr. Für die Unberechenbarkeit des Hochprozentigen war er jetzt zu alt, zu vernünftig. Er hatte großes Glück, dass er nach all den Jahren so leicht verzichten konnte.


In 'nem alten amerikanischen Actionfilm wäre ich die eierige Radkappe.


Die Sanftmut in Person: niemals jähzornig oder boshaft, kein böses Wort, nicht mal im Suff oder wenn's sonst wie zur Sache ging. Immer nur friedfertig – wie so'n scheiß Heiliger, sagten wir in unserer gewöhnlichen Gehässigkeit und unserem stillen Neid.


Andere bekamen Rücken, bei ihr gingen nun nach 10 Jahren im Kundenservice Geduld und Freundlichkeit am Stock.

Donnerstag, 3. November 2022

 Seine eigentlich ernüchternden Einsichten über die komplette Sinnlosigkeit seiner Existenz erheiterten ihn in zunehmenden Maße.


Lass dich nur nicht einlullen und sieh' bloß zu, dass du genug Bier da hast, wenn so'ne scheiß Feiertage sind – das war sein Rat, das gab er mir mit fürs Leben.


Sich bewusst mit unsinnigen Bemerkungen oder unangebrachten Witzen selbst vorführen, sich über sich selbst lustig machen, das ging nicht mehr, passte nicht mehr in die Zeit. Irgendwann war tatsächlich alles zu einer ernsten Angelegenheit geworden.


Jetzt im Alter passierte es häufiger: Er blieb plötzlich einfach so stehen und schaute sich missmutig um. Die Menschen überall und überhaupt das ganze Leben passten ihm nicht; hatten ihm noch nie gepasst!


Für ihn machte das alles da keinen Sinn mehr, der ganze Betrieb erschien ihm von Tag zu Tag absurder, die Aufgeregtheit der Kollegen lachhaft. Am besten fühlte er sich, wenn er es schaffte, einfach den Mund zu halten oder zumindest nur in unverfänglichen Floskeln zu reden.

Sonntag, 30. Oktober 2022

 Wieder mal malte er sich die letzte Arbeitswoche vor seinem Renteneintritt aus: die Entspanntheit, die unangreifbare Gleichgültigkeit gegenüber all diesem sinnlosen Mist, der ihn all die Jahre so gegängelt hatte. Andere Glücksphantasien hatte er schon gar nicht mehr.


Damals in der Schule war für ihn die Note 4 problematisch gewesen. Jetzt bei der Arbeit wäre eine 4, also "ausreichend", genau das Richtige, geradezu ein Punktlandung.


Bei der Arbeit wussten sie nichts von seinem Wochenendalkoholismus. Sein Wochenendalkoholismus hingegen wusste 'ne Menge über die Arbeit und die ganzen Knallchargen da.


Als hätte er ein Spruch-Tattoo mit einem Rechtschreibfehler auf der Stirn, so fühlte es sich an, so lief er durch die Straßen, so musste er durchs Leben.


Bei den meisten wird das Leben irgendwann eine traurige Angelegenheit, bei dem einen früher, bei dem anderen später. Bei einigen von Anfang an. Er hatte zumindest für ein paar Jahre eine ganz gute Zeit und jetzt ist es, wie es ist. Hauptsache, er macht sich nicht verrückt.

Donnerstag, 27. Oktober 2022

 Seine Freude, seine Herzlichkeit: längst untergegangen in einem Leben voller Verpflichtungen und Umständlichkeiten.


Ganz angetan entdeckte er für sich das Wort Herzensbildung, es klang so vornehm und hübsch, er führte es gern im Mund spazieren.


So ziemlich alles hält er grundsätzlich erst einmal für unwahr, wenn nicht sogar für schamlos verlogen. Und was soll ich Ihnen sagen: Er fährt inzwischen erstaunlich gut damit.


Sein Bürokollege Herr H. trinkt neuerdings seinen Kaffee aus einem Kaffeebecher mit dem amüsanten Aufdruck "Sternzeichen: Kein Bock" und jedes Mal, wenn er auf die Scherzhaftigkeit des Bechers angesprochen wird, ist er freudig erregt und dann strahlt er übers ganze Gesicht.


"Man weiß nie, was als Nächstes durch die Tür kommt", heißt es bei "Die Drei vom Pfandhaus". Herr K. arbeitet im Einzelhandel und nicht im Pfandhaus, aber hinsichtlich seiner Kundschaft fühlt er sich exakt so dem Schicksal ausgeliefert.

Sonntag, 23. Oktober 2022

 Tagsüber hielt er's ein, im Schutz der Dunkelheit zog er dann los und kackte in unsympathisch wirkende Hauseingänge.
Ansonsten gab's über ihn nichts weiter Erwähnenswertes.


Ja, man tut und macht und manchmal kommt ja auch was bei rum, aber meistens tut und macht man, nur um was zu tun und zu machen. Man ist ja bescheuert, aber was will man machen.


Er war Passivist, aus Überzeugung und Mentalität, sein Leben lang. Am liebsten saß er in der Küche und trank Bier, das fand er gut.


Maulfaul sei er, so richtig maulfaul. Von chronischer Maulfaulheit sei er befallen. Und tatsächlich: Bei dem leichtfertigen Geschwätz überall konnte und wollte er partout nicht mithalten.


Früher las er noch in den Büchern, inzwischen liest er nur noch über sie hinweg, will vielleicht noch wissen, wie sie ausgehen, aber immer häufiger nicht einmal mehr das.

Sonntag, 16. Oktober 2022

 Der kleinbürgerliche Wohlstand seiner Eltern äußerte sich in Langeweile und Übersättigung. Jeden Sonntag wurde ein Ausflug unternommen und man schlenderte umher oder saß in einem Café und präsentierte sich mit verhaltenem Stolz in all seiner Langeweile und Übersättigung.


Er war schüchtern und kein Adonis und so lief es bei ihm beim Ausgehen immer nur auf Suff und Musikhören hinaus. Irgendwann blieb er einfach zu Hause und da lief es dann immer auf Suff und Musikhören hinaus.


Eines Tages schmeiß ich alles hin und werde der, der alles hingeschmissen hat.


Bei meinem Geschmack, was Bücher, Musik oder Filme betrifft, muss ich zum Glück keine Ahnung von der Materie haben, da kann ich alles auch einfach nur so gut finden.


Auf dem Weg zur Arbeit lief "Highway To Hell" im Autoradio. Angetan drehte er es auf, wusste dann aber nicht, ob er jetzt eigentlich lachen oder weinen sollte. – Auf dem Weg nach Hause wäre es das Gleiche gewesen.


Die Haare wurden grau und gingen ihm aus, die Ideen gingen ihm aus, die Zuversicht sowieso. Ihm war jetzt wichtig, dass er immer was Gutes zu essen bekam und natürlich auch das ein oder andere edle Gesöff. Er wusste, wo's langgeht und auch wie's endet.

Mittwoch, 12. Oktober 2022

 Nach und nach und ohne dass er es überhaupt merkte, wurde er auch Sachbearbeiter seines Privatlebens. Er arbeitete es ab, dienlich und zuverlässig und effizient.


Bloß in Ruhe sollen sie ihn lassen mit ihren "Carpe diem"-Sprüchen! Den unfreiwilligen Zynismus in dieser Aufforderung, womöglich noch in Schönschrift, den sehen sie gar nicht, meinen, sie meinen es gut. Genieße den Tag! – Ja, sicher doch, herzlichen Dank auch.


Er nimmt sich Zeit. – Und das macht der Typ ständig und mit voller Absicht, gerade so, als hätte er ein fucking Recht dazu!


Groß rauskommen wollte er, unbedingt den Nerv der Zeit treffen, und so stocherte er euphorisch drauf los, immer da, wo am meisten los war, wo alle anderen auch zugange waren, da musste er sein, der Nerv der Zeit.


"Feierabend" war ihm ein zu starkes Wort. Er bevorzugte "Dienstschluss". Das war hinsichtlich seines Lebenswandels auch stimmiger.

Sonntag, 9. Oktober 2022

 Aber was er da machte, womit er sein Geld verdiente, all die Jahre schon, das war doch keine Arbeit, das war ein Konstrukt, ein unzugängliches, völlig entrücktes Konstrukt und je länger er es befolgte, desto weniger leuchtete es ihm ein.


Mit den Jahren verblassten dann all seine Illusionen und Wunschträume; die Realität blich ihm die einzig wirkliche Heimat aus.


Allein um mich dranzukriegen, fragte er dann völlig unvermittelt "Sind Sie eigentlich einsam?". Solche Menschen braucht kein Mensch.


Diesmal hatten sie ihn sogar in einem 4 Sterne Hotel untergebracht. Die dort vorherrschende Umständlichkeit und diese nur spärlich unterdrückte Wichtigtuerei auf allen Ebenen, das war dann wohl der 4. Stern.


Nach über 20 Jahren Berufsleben meldete sich plötzlich wieder der jugendliche Punk in ihm zu Wort, aber nach über 20 Jahren Berufsleben wusste der nun auch nicht mehr, was eigentlich Sache war.

Freitag, 7. Oktober 2022

 Wieder eine Nacht, in der die ganze Stadt einer Kloake glich, sie sah aus wie eine Kloake, roch wie eine; sie hatte ihr Inneres nach außen gekehrt. Hackfressen in Bomberjacken vor der ESSO gegenüber, Abschaum. Er startete das Taxi und fuhr los.


Er machte sich dann ein Bier auf und dann noch eins, wollte mal wieder sein Zartgefühl 'n bisschen zurechtstutzen.


Da gab es so Vieles, was er in seinem Leben nie erlebt, auch nie mal ausprobiert hatte. Er war nicht böse drum.


Und wenn du dann mal tatsächlich in einer Sommernacht am Strand bei einem Lagerfeuer zusammen mit ein paar hippen Typen und einer Horde knackiger, gutgelaunter Bikinigirls ein eiskaltes Flaschenbier trinkst, dann darfst du dir dabei auch deren dummes Geschwätz anhören.


Eine mickrige Aussage bleibt eine mickrige Aussage. Verpackt in Schachtelsätzen und außergewöhnlichen Wörtern wird's nur noch mickriger, wenn's dann erstmal ausgepackt ist.

Dienstag, 4. Oktober 2022

 Er verstand es nicht: dieses ganze Gemache und Getue, nur um irgendwo dazuzugehören oder irgendetwas darzustellen. Nicht dass er mit sich und seinem Leben besonders glücklich war, ganz im Gegenteil, aber dieser alberne, verlogene Zirkus wäre ihm ganz sicher keine Hilfe.


Mit innerer Unruhe durch äußerliche Nichtigkeiten hetzen, wie so'n Bekloppter unter lauter anderen Bekloppten, und das auch noch in aller Ernsthaftigkeit. Da müssen Sie mal drauf achten, zum Schießen, unbezahlbar!


Er saß in der Küche und stellte sich die Lebensumstände des Topflappendesigners seiner neuen Topflappen vor. Die Topflappen hatte er von Woolworth und sie machten nicht viel her und er wusste doch auch nicht, was eigentlich mit ihm los war.


Einige Jahre lang schrieb er für seine Seelenhygiene Tagebuch – bis er sich mal die frühen Aufzeichnungen vornahm und feststellen musste, dass er Tag für Tag was anderes, Jahr für Jahr aber immer das Gleiche geschrieben hatte.


Ohne die Filme und die Bücher, die ihn als jungen Mann so sehr beeindruckt hatten, wäre sein Leben sicherlich ganz anders verlaufen. Stephen King liest er übrigens immer noch gern und in seinem Schlafzimmer hängt auch immer noch das alte Bruce Lee Poster.

Freitag, 30. September 2022

 Betagt und in materieller Hinsicht bedürfnislos latschte er aus Langeweile durch ihre grellen Shoppingwelten. Viele Produkte verstand er nicht mehr, ganze Läden konnte er sich nicht erklären. Seine Irritation war Teil der Unterhaltung, die er suchte.


Er nahm grundsätzlich alles persönlich, sogar das Wetter nahm er persönlich. Und über das Wetter beschwerte er sich am liebsten, denn das verstanden die Leute immer sofort.


Manchmal behielt er Recht, manchmal nicht. So war das eben. Im Nachhinein zu betonen, dass er Recht gehabt habe, oder vorab darauf zu bestehen, dass er Recht habe, erschien ihm unangebracht.


Eine gehörige Portion Intoleranz war jetzt schon da, aber er sparte sie sich lieber fürs hohe Alter auf, dann konnte er sie sich vielleicht leisten.


Ich bleibe lieber zu Hause, habe gern meine Ruhe. Das verstehe ich persönlich unter "sozial schwach".

Dienstag, 27. September 2022

 Als junger Mann soff er jedes Wochenende, die Vorfreude darauf half ihm über die Arbeitswoche, half ihm, den ganzen Mist durchzustehen, so als hätte er die ganze Zeit ein Ass im Ärmel. Die Zeiten sind vorüber, längst hat er nur noch die Arbeitswoche und zwei Tage frei.


Kaum etwas machte ihn so misstrauisch wie das Empfinden von Euphorie. Bei einer Gewinnbenachrichtigung von einer Lotterie, an der er gar nicht teilgenommen hatte, klickte er ja auch nicht auf den Link.


Erscheinung hochglanzmetallic, durch und durch glattgebügelt wie ihre perfekt sitzenden Business-Kostüme, aufschlussreich ist nur das, was ihr mal versehentlich zwischen den Zeilen rausrutscht. Als Privatmensch nicht vorstellbar.


Er machte sich ein Bier auf und lehnte sich zurück. Ihm erschien das sinnvoll.


Eines Morgens nahm er dann in seinem Schlafzimmer plötzlich diesen penetrant säuerlichen Schlafgeruch wahr, der ihn sofort an seinen Vater erinnerte. Dass sein Vater ausgerechnet auf diese Art in ihm weiterleben musste, war mal wieder typisch.

Samstag, 24. September 2022

 Er sah immer zu, dass er am Tisch derer saß, die sich nicht wichtig nahmen, die sich feuchtfröhlich irgendwelche wilden Geschichten erzählten oder auch einfach mal den Rand hielten.


Ganz egal was sie ihm auf den Schreibtisch legten, es war ihm nur noch lästig. Seit 30 Jahren saß er jetzt in diesem Büro und alles war ihm nur noch lästig. Was blieb ihm schon übrig, er arbeitete es weg.


Ja, welche Art Reichtum hättens denn gern? Irgendwo entscheiden müssen Sie sich schon.


An Sonn- und Feiertagen schaue ich lieber Edelwestern als Italowestern. Auch in meiner Gefühlswelt gibt es durchaus die ein oder andere bemerkenswerte Schattierung.


Aber dann hat ihn doch die Realität eingeholt, in vielem sogar überholt, und er wurde kleinlaut und umgänglich. Womöglich hat ihn das gerettet.

Mittwoch, 21. September 2022

 Er soff sich immer gern einen an, im Suff lebte er seine Großmannsphantasien aus, wurde prahlerisch und laut. Dass er unbedeutend, dass er ein Niemand war, wusste er selbst, deshalb soff er sich ja immer gern einen an.


Schnell war ihnen klar, der neue Abteilungsleiter agierte mit der alten Masche Zuckerbrot und Peitsche. Sobald er ein Zuckerbrot auspackte, betrachteten sie es genauso kritisch wie die Peitsche. Sich wegen dieser Charaktersau schlecht zu fühlen, war unnötig.


Überall wird doch mit allem nur noch übertrieben, dieses ganze Brimborium überall, und da dann noch die ganze Aufregung drumherum, Menschenskinder, das macht einen nur noch müde und lustlos, wie bei so 'ner richtigen Krankheit ist das.


So ein Bier zaubert dir nicht zwangsläufig ein Lächeln ins Gesicht, ich trink's trotzdem.


All die Aufdringlichkeiten dort und die vielen vielen Menschen, die Enge, der Lärm, das ganze Tamtam um irgendeinen Plunder: Da müssen wir wieder irgendwie hinkommen, bewerben wir es mit "Erlebnis-Shopping" – oder auch gut: "Heimat shoppen"!

Sonntag, 18. September 2022

 Damals in seiner Jugend lief er rum mit den typischen Punk- und Weltschmerzattitüden. Jetzt ist er Lehrer und Familienvater, fährt im Elektroauto zur Arbeit und hat tatsächlich mit innerer Ablehnung und depressiven Verstimmungen zu kämpfen.


Er fühlte sich eingesperrt, das einzige, was er noch machte Tag für Tag, war essen, schlafen und seine Runden drehen in dem ihm zugewiesenen Bereich. Es war bequem und sicher und ein Ausbruch kam für ihn nicht wirklich in Frage. Und im Grunde wollte er es ja so immer haben.


Um in der Situation gefällig und verbindlich zu bleiben, musste er wieder mal ein beträchtliches Maß an Verlogenheit an den Tag legen. Das muss er in seinem Beruf oft – und auch sonst. So ist das – und nicht nur bei ihm.

Donnerstag, 15. September 2022

 Die Welt draußen war verrückt geworden, komplett verrückt. In seiner bis zur Decke vollgestopften Mietwohnung aber stand und lag alles noch am rechten Platz, da, wo es für ihn Sinn ergab.


Werbetexter will er werden, wie sein Onkel, und in Gedanken beschreibt er schon alles, was ihm so in den Sinn kommt; am liebsten die eigenen Fürze: "schleichend und von überwältigender Intensität", "krachend kernig und kein bisschen schüchtern", "saftstrotzend"


In aller Ruhe schlendert er durch seine neu eingerichtete Wohnung und lässt alles auf sich wirken. – Viel lieber würde er in einem Hotelzimmer leben, wo ihm nichts gehört.


Dem Rummel selbst blieb er fern, er fand ihn furchtbar, aber er schaute immer gern vorbei, wenn er aufgebaut wurde, oder am Morgen danach, wenn nur noch vereinzelte, verlassene Buden dastanden. Und so hielt er es mit jeder Art von Rummel.


Sonntagabend, Bier und irgendwas in der Glotze, zu mehr ist er ja doch nicht zu gebrauchen, der Sonntagabend.

Sonntag, 11. September 2022

 Und dann geht das Leben mit all dem Scheiß nur noch so dahin. Irgend so'n Scheiß halt, ist vermutlich bei jedem ein anderer Scheiß, aber irgendein verdammter Scheiß wird's schon sein und der frisst dir dann nach und nach die Tage weg.


Es war ihre Show, ihr großer Auftritt, und er ließ sie reden. Er wusste, wann er einfach nur die Klappe halten brauchte und es interessierte ihn sowieso nicht. Was hier im Büro ablief, interessierte ihn generell nicht und er ließ sie alle einfach machen und reden.


Von diesem so gefälligen wie verlogenen Geschwätz bekam er inzwischen Sodbrennen. Er war noch nicht so weit, hatte irgendwo immer noch Ideale und Hoffnungen.


Nach der Zeit des seichten Geredes und der schicken Floskeln kam dann auch für ihn die Zeit der harten Fakten. Das Erwerbsleben lehrte ihn recht schnell ein anderes Vokabular.


Es war und ist ja nun wirklich nicht alles schlecht: so manche Musik und so manche Geschichten, die Absurditäten und der Humor – und auch das Bier, das ist auch so eine Sache, das Bier.


Bier. – Auch wenn es nur mal eben den Durst löschen soll, berührt es deine Seele.


       ach Gott ja, die Menschheit

Donnerstag, 8. September 2022

 Auf seiner Fußmatte stand groß "Welcome!" und auch sonst war er in vielerlei Hinsicht sarkastisch.


Gestern hatte er seinen Penis doch tatsächlich Lustspritze genannt und er wusste beim besten Willen nicht, warum sie ihm auch immer wieder mit diesem "Dirty Talk" kam.


Lediglich um einen Smalltalk einzuleiten, hat ihn wieder mal jemand gefragt, wie es ihm denn so geht. Ach, hätten die Leute doch nur eine Ahnung, was diese Scheißfrage in ihm auslöst.


Hysterische, bittere Zeiten; Spaß und Freude hatten es schwer, es gab sie nur noch auf Kirmes-Niveau. Und nur noch wie aus Trotz.


Viele wollten vor ihrem Tod ja noch reinen Tisch machen, er aber wollte alles mit ins Grab nehmen: seine geheimen Schandtaten, all die Gemeinheiten, den ganzen Scheiß. Je älter er wurde, desto weniger fühlte er sich der Gesellschaft noch verpflichtet. Er mochte sein Schweigen.


Zäh und widerlich, ja, das waren die richtigen Wörter, zäh und widerlich war ihm zumute – als hätte er statt Blut Eiter in den Adern. Er holte sich noch ein Bier, das machte es erträglicher.

Sonntag, 28. August 2022

 Probleme, Ärger, Probleme, Ärger und wieder von vorn: Probleme, Ärger – was für ein Leben! Kennst du das? Du wischst dir den Arsch ab und die Scheiße auf dem Klopapier wird und wird nicht weniger.


Im Grunde ist sein Feierabend-Bier die Möhre, die dem Esel vorgehalten wird, um ihn anzutreiben. Und Herrgott ja, er weiß es doch selbst!


Er hatte jede Menge Witze auf Lager, auch so'n paar schlüpfrige, das waren ihm immer die liebsten. Einen Humor, den hatte er aber nicht. Beim Humor, da hörte sein Verständnis nun mal auf.


"Ja, kann sein, kann aber auch nicht sein", das war so ziemlich die einzige Festlegung, auf die er sich noch einließ, darauf konnte er sich noch verständigen, alles andere ging ihm entschieden zu weit.


Er lebt allein. Am Wochenende, am Freitagabend, da läuft Medical Detectives auf RTL NITRO, das schaut er sich an, seit Jahren schon, es wird ständig wiederholt, da bringen Menschen andere Menschen um.


Es war sinnlos, völlig absurd, er machte es eben, machte, was sie ihm sagten. Der Laden interessierte ihn nicht, alles, wirklich alles in dem Laden ging ihm am Arsch vorbei. Er hoffte nur, dass er nicht wird wie sie, dass er zumindest halbwegs bei Verstand bleibt.

Mittwoch, 24. August 2022

 Mit einem Haufen Kitsch im Kopf hatte man ihn ins Leben entlassen. Angelogen hatten sie ihn, ihm was vorgemacht, die ganze Zeit. Anders konnten sie es selbst wohl auch nicht ertragen.


Und dann stritten sie sich wieder, keiften sich an, weil, mit irgendwas will der Mensch ja auch beschäftigt sein. Bei all dem Trübsinn muss auch mal was los sein im Karton, sonst isses ja überhaupt gar nicht auszuhalten.


Entnervt und angewidert hatte er schließlich allem Bürgerlichen konsequent den Rücken gekehrt. Was ihn dann erwartete, war aber auch nicht gerade das Gelbe vom Ei; unbequem war es, auf Dauer unsagbar unbequem.


Schlechtes Fernsehen mit abgestelltem Ton, mehr brauchte er nicht mehr an "Entertainment", zumindest wenn er genug zu trinken da hatte.


All die Schwärmer und Begeisterten: Er ließ sie schwärmen und begeistert sein. Was ging ihn das an, was lag ihm ferner als deren Leben?


Eine "hohe Meinung"? – Scheiße nein, von nichts und niemandem hatte er eine hohe Meinung, auch nicht von sich selbst. Allein schon das nötige Vokabular für so eine hohe Meinung hatte er nicht und wollte es auch gar nicht, war es allzu oft ja doch nur gequält und verlogen.

Mittwoch, 10. August 2022

 Tja, wieder mal Bier, was will man auch sonst schon groß machen? Die Dinge sind nun mal, wie sie sind. Meine Meinung.


Im Suff habe ich mal einen riesigen, armdicken Ast in mein Zimmer geschleift und aufgestellt. Der war umsonst und man musste ihn nicht gießen. Das hatte mich überzeugt.


Ihr Geschmack war so kostspielig wie billig und auch sein Auto, sein ganzer Stolz, passte ins Bild.


Bereits als 16jähriger war ihm völlig klar, dass er mal ganz groß rauskommen wird. Mit Ende 60 beschlichen ihn dann aber doch langsam die ersten Zweifel.


Die allermeisten Namen in seinem Adressbüchlein könnte er eigentlich durchstreichen. In seinem Monatskalender stehen nur noch Arzttermine. Und die "TV klar" auf dem Beistelltisch ist wieder mal abgelaufen, ohne dass er auch nur einen einzigen Blick reingeworfen hat.

Mittwoch, 3. August 2022

 Aufdringlich war er, und prahlerisch, schon als Kind. Und für so ein Leben, wie er es anstrebte, war das genau das Richtige.


"Wissen Sie, das ist doch im Grunde alles so was von scheißegal", sagte ihm die altgediente Kollegin völlig unaufgeregt, als er ihr sein arbeitsorganisatorisches Problem geschildert hatte. Und das war das Wahrhaftigste und Vernünftigste, was er jemals in dem Laden gehört hatte.


Aus wirklich jedem Fragezeichen machte er immer gleich ein Ausrufezeichen. Weil er keine Ruhe im Arsch hatte, wie es seine Gemahlin umschrieb, er hatte einfach keine Ruhe im Arsch, ja nicht mal im hohen Alter hatte er eine Ruhe im Arsch, zum Verrücktwerden war das mit dem.


"Mach'n Kopp zu!" haben wir damals jemandem nahegelegt, wenn er offenbar nichts zu einer konstruktiven Konversation beizutragen hatte oder etwas geäußert hatte, was uns sonst wie missfiel. Auch damals ging es auf sprachlicher Ebene bereits ausgesprochen ruppig zu.

Montag, 1. August 2022

 Sich einmal in der Firma so richtig und allen Ernstes als "Held der Arbeit" fühlen und dann auch noch so umherstolzieren: Herr K., der neulich zum Büroleiter ernannt wurde, schafft das 3 bis 4 Mal die Woche. Selbst beim Gang zum Klo strahlt er dann diese Dominanz und Würde aus.


Eine fatalistische Katastrophenmüdigkeit und ab und an ein paar Bier, das ist so seine Masche. Was andere so anstellen, um bei all dem Scheiß noch irgendwie durchzuhalten, das ist dann eben deren Masche.


Ihn beschleicht so das Gefühl, dass alles nur noch nach hinten losgeht. Alles, was er macht, geht nach hinten los. Bei anderen auch, überall, im Kleinen wie im Großen: Alles geht nur noch nach hinten los. Als ob da so eine Gottheit ihren Schabernack mit uns Dummerchen treibt.


Dass "betont lässig" nun aber ein Oxymoron ist, das sollte man dem ein oder anderen Schnöselhipster vielleicht doch mal bei Gelegenheit versuchen zu erklären.


Sein Leben als Karteileiche und Dunkelbezifferter war ja jetzt auch nicht so außergewöhnlich. Er wurschtelte halt so vor sich hin und es interessierte niemanden. Und das wars dann ja auch schon.


Was manche einfach so daherreden, das ist doch glattweg ungeheuerlich und dann steht da so eine Ungeheuerlichkeit im Raum und die reden einfach weiter so daher. Weil's ja ganz natürlich ist, das einfach so Daherreden, weil's der Mensch ja braucht und ihn ja erst gesellig macht.


Statt sich mit anderen Angestellten solidarisch zu fühlen, spielte er bei seinen jährlichen Pauschalurlauben gegenüber dem Hotelpersonal gern den Chef, mal herrisch, mal gönnerhaft. Das bedeutete ihm viel und man ließ ihm die Illusion.

Donnerstag, 28. Juli 2022

 Aber das perfideste war, als man ihm in jungen Jahren einredete, dass er sich nur mit seinem Job identifizieren müsse, ihn als sinnstiftend begreifen müsse, dann wäre es gar keine Arbeit mehr, sondern eine beständige Freude – und seine Daseinsberechtigung.


Schon seit längerem sprechen sie von flachen Hierarchien und der Abteilungsleiter und auch die neue Chefin sind offen und ansprechbar und lassen sich sogar duzen, aber der wirklich entscheidende Wohlfühlfaktor, der stellt sich immer noch erst dann ein, wenn beide nicht da sind.


Bei der formellen Feierlichkeit, diesmal war es ein Dienstjubiläum, sorgte wieder mal allein die tonangebende Verlogenheit für zumindest etwas Unterhaltung. Aber im Grunde war selbst das auch nur noch ermüdend.


In meinem nächsten Leben mache ich was mit meinem Leben. Oder auch doch wieder nicht, was weiß ich.


Sein Humor fiel nicht mit der Tür ins Haus. Was verursacht das auch für ein Lärm, mit der Tür ins Haus zu fallen, und überhaupt, stellen Sie sich das nur mal vor, da fällt einer mit der Tür in ihr Haus, das ist doch im höchsten Maße irritierend und auch unangenehm.

Montag, 25. Juli 2022

 Je älter er wurde – und gefühlt wurde er jetzt mit zunehmenden Alter rasant älter –, desto absurder erschien ihm alles. Die Leute heutzutage hatten sie doch nicht mehr alle, so sah er das.


Wenn Sie jetzt also zugeben müssen, dass Sie in jungen Jahren ja doch nicht immer die hellste Kerze auf der Torte waren, ja, dann könnten Sie es doch mal in Betracht ziehen, dass unter Umständen die Möglichkeit besteht, dass es trotz ihrer gegenteiligen Überzeugung evtl. heute auch noch so ist.


"Machen'se mit, dann sind'se dabei!" rief der Animateur in seine Richtung. Herr L. hatte einen Drink in der Hand und blieb unbeeindruckt sitzen. Wenn ihn in diesem Leben überhaupt etwas unbeeindruckt ließ, dann waren es Animateure.


Die beiden schrien rum, wenn sie sich stritten und sie schrien rum, wenn sie sich angeregt unterhielten. Herr S. saß in der Wohnung nebenan und fragte sich, ob sie selbst überhaupt noch den Unterschied merkten.


Langzeitsingle Dietmar A. machte schon vor langem mal ein erstaunliche Entdeckung: Trägt man einen Pullover nur lang genug, so 5 bis 6 Wochen, ohne ihn zu waschen, dann müffelt der irgendwann von ganz allein nicht mehr.

Freitag, 22. Juli 2022

 Seine Businesshemden waren stets so grau wie sein Arbeitsalltag; und das war ja nur ein Aspekt seiner subtilen Rebellion. Das Familienfoto auf Schnappschussniveau in dem billigen Plastikrahmen auf seinem Schreibtisch zum Beispiel, das war ja auch so eine Sache.


Nach 2 bis 3 Monaten Einarbeitung könnte doch im Grunde jeder mit einem normalen gesunden Menschenverstand die Stelle übernehmen. – Aber find' jetzt erstmal so einen!


Mit der neuen weiblichen Leitung setzte sich im innerbetrieblichen E-Mail-Verkehr zusehends die Anrede "Liebe ...", bzw. "Lieber ..." durch. Herr M. und Herr S. sträubten sich, sie waren sich einig: "Sehr geehrt" ist zwar auch verlogen, aber nicht derart ungeniert verlogen.


Nun lebt er allein. Er studiert gern die Discounterangebote, sie sind so ziemlich die einzige Post, die er noch bekommt. Meistens geht er zu Lidl oder Aldi, zu Netto nur selten und manchmal auch zu Edeka. Er kommt zurecht. So ein Leben ist ja kein Hexenwerk, sagt er immer.


Aus jedem Anliegen machten sie dann ein Event: möglichst schrill und laut, um wahrgenommen zu werden. Und irgendwann dermaßen schrill und laut, dass das Event das Anliegen übertönte und hinter sich ließ.

Samstag, 16. Juli 2022

 Seine besten Jahre lagen nun eindeutig hinter ihm. Und so dolle waren die jetzt auch nicht gewesen. Tja, was willste machen.


Seine Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit, diese tadellose Arbeitsmoral und der Wochenendalkoholismus: So war's bei seinem Vater und den meisten anderen in der Siedlung auch schon gewesen.


Als er sich mal wieder den Kosmos und diesen Urknall so vorstellte, war er gleich wieder überwältigt. Er holte sich noch ein Bier aus dem Kühlschrank, setzte sich wieder hin und kratzte sich am Schienbein. Was für ein unfassbarer Scheiß, dachte er sich, meine Fresse.


Verschwitzt, rotköpfig und mit starrem Lächeln schunkelten sie mit zu der Musik der Bierzeltkapelle, die Vereinsvorsitzenden, lokalen Unternehmer und sonstwie angesehenen Mitbürger. Es war die Zeit der Geselligkeit und guten Laune.


Die Freude, die er empfand, war immer schon still und sanft. Es kam ihm nie in den Sinn, sie nach außen zu kehren, sie womöglich anderen aufzudrängen.

Mittwoch, 13. Juli 2022

 In der Melancholie gibt es keinen Platz für Hass oder Gier oder Gewalt, sie ist ein friedlicher Ort.


Bei den Händen des alten Schreiners in seinem Heimatdorf damals – er hatte sie gerade wieder vor Augen –, da waren die berufsbedingten Verstümmelungen ja noch sichtbar gewesen. Er arbeitete jetzt seit 5 Jahren in dem Laden hier und in ihm drin sah es inzwischen auch anders aus.


Beim Anblick des Lachsmileys fragte er sich wieder mal, was es denn da jetzt bitteschön zu lachen gab. Die Leichtfertigkeit im Umgang mit diesen Lachsmileys ärgerte ihn, die Menschen sollten seriöser sein, generell, nicht nur bei der Positionierung von Lachsmileys.


Er für seinen Teil hatte da resigniert und hielt sich raus. Dieses hysterische Gezeter von allen Seiten gab ihm nun mal nichts.


Und dann warf jeder jeden rassistische Beschimpfungen an den Kopf und man lachte drüber, weil es aus einer albernen Kumpanei heraus geschah. Dass Rassismus völlig absurd, idiotisch und lächerlich ist, war endlich eine Selbstverständlichkeit geworden.

Montag, 11. Juli 2022

 Vor allem eins hatte er über Frauen gelernt: Sie mögen vielleicht viel reden, sagen dir aber längst nicht alles. Er hörte ihr zu und mimte den Verständnisvollen. Dabei hatte er diese Spielchen so was von satt.


Nein, ich seh' schon, in dem Text kommt das Wort "kuschelig" vor, das werde ich nicht lesen, tut mir leid, aber nein, ich will das nicht.


Dem Jugendalter längst entwachsen polterten sie immer noch rücksichtslos und egozentrisch wie kleine Kinder durch den Alltag und beschwerten sich auffallend oft über die Unfreundlichkeit der Menschen überall.


Seine Arbeit war also nach all den Jahren plötzlich nichts mehr wert. Er saß in der Küche seiner 1½-Zimmer-Wohnung, im Radio spielte die Kelly Family und dass er von nun an jeden Tag ja schön ausschlafen konnte, wie sie alle witzelten, bedeutete ihm einen Scheiß.


Und dann war es schließlich auch bei ihm soweit: Die einzigen Bekannten, die er noch hatte, waren seine Arbeitskollegen.


Er bräuchte eine neue Bratpfanne. Also wird er in die Stadt gehen und sich eine kaufen. Am besten am Samstag, da hat er frei. Um Preise und  Pfannen zu vergleichen, geht er dann in mehrere Läden und Kaufhäuser; so wird er es machen – und so sieht es inzwischen aus, sein Leben.

Freitag, 8. Juli 2022

 Er hatte sich nichts vorzuwerfen, gar nichts. Seine moralische Verkommenheit bewegte sich ausnahmslos im Rahmen geltenden Rechts. Da kannte er sich aus und darauf legte er Wert, großen Wert, denn das war ein zentraler Aspekt seiner generellen Verachtung.


Wehmütig denkt er an die Wochenenden seiner Jugend zurück. Jetzt bedeutet Wochenende für ihn nur noch, dass er statt der Berufsarbeit irgendwelche privaten Arbeiten erledigt. Und mit denen will er ehrlich gesagt auch nur Ruhe vor seiner Familie haben.


Allein der Markenname "BOSS" ist ihm dermaßen unsympathisch, dass er deren Zeug nicht mal geschenkt haben möchte. Und ein "ALPHA"-Männchen will er auch nicht sein. Dass ihm überhaupt Marken in irgendeiner Weise bewusst sind, ärgert ihn allerdings am meisten.


Mein Großvater musste ja als Rentner sogar schon damals in den 80ern im Müll anderer Leute herumwühlen, allerdings aus Interesse, nicht aus Armut.


Und die intoleranten Spießbürger, gleich welcher Couleur, behielten ja doch nur wieder die Oberhand. Er fand das inzwischen recht belustigend und lehnte sich zurück.

Montag, 4. Juli 2022

 Einen schönen Tag hat er mir gewünscht. Und gefragt hat er mich, wie's mir denn so geht. – So'ne Arschlöcher hab' ich ja sowas von gefressen!


Durchhalten, irgendwie durchhalten! Sein Leben bestand nur noch aus dieser elenden Durchhalterei. Und wenn er sich fragte, für was genau er eigentlich noch durchhielt, fiel ihm dazu von Tag zu Tag weniger ein.


Augen auf bei der Berufswahl! Augen auf bei der Partnerwahl! Und dann Augen zu und durch!


Dass er zu nichts mehr Lust hatte und sich auf nichts mehr einließ, konnten sie nicht akzeptieren; stur nannten sie ihn, ein Langweiler sei er. Wie befreit er sich doch fühlte, das wollten sie nicht wahrhaben.

Samstag, 2. Juli 2022

 Der Alkohol hatte ihm im Grunde ja nur noch Stumpfsinn anzubieten. Nach kurzer Überlegung nahm er das Angebot an.


Für diese besoffenen Radaubrüder da auf der Straße und ihr schäbiges Gegröle hatte er kein Verständnis. Sein Besoffensein war ja anders, mehr so privat.


Die Hitze machte ihn träge und gleichgültig. Draußen im Hof regte sich irgendein Schreihals wegen irgendwas auf und schrie rum. Ihn machte die Hitze träge und gleichgültig und er beließ es dabei.


Als er nach über 10 Jahren mal wieder in dem "alternativen Szeneviertel" seiner alten Heimat unterwegs war und er alles sogleich wiedererkannte, erkannte er nun auch die alberne Fassadenhaftigkeit des Ganzen.

Dienstag, 28. Juni 2022

 In seiner Freizeit trug Gerd E. oft T-Shirts mit Totenschädeln und martialischen Schriftzügen darauf. Dabei war er dem Leben aber durchaus zugewandt, besuchte Volksfeste und aß gern Bratwurst mit mittelscharfem Senf.


Olaf F. hatte damals bei uns im Ort das mit Abstand schnellste und abgefahrenste Moped weit und breit. Danach verlief sein Leben allerdings weniger spektakulär.


Ein schönes Leben will er sich machen. Spätestens wenn er in Rente ist, macht er sich ein schönes Leben! – Dabei hat er aber irgendwie so eine Ahnung, dass er ja dafür gar kein Talent hat, für so ein schönes Leben.


Hinter ihrer professionellen Freundlichkeit und aufgesetzten Fröhlichkeit ging es aber alles andere als freundlich und fröhlich zu. Ihre vulgären Gedanken hielten sie bei all dem Hochglanz-Gehabe um sie herum im Gleichgewicht.


Titten! Er war besessen von Titten. Groß, klein, rund oder spitz: ganz egal, Hauptsache Titten!
Als ihm dann mit Mitte 40 selbst welche wuchsen, war die Besessenheit allerdings schon vorher etwas abgeflaut.

Mittwoch, 22. Juni 2022

 Nun ja, er hatte Dinge zu erledigen, sein ganzes Leben hatte er Dinge zu erledigen.


Sie war anstrengend, aber alle Anstrengung wert. Ihr großes Herz war ein unglaublicher Ort.


Ihre Unterschrift war großspurig und verschnörkelt, genau wie ihre Garderobe und ihr ganzes Auftreten. Sie hatte Freude am Leben, denn sie kannte es auch anders.


Irgendwann war für ihn einfach die Zeit der literarischen Bücher vorbei, sie ermüdeten ihn, auch die "Klassiker", die ihn früher so begeistert hatten. Er wollte nur noch unterhalten, abgelenkt werden und da machte Hollywood sowieso den besseren Job.


Da saß er also rum in seiner Plattenbaubude, goss sich noch einen ein und stellte sich ein gelungenes Leben vor, so mit allem Drum und Dran. Dann stand er auf und warf einen Blick aus dem Fenster, auf den Plattenbau gegenüber. – Ein "gelungenes Leben", wie lächerlich!


Er macht diese Arbeit seit 20 Jahren; mehr schlecht als recht, denn der ganze berufliche Bullshit hat ihn nie interessiert und erst jetzt, wo sein Leben dermaßen in der Sackgasse steckt, begreift er, dass dieser Bullshit ihn doch nach und nach in die Knie gezwungen hat.

Samstag, 18. Juni 2022

 Der Aktenkoffer mit diesen lächerlichen Zahlenschlössern war ein Geburtstagsgeschenk seiner Frau. Er hatte so getan, als gefiele er ihm. Er traute seiner Frau nicht zu, dass sie sich über ihn und seinen Beruf vielleicht nur lustig machen wollte.


Diese lauthalsigen Menschen wieder überall, ihr Gemache und Getöse: was für eine Plage!  –  Es sollte Ruhetage geben, richtige Ruhetage, nicht diese religiösen, nein, solche, die einfach nur der Ruhe Achtung erweisen.


Das Bett ungemacht, eindeutige Verkrustungen auf der Bettwäsche und auch drumherum und sie lachten viel und dreckig. Heute erinnert nichts mehr daran: getrennte Schlafzimmer, Designermöbel und die osteuropäische Putzfrau kommt zweimal im Monat. Sie haben es geschafft.


Ehrlich und aufrichtig wollten sie sein. Und dabei immer respektvoll bleiben. Ihnen war klar geworden, wie elementar wichtig das ist, und es dauerte auch tatsächlich fast eine ganze Woche, bis sie sich wieder gegenseitig was vormachten.


Er lebte wieder allein und er hatte nichts zu tun und auch nichts vor und morgen hatte er frei. Er holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank und setzte sich damit in die Küche und für einen kurzen Moment, da konnte er sein Glück kaum fassen.

Montag, 13. Juni 2022

 Im Schutz seiner Einzimmerwohnung gab er sich seinen Grübeleien hin, dachte in seinen Begrifflichkeiten, während die Realität da draußen schon längst eine neue Sprache diktierte.


All das leere Geschwätz sollte ihnen endlich mal so richtig um die Ohren fliegen! – Das leere Geschwätz aber ließ sich nicht beirren und ging weiter, immer weiter, die Leute liebten es.


In den Job war er damals mit Mitte 20 aus Mangel an Interessen und Alternativen so reingerutscht. Damals war er Nihilist; alles abzulehnen, weil's ja doch keinen Wert hat, fand er cool und richtig. Inzwischen ist nichts mehr cool und in dem Job steckt er immer noch.


Manchmal brachte er dem Leben so viel Verachtung entgegen, vor allem seinem eigenen, dass er sich selbst wünschte, ein gewaltiger Blitz solle ihn doch einfach beim Scheißen treffen. Das sei die passende Verabschiedung, für ihn und für seine Sicht der Dinge.


In der kostenlosen Sonntagszeitung wird heute auf der ersten Seite des Lokalteils ein Eisenbahnmodellbauer porträtiert. Vor ein paar Wochen war's ein Sammler von Bierkronkorken. Der Modellbauer ist verheiratet, der Bierkronkorkentyp nicht. Ich les' so was gerne.

Donnerstag, 26. Mai 2022

UGLY BRUCE – EIN HARTER KNOCHEN IN EINER HARTEN WELT

  Also, die Geschichte geht so: Ugly Bruce war 'n übler Bursche, so 'n richtig übler Motherfucker und er hatte 'n Auge auf July geworfen, aber die zierte sich. Nicht, dass sie sich grundsätzlich zierte, sie war kein Kind von Traurigkeit, wenn Sie wissen, was ich meine, aber Bruce hatte 'ne ziemliche Hackfresse, wissen Sie, nicht schön anzusehen und in der Hinsicht sind die Frauen nun mal ganz schön wählerisch und ganz und gar nicht nachsichtig und großzügig wie in anderer Hinsicht vielleicht. Auch wenn sie gern was von inneren Werten oder Humor erzählen, für 'nen Typen mit 'ner echt hässlichen Visage haben die wenigsten 'n offenes Ohr, so sieht's nun mal aus. Ist so 'ne Art Naturgesetz.
  Bruce war freiberuflich unterwegs. Wie all die anderen Jungs hatte er es damals als Cowboy probiert. Aber allein der Gestank der Rindviecher mit ihren vollgekackten Hinterbeinen war ihm schnell gegen den Strich gegangen. Auch fand er das Verhältnis von Arbeitszeit und Freizeit recht unausgewogen. Und zu guter Letzt hatte er es nicht so mit Autoritäten. Bruce war dieser Typ Mann, der sich nur ungern von irgendwelchen aufgeblasenen Schwanzlutschern sagen lässt, wo's langgeht, was er zu tun oder lassen hat. Das war nicht sein Stil. Also machte er sein eigenes Ding.
  Er hatte sich dann recht schnell einen gewissen Ruf erarbeitet und die Leute engagierten ihn für so dies und das. Er war nicht zimperlich, nahm, was er kriegen konnte und wenn die Bezahlung stimmte, nahm er erst recht, was er kriegen konnte. In der Wahl seiner Mittel und Methoden war er im Übrigen auch nicht gerade zimperlich, wie Sie sich ja sicher schon denken können. Er war Ugly Bruce und so ziemlich jeder in der Gegend wusste das.
  Bruce hatte July das erste Mal auf der Farm ihres Vaters gesehen. Mister Foster, das war der Vater, wollte Bruce für 'nen kleinen Job engagieren und während sie über die geschäftlichen Aspekte der Angelegenheit sprachen, kam July rein und servierte ihnen Kaffee. Sie war jung und drall, ihre Kurven, die sie alle an den richtigen Stellen sitzen hatte, strafften ihr Kleid. Und als sie sich bückte, um den Kaffee abzustellen, hörte Bruce doch glatt die Nähte knarzen. Bruce stellte sich vor, wie er ihr den Fetzen vom Leibe riss. Er grinste schäbig. Außerdem schwitzte er und war ungewaschen und unrasiert. Das gehörte alles zu seinem Image.
  Der Job erwies sich als einfach. Leicht verdiente Dollars. Mister Foster wollte expandieren, denn er war nun mal ein waschechter Amerikaner mit waschechten amerikanischen Ambitionen und so hatte er es auf ein Stück Land seines Nachbarn abgesehen und Bruce sollte den Nachbarn davon überzeugen, dass ein Verkauf an Mister Foster die einzig vernünftige Option für ihn war. Also ritt Bruce gleich mal rüber zu dem Nachbarn, die Farm lag ja gleich nebenan. Schon als Mister Schulz, das war der Nachbar, ihn auf sich zureiten sah, wusste er, was Sache war und was er zu tun hatte. Ein Typ mit so 'ner Hackfresse, dachte sich Mister Schulz, der wird nie die Frau für's Leben finden, nie 'ne Familie gründen, der hat nichts zu verlieren, vor so einem muss man sich in Acht nehmen. Er bot Bruce herein und in der Küche unterzeichnete er dann den Kaufvertrag, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern oder sonst irgendwelche Fisimatenten abzuziehen. Er bot Bruce sogar noch 'ne Tasse Kaffee an, die Bruce dann in aller Ruhe genüsslich schlürfte, mit abgespreitztem kleinen Finger, weil er das in der Situation irgendwie witzig fand.
  Mister Foster war mit der prompten Erledigung des Auftrags höchst zufrieden und bot Bruce 'ne Tasse Kaffee an. Aber Bruce hatte genug Kaffee für heute und begnügte sich mit dem Bündel Dollar, das Mister Foster ihm ohne viel Aufhebens zusteckte. Bruce zählte das Geld nicht nach. Er wusste, dass es stimmte. Niemand wagte es, Bruce zu ficken. Niemand, der noch bei klarem Verstand war, tat so was. Bruce schwang sich souverän auf sein Pferd und ritt in die Stadt.
  In der Stadt angekommen, gerade als er sein Pferd vor dem Saloon anband, sah er doch prompt July aus dem Haushaltswarengeschäft gegenüber kommen. Sie trug immer noch das Kleid mit den knarzenden Nähten von vorhin. Ihre Achseln waren verschwitzt. Ein junger Bursche aus dem Geschäft trug ihr ihre Einkäufe hinterher und verstaute sie auf dem Pferdewagen. Bruce ging rüber zu ihr, gemächlich aber entschlossen. Bruce war kein Mann großer Worte, das lag außerhalb seines Kompetenzbereichs und so sagte er ihr gleich und direkt, was er zu sagen beabsichtigte. „Wie sieht's aus, Lust auf 'ne Tasse Kaffee?“, sagte er, obwohl er ja eigentlich für heute schon genug Kaffee gehabt hatte
  July erschrak, lächelte aber und sagte, dass sie sein Angebot leider ablehnen müsse, sie sei ja spät dran, ihr Vater und ihre drei Brüder erwarten sie auf der Farm. Bruce wusste, wann er sich geschlagen geben musste und wandte sich ab und ging zurück in Richtung Saloon. Er wollte hier am hellichten Tag und auf offener Straße keine Szene machen und dem arroganten Fräulein seinen Standpunkt nochmal in aller Deutlichkeit vor Augen führen. Auch wenn's weh tat. Er hatte schon viele Male Ablehnung erfahren, das erste und schlimmste Mal, als seine Eltern ihn damals einfach so weggegeben hatten. Und jedes Mal tat's wieder weh, immer wieder aufs Neue, verdammt! Man sollte meinen, so ein Mann wie Bruce, der steckt so was weg, steht über solchen Kinkerlitzchen. Aber wenn es um die verletzte Eitelkeit geht, steckt das keiner einfach so weg, das steht nun mal fest, und schon gar nicht, wenn du dein ganzes beschissenes Leben mit so 'ner verdammt hässlichen Visage rumlaufen musst und dir das von den Ladys immer wieder unter die Nase gerieben wird! Er betrat den Saloon in düsterer Stimmung, jetzt sollte ihm nur einer quer kommen! Manchmal brachte er dem Leben so viel Verachtung entgegen, vor allem seinem eigenen, dass er sich selbst wünschte, ein gewaltiger Blitz solle ihn doch einfach beim Scheißen treffen. Das sei die passende Verabschiedung, für ihn und für seine Sicht der Dinge.
Während der ganzen Fahrt nach Hause war July aufgebracht. Und sie war heißblütig, neigte dazu, sich in ihre Aufregung so richtig reinzusteigern. Dieser hässliche Typ hatte sie auf 'n Kaffee eingeladen. SIE! War sie etwa hässlich? Was dachte der sich! Sie spielte eindeutig in einer anderen Liga! Noch nie war sie derart beleidigt und beschmutzt worden, noch nie! Noch nicht mal, als der einarmige Henry ihr damals auf offener Straße hinterher gepfiffen hatte. Zuhause erzählte sie es gleich Jimmy.
Jimmy war der jüngste Sohn der Fosters und der hitzigste, ständig geriet er in Prügeleien und manchmal auch in lediglich verbal ablaufende Auseinandersetzungen. Er gehörte zu dieser Art von Hitzköpfen, die mit nur 'ner kurzen Zündschnur auf die Welt gekommen sind. Manche behaupteten ja, es läge daran, dass er mit seinen 1,65 m ziemlich klein geraten sei und was zu kompensieren habe. Andere vertraten die Auffassung, dass er als jüngster seinen älteren Brüdern, Joe und James, ständig was beweisen musste. Und dann gab es noch die Theorie, über die aber nur wenig geredet wurde, auch weil sie für die meisten doch irgendwie zu kompliziert war, dass es daran lag, dass seine Mutter gestorben war, als sie mit ihm in den Wehen gelegen hatte und er jetzt damit nicht so richtig klar kam, für den Tod seiner Mutter verantwortlich zu sein, zumal sein Vater, Mister Foster, ihm das auch schon das ein oder andere mal aufs Brot geschmiert hatte. Wie auch immer, als Jimmy erfuhr, dass dieser Bruce seine Schwester belästigt hatte, wurde er fuchsteufelswild und war nicht mehr zu bändigen. July hatte vielleicht an der einen oder anderen Stelle ihres Berichts etwas übertrieben, um die Sache interessanter und ihre Aufgebrachtheit etwas nachvollziehbarer zu machen. Und so sprang ihre Wut und Empörung voll und ganz auf Jimmy über. Und das tat ihr gut, deswegen hatte sie es ihm ja auch erzählt, bei so was fühlte sie sich in emotionaler Hinsicht von ihm immer gut verstanden.
  Jimmy wusste, wo er Bruce finden konnte und ritt zum Saloon. Jeder wusste, dass man Bruce im Saloon finden konnte. Wenn er nicht gerade seiner Arbeit nachging, war er immer im Saloon zu finden. Wo hätte er auch sonst sein sollen? Das Leben damals bot einem in der Hinsicht nicht gerade viele Möglichkeiten.
  Jimmy stürmte in den Saloon, er war immer noch außer sich. Wie von Sinnen und mit feurigem Blick fixierte er Bruce und forderte ihn heraus – zum Duell! ZUM DUELL AUF LEBEN UND TOD!
  Bruce wusste überhaupt nicht, was der Bengel da überhaupt von ihm wollte. Der brüllte mit Schaum vorm Mund irgendwas von wegen, er habe seine Schwester entehrt und noch 'ne Menge anderen Bullshit und dann zog er auch schon seinen Colt. Bruce schoss ihn über'n Haufen, souverän, eiskalt. Ohne mit der Wimper zu zucken! Obwohl Jimmy zuerst gezogen hatte, hatte er keine Chance gehabt. Jimmy war nicht nur der zu klein geratene Hitzkopf mit der zu kurzen Zündschnur, er war auch nicht gerade die hellste Kerze auf der Geburtstagstorte – also, gewesen, um jetzt genau zu sein.
  Alle im Saloon hatten gesehen, dass Jimmy Bruce herausgefordert und zuerst gezogen hatte. Bruce konnte sich also an der Theke getrost wieder seinem Whiskey widmen, während sie Jimmys Leiche rausschafften. Der wilde Westen war in der Hinsicht so, da darf man keine heutigen Maßstäbe anlegen.
  Als Bruce jetzt das dritte Glas Whiskey ausgetrunken hatte, legte er das Bündel Dollarscheine von Mister Foster – also dem Vater des soeben Erschossenen! – auf den Tresen und bestellte sich gleich 'ne ganze Flasche. Dolly, eine der Nutten, sah als erste der Nutten das Geldbündel und ehe man bis drei zählen konnte, stand sie auch schon bei ihm und machte ihm schöne Augen, Hackfresse hin oder her. Du bist 'n toller Mann, sagte sie und rieb ihren Schenkel an seinen, 'n echter Kerl, ich hab 'ne Schwäche für echte Kerle, wie du so einer bist. Ich bin Dolly. Bruce sagte nichts, er wusste Bescheid, genoss die Situation aber trotzdem. Bruce war vielleicht ziemlich hässlich, das bedeutete ja aber nicht, dass er auch blöd war. Und er war ja auch 'n echter Kerl, das stand ja nun mal völlig außer Frage.
  Mister Foster und seine beiden noch verbliebenen Söhne Joe und James warteten inzwischen vor dem Saloon auf ihn. UM JIMMY ZU RÄCHEN! Sie hielten sich im Dunklen auf, wollten auf Nummer Sicher gehen und ihn im Schutz der Dunkelheit wie 'nen räudigen Köter abknallen. Das hatte er verdient, so sahen sie das.
  Gleich nachdem ihnen Jimmys Leiche gebracht wurde, hatten sie den Entschluss gefasst. Sie mussten gar nicht drüber reden, hatten nur ihre Revolvergürtel umgeschnallt, die Pferde gesattelt und sind losgeritten, verletzt, hasserfüllt und stolz. Zu allem entschlossen.
  Lange mussten sie nicht warten, da kam der hässliche Mistkerl auch schon aus dem Saloon gewankt. Er hatte offensichtlich mächtig einen sitzen. Erst erschoss er ihren Jimmy und dann soff er sich einen an, was für eine miese, gefühllose Drecksau!
  Die erste Kugel durchdrang seinen rechten Lungenflügel, die zweite zerfetzte sein Herz und die dritte ging daneben – James war schon immer 'n hundsmiserabler Schütze gewesen –, aber sie hätte ja ohnehin keine Rolle mehr gespielt. Bruce war bereits tot, als sein Gesicht ungebremst Bekanntschaft mit dem dreckigen Holzsteg vorm Saloon machte und dadurch noch weitere unschöne Deformationen erfuhr. Er hatte die Schüsse gar nicht mitbekommen. Er hatte Whiskey getrunken, knapp zwei Flaschen. Es war 'n guter Abend gewesen. Eine dralle Nutte namens Dolly hatte lange auf seinem Schoß gesessen und über seine Witze gelacht. Vorher hatte er noch diesen Bengel abgeknallt, daran hatte er aber schon längst keinen Gedanken mehr verschwendet.
  Mister Foster, Joe und James machten sich aus dem Staub, ritten wie vom Leibhaftigen verfolgt in die mondbeschienene Nacht. Zurück nach Hause.
  Schon am nächsten Morgen wurden sie von Sheriff Dexter und seinen Leuten auf ihrer Farm verhaftet. Sie leisteten keinen Widerstand. Mit Dexter war nicht zu spaßen, der war'n richtig harter Knochen mit viel Erfahrung und 'ner äußerst ernsthaften Berufsauffassung und das wussten die Fosters ganz genau. Erst spielten sie noch die Unschuldigen, aber als Sheriff Dexter sie mit den naheliegenden Indizien und 'ner gewichtigen Zeugenaussage konfrontierte, knickten sie ein.
  Mister Jenkins, der Besitzer des Haushaltswarengeschäfts gegenüber vom Saloon, da wo July erst gestern eingekauft hatte, bevor sie von Ugly Bruce belästigt wurde, Sie erinnern sich, hatte gestern Nacht von seinem Schlafzimmerfenster aus alles gesehen und es dann dem Sheriff brühwarm erzählt. Mister Jenkins war nicht gut auf die Fosters zu sprechen, noch nie. Warum wusste er selbst nicht, aber manchmal, da gibt es einfach so Leute, die mag man nicht, ohne zu wissen warum. Man mag sie einfach nicht und so war das eben bei Mister Jenkins mit den Fosters. Also verpfiff er sie, ohne groß drüber nachzudenken, ob er sie jetzt verpfeifen sollte oder nicht.
  Tja, wie ging's nun weiter? Gut, wenn Sie noch 'nen kleinen Moment Zeit haben, erzähl ich's Ihnen: Also, während Mister Foster, Joe und James fortan ihr karges Frühstück im Knast serviert bekamen, blieb July allein auf der Farm zurück. Aber sie konnte die Farm unmöglich allein bewirtschaften und so war es ein Leichtes für Mister Schulz, den Nachbarn, Sie erinnern sich, July davon zu überzeugen, ihm die Farm für 'nen Spottpreis zu überlassen. In seiner Küche bei 'ner Tasse Kaffee unterzeichnete July den Kaufvertrag. Welch Ironie!
  July tat dann das, was sie sowieso schon immer wollte: Sie ging in die große Stadt, in die Big City! Dort wollte sie ihren Traum von Abenteuer, Romantik und Mondänität verwirklichen, also in erster Linie 'nen reichen, gutaussehenden Mann finden, 'nen Versorger, so einen mit Stil und Klasse, einen Gentleman, sensibel und doch maskulin. Als ihr dann das Geld ausging und sie wieder und wieder auf die falschen Verehrer reinfiel, weil sie doch etwas zu schlicht für die Welt der großen Stadt gestrickt war, endete sie allerdings als Prostituierte ohne jede Zukunft. Das passierte damals auch schon so, ob Sie's jetzt glauben oder nicht.
  Vielleicht wäre die ganze Angelegenheit ja anders verlaufen, wenn dieser Bruce nicht so 'ne hässliche Hackfresse gehabt hätte – gut möglich, aber da begeben wir uns jetzt schnell ins Reich der Spekulationen und das bringt ja nichts, wissen Sie, so rein gar nichts. Die Welt ist, wie sie ist.

Mittwoch, 25. Mai 2022

 Dieser aufgeblasene Kulturbetrieb hatte ihm in jungen Jahren den Kopf verdreht und dann sein Leben ruiniert. Ein solides Handwerk, das wär's gewesen, was mit Holz oder Stein. Und der Kultur hätte er sich privat zugewandt, ganz im Stillen, er hätte sie genossen.


Da gibt es ja schon so Leute, die haben so eine Art an sich, so eine Haltung und so einen stattlichen Ehrgeiz, denen schaut man schon mal gern beim Scheitern zu, ganz ohne Gehässigkeit, einfach nur so.


Seine Herzlichkeit ist mit den Jahren porös geworden, rau und zerbrechlich. Er ist jetzt vorsichtiger mit ihr, setzt sie nicht mehr leichtfertig aufs Spiel.


Nach seinen Innenstadt- und Jahrmarktbesuchen beeindruckt Joachim O. seine Gesprächspartner*innen doch immer wieder mit seinen erschütternden Berichten über die aktuellen Preisentwicklungen im Bratwurst- und Eiskugelsektor.

Mittwoch, 11. Mai 2022

 Die Depression ist eine miese Drecksau, die dich belügt und betrügt. Alles ist schlimm und furchtbar, flüstert sie dir ein und du glaubst und empfindest das und alles macht dir Angst. Aber manchmal, für einen kurzen Moment, ahnst du, dass sie dich nur verarscht.


Zu Ende gedacht läuft es nun mal immer auf den Tod hinaus. Ist vielleicht ratsam, sich beizeiten eine Resignation anzueignen, am besten eine mit einem milden Lächeln und einem Scherz auf den Lippen. Oder du wirst auf deine alten Tage doch noch religiös.


Irgendwann suchte er dann in allem nur noch den Humor. Selbst in den schrecklichsten Dingen suchte er den Humor.


Sie war verunsichert, wusste immer häufiger nicht mehr, ob er nun lachte oder bitterlich weinte. Er wusste es selbst nicht, es lief irgendwie auf das Gleiche hinaus.

Montag, 9. Mai 2022

 In den 80ern hatten wir noch eine Dorfkneipe, einen Dorffriseur und einen Dorfladen. Da hingen dann immer die handgemachten Plakate mit der Dorfkirmesankündigung. War 'ne große Sache, die Kirmes. Die Typen vom Nachbardorf sollten nur kommen.


Noch schlimmer als sein Arbeitsleben war eigentlich nur sein Privatleben.


Am Wochenende zieht er dann los, säuft sich einen an und hält Ausschau nach einem, den er dann zusammenschlägt. Es macht ihm Spaß sich zu schlagen, weil er es gut kann und weil er sich dann gut fühlt, ganz einfach. Die ganze verfickte Arbeitswoche freut er sich drauf.


In dem Ladengeschäft war er jetzt zu oft; der Verkäufer erkannte ihn, nickte freundlich und dann machte er auch noch Small Talk. Er ging fortan zur Konkurrenz ein paar Straßen weiter und am liebsten sowieso in die anonymen Kaufhäuser.


Wieder und wieder suchte er die Frau fürs Leben: sexuell ansprechend, intellektuell auf Augenhöhe, kompatibler Humor. Funktioniert hat es schließlich mit Mutter 2.0.

Mittwoch, 27. April 2022

 Er dachte nur noch von Woche zu Woche, immer öfter auch nur noch von Tag zu Tag. Eine andere Strategie hatte er nicht. Als Kind und junger Mann hatte auch er sich noch ganze Leben erdacht.


Er merkte es gleich: Bei allem, was sie ihm sagte, vermutete sie, dass er es hören wollte. Das deprimierte ihn nur noch mehr.


Seine Schulzeit war eine Farce und seine ethische Orientierung beruht auf dem RTL2-Nachmittagsprogramm. In drei Monaten wird er Vater.


Bier trinken und Gott 'nen guten Mann sein lassen: Jede Form von Frieden ist mir recht und diese ganz besonders.


Bei diesen Dingen, die vielen Leuten doch wichtig sind, – Strandurlaube, Geldanlagen, Möbel, sexuelle Eroberungen, ein Auto fahren, Armbanduhren – ist er etwas achtlos; eine richtige Lusche, wie er selbst sagt. Er schlendert lieber durch die Gegend und ist zu allen freundlich.


Jahrmarktsgetöse, Mief hinter kandierten Fassaden. Es ist Sonntag und die Leute gehen hin.


Bevor ich hier noch für irgendwas den Kopf hinhalten muss, geb' ich ihn doch lieber morgens beim Reinkommen gleich an der Garderobe ab, witzelt Herr L. gern über seine Arbeit. In 5 Monaten geht er in Rente und er weiß nicht, was er dann machen soll. Er weiß es wirklich nicht.

Freitag, 22. April 2022

 Bevor er sich von der Arbeit noch verrückt machen ließ, brachte er ihr lieber eine gesunde Portion Verachtung entgegen. So läuft das nun mal in einem reinen Abhängigkeitsverhältnis.


Alles muss heutzutage "schlank und effizient" sein und das Bierdosenblech wird auch immer dünner, man mag die Dinger ja kaum noch in die Hand nehmen. Alles machen sie einem kaputt, alles!


Gefangen in einem Beruf, einer Ehe – in einem Leben, das ihn von Tag zu Tag unglücklicher macht, stellt er sich gerade vor, ihn ereilt eine unheilbare Krankheit, die ihm nur noch ein paar Jahre lässt. Für zumindest diese Jahre hätte er dann den Mut zur Freiheit, denkt er.


Seine Eltern lebten ein Leben voller Zwänge und Missgunst. Er machte alles anders und die Falle, in die er dann schließlich geriet, war auch nicht ohne, aber es war seine eigene – was es aber auch nicht unbedingt besser machte.


Diese ganze Ratgeber- und Kalenderspruchpsychologie, mit der sie ihm dann kamen, die nahm ihm dann endgültig das Interesse an jeglicher Innenschau. Er machte sich über andere Dinge Gedanken, pragmatische Dinge. Das half.


Er verdiente gut, mehr als gut, dabei war seine Arbeit, im Grunde der ganze Beruf, unnötig, absurdes Blendwerk. Er wusste, ohne die Anstellung wäre er aufgeschmissen, er konnte nichts richtig, hatte niemandem wirklich was zu bieten. Wem sollte er was vormachen?

Mittwoch, 20. April 2022

 Eindeutig das schlimmste an den Feiertagen sind die Feiertage.


Als Hampelmann seiner Ungeduld hampelte er durchs Leben, nervte, machte sich und andere verrückt. Tja, so war er und so war dann auch sein Leben.


Er knackte eine Bierdose auf und nach einer kurzen Pause redete sie am anderen Ende der Telefonleitung mit veränderter Stimme weiter. Es kümmerte ihn nicht, er machte ihr nichts mehr vor, er machte niemandem mehr was vor. Was sollte der ganze Bullshit überhaupt noch?


Er erinnerte sich: Sein Gürtel war aus Plastik, seine bunten Hosen kratzten, die Schule war ein seelenloser Plattenbau und im Schulbus wurde ihm jedes Mal schlecht. Zuhause roch es nach Zwiebeln und kaltem Stein. Das Leben war ihm unangenehm, immer schon.


Die Zeit kroch ihm davon und er ließ sie machen.


Er hatte so seine Probleme im Zwischenmenschlichen und so verordneten sie ihm Liebe: Selbstliebe! – Zuvörderst solle er lernen, sich selbst zu lieben, sich zu achten und er hatte keinen blassen Schimmer, von was diese Arschficker da überhaupt redeten.

Donnerstag, 14. April 2022

 Durchs Küchenfenster wirft er einen kurzen Blick auf die Straße, nichts und niemand erwartet ihn. Im Kühlschrank steht noch Bier.


Sein dröger Beruf war ein Auslaufmodell, er auch. Seine Ehe, seine Bürgerlichkeit, sein bescheidener Wohlstand: eine Farce, die ihn Tag für Tag verhöhnte, ihn lähmte. Seine Schwiegereltern erzählten rum, er habe eine Midlife-Crisis.


Der Anlass war klein, die Aufregung groß. Hysterie und Langeweile, irgendsowas, und während sie keifte und spuckte, kippte er im Stehen sein Bier und warf dabei theatralisch den Kopf in den Nacken, wie so'n Dirigent oder wie'n Bekloppter. Im Fernseher lief "Medical Detectives".


Er geht jetzt auf die 50 zu und er prahlt immer noch damit, wie viel Alkohol er verträgt. Nun ja, mit seiner zweiten großen Leidenschaft, dem dekorativen Bemalen von Dachziegeln, ist er nun mal nicht in dem Maße erfolgreich.


Früher nutzte er den Sonntag, um seinen Kater auszukurieren. Der Tag hatte seinen Zweck und auch diese Gemütlichkeit, die Zeit ging ganz von selbst rum und es ging einem nach und nach besser. Jetzt sind Sonntage nur noch Sonntage. Der Sauferei weint er keine Träne nach, den alten Sonntagen schon.


"Eher friert die Hölle zu, als dass ich ...", verkündete er lauthals. Und dann brach offenbar die Zeit der gefrorenen Hölle heran.


Die Haare trägt er kurz und die Fäuste geballt
So zieht er los, ist geil auf Gewalt
Äußerlich mächtig feist
Drinnen noch ein Kind im Geist
Ein Idiot, wie er im Buche steht
(er selbst den Büchern aus dem Wege geht)
Gewalt ist seine Zier
Gut, ich hol mir jetzt besser noch'n Bier

Dienstag, 5. April 2022

 Jedes Mal, wenn er sich wegen irgendwas groß Hoffnungen gemacht hatte, war dann die Enttäuschung groß. Sich über irgendwas groß Gedanken zu machen, gewöhnte er sich in dem Zuge dann auch gleich ab.


Für die langen Sätze und die dicken Bücher hatte er auch schon keine Geduld und keinen Sinn mehr. Zum Punkt kommen! Er wollte nur noch zum Punkt kommen, aber der ganze Scheiß ging einfach immer weiter und weiter.


Schon als Kind mochte er keine Clowns, den lustigen nicht und den traurigen schon gar nicht. Später entdeckte er für sich den zerlumpten, mürrisch versoffenen Clown; den mochte er, dem konnte er was abgewinnen.


Geduldig und gleichmütig steht er in der langen Schlange vor der einzig offenen Supermarktkasse. Er stellt sich einfach vor, er wartet auf den Tod. – Was er letztendlich ja auch tut.


Damals, Samstagabend in der Dorfdisko, wir waren 15, 16 Jahre alt und nur die Softdrinks und die wilden Geschichten von den Großstadtdiskos, die wir uns vom Hörensagen erzählten, sorgten für etwas Unterhaltung. Und den Dorfdisko-DJ verachteten wir am meisten.


Er war nicht dumm, nicht langsam im Kopf. Er besaß ein großes Talent zur Trägheit und sein Leben verlief unaufgeregt; es war ein gutes, ein schönes Leben.


Trotz seiner grundsätzlich konservativen Gesinnung gefielen ihm diese sogenannten "Emojis" von Anfang an und er machte reichlich Gebrauch davon, ließen sich doch damit seine wahren Gefühle wunderbar einfach kaschieren. 😁 😂


Seine beinahe schon asketische Genügsamkeit erwies sich dann tatsächlich als die preiswerteste und effektivste Altersvorsorge.


Damals, in den Büros, als die PCs noch weiß waren und sich allmählich graugelb verfärbten: tja, so dolle war das alles auch schon damals nicht.

Donnerstag, 31. März 2022

 Von den einstigen Sehnsüchten und Hoffnungen war nichts mehr da. Längst richtete auch er sich die Tage nach den Mahlzeiten ein. Viel mehr hatte sein Leben ihm ohnehin nie geboten.


Über Humor lässt sich streiten – und das muss man immer mehr Leuten nicht zweimal sagen.


Obwohl er persönlich daran gescheitert war, hielt er an dem Ideal fest. Er war klug genug, sich nicht erhaben zu fühlen, die eigene Person nicht als Maß aller Dinge zu betrachten.


Von der eigenen Lebensführung war er nicht gerade überzeugt. Von der der anderen aber noch viel weniger. Er machte einfach weiter mit dem, was er eben so machte.


Sobald die Schreihälse übernehmen, hält er sich raus. Auch beim Schreiben.


Randvoll mit Ungeduld hatte er immerwährend das zu Erledigende vor Augen. Ein Getriebener, der nichts vom Leben hatte, nie in ihm verweilte.


Es war mal wieder soweit und er wünschte, es sei nicht üblich, einen Geburtstag zu "feiern". Das schlimmste war die ganze Aufmerksamkeit. Die Aufmerksamkeit beschämte ihn. Sein Leben, sein Vorhandensein beschämte ihn.

Mittwoch, 2. März 2022

 In meinen 20er Jahren wollte ich nur rumvögeln und mich betrinken. Gut, dass ich's gemacht habe.


Und als ihn dann Eitelkeit und Ehrgeiz verließen, wurde ihm leicht ums Herz. Endlich war ihm das Leben genug.


Seine Arbeitskollegen erzählten manchmal von ihren Hobbys, einfach nur um was zu erzählen oder vielleicht auch um sich interessant zu machen. Er hörte höflich zu und verbrachte seine Freizeit lieber mit nichts Besonderem.


Ein "Hobby"? – Wenn überhaupt, dann nur ein unaufgeregtes. Oder ein völlig lächerliches, eines, das sich selbst parodiert. Briefmarken sammeln etwa – und zwar nur welche mit Baukränen oder Kühlschränken drauf.


Er hatte Schluss und machte, dass er da raus kam. Eine Kollegin wünschte ihm trällernd einen schönen Feierabend. Auch das war ihm längst unerträglich geworden.

Sonntag, 20. Februar 2022

 Es war kurz nach 4, nachmittags, er war betrunken, der Tag war gelaufen. Früher hatte ihm das mal Spaß gemacht.


Immer dieses vorfreudige Kribbeln im Hodensack, wenn er wegen irgendwas aufgeregt war! – Als ob es in seinem Alter noch groß Aufregungen gäbe, die seinen Hodensack etwas angingen.


Da gab es immer die einen in der Firma, die nach vorn strebten, was erreichen wollten, eine Karriere im Kopf hatten. Und dann die anderen, die lieber im Hintergrund blieben und keinen Wind machten. Die anderen, das waren immer die sympathischen, immer.


Wenn es darum ging, mal wieder eine Legitimation für ein sinnloses Besäufnis zu suchen, war sein Hirn ein erstaunlich findiges Bürschchen. Von sich selbst leicht zu überzeugen, war es natürlich auch.


Tja, sein Leben: Er hatte nie so recht gewusst, was damit anzufangen. So hat er jetzt auch nicht das Gefühl, etwas verpasst oder falsch gemacht zu haben. Und auf die törichte Idee, in seinem Alter noch was nachholen zu müssen, kommt er schon mal gar nicht.


Darüber zu lügen, was einem wirklich Spaß macht, was einem wirklich wichtig ist, wie es einem wirklich geht, das hat er im Berufsleben gelernt. Musste er, gehört es doch zu den Elementarkompetenzen. Und nach all den Jahren macht es ihn immer noch unglücklich.


Wenn man sich mal wieder Musik und Filme der späten 60er und frühen 70er reinzieht, sich deren Flair und Zeitgeist vergegenwärtigt, dann fragt man sich schon, warum es heutzutage wieder so ist, wie es ist.


Seine Berufswahl war ja im Grunde 'ne Zwangsheirat gewesen. Hätte ja auch gutgehen können. Hätte. – Na ja, 'ne Liebesheirat geht ja auch oft nach hinten los. So 'ne Vernunftehe ist vielleicht das vernünftigste. Wie auch immer, die Pause war rum und er ging wieder rein.


Nach knapp 20 Jahren Großstadtleben flüchtete er zurück ins Provinzielle, wo er dann schon bald wieder in der Befindlichkeit steckte, die ihn damals in die Großstadt trieb.


Sabine B. erschien schüchtern und unbedarft, insgeheim war sie aber ausgesprochen gehässig. Nicht nur in Kunstgalerien, Restaurants oder dem Stadttheater war "ja, ist mal was anderes" ihre Lieblingsfloskel.

Samstag, 12. Februar 2022

 Er lebt allein und zurückgezogen und jeden Samstag geht er ins Woolworth, schaut sich da die Deko- und Wohnartikel an und stellt sich ein Leben ausgestattet mit solchem Kram vor. Dann geht er noch zu Tchibo und da kauft er dann auch nichts.


Ludwig W. wollte keine Wohnung mit Blick aufs Meer, ins Tal oder auf sonst irgendeine Landschaft. Um nichts in der Welt wollte er seinen Blick auf die Straße mit den Menschen und ihrer Geschäftigkeit darauf missen.


Da stand es mal wieder: Es habe einen lauten Aufschrei gegeben, in der Bevölkerung, irgendwas war teurer geworden. Ludwig W. legte die Zeitung beiseite. Die wenigen Male, die er als Erwachsener geschrien hatte, hatten ihm nichts gebracht, im Gegenteil.


Die Hölle, das sind die anderen, aber ist man nur noch allein, so ist man es selbst, schrieb Ludwig W. in sein Tagebuch, und trotzdem gehe ich zu diesem muffigen Seniorentreff nicht nochmal, auf keinen Fall!


Seine Aussichten auf den Lebensabend sind düster. Allein der Rentenbescheid ist jedes Mal ein Schlag ins Gesicht. Und bei diesen Aussichten schleppt er sich tagtäglich zu einem verhassten Job, der ihn auch noch um seine Gegenwart bringt. Er muss verrückt sein, völlig verrückt.


Beruflich etwas komplett Anderes, Neues zu machen, einfach, weil das Alte abgestanden und sinnlos geworden ist, davon hat er immer geträumt. Er gehörte noch zu der privilegierten Generation, die bis zur Rente in ein und demselben Beruf, bei ein und derselben Firma arbeiten durften.


Allein die Illusion auf gepackten Koffern zu sitzen, hält ihn davon ab durchzudrehen. Seit jetzt 23 Jahren sitzt er hier auf gepackten Koffern.

Samstag, 5. Februar 2022

 Jeden Morgen kam er wie angestochen hier ins Büro und kaum hatte er den PC an und die Fachanwendung offen, machte er schon das erste Mal die Boris Becker-Faust. Er lebte in einer Welt voller Abenteuer, Prüfungen und Heldenmut. Ich ging raus und zog mir im Flur noch einen Automatenkaffee.


Er schlurfte ums Eck, zum Netto, Kippen und Bier. Die Stadt war tot, er war tot und der Kassierer war so richtig tot.


Seit 33 Jahren ist er jetzt Steuerfachgehilfe und in all der Zeit war für ihn kein Tag wie der andere gewesen. – Nein, natürlich hatte das nichts mit dem Beruf zu tun.


War Ines S. mal wieder ob der Liederlichkeit ihres unmöglichen Mannes Olaf S. in gereizter Stimmung, so bekamen das im Büro dann ihre männlichen Kollegen den ganzen Tag über zu spüren. Ausnahmslos alle. Aber vor allem der Dirk W.
Warum? – Weil das Leben ungerecht war.


Die völlige Erschöpfung war für Marga A. der einzig legitime Grund für ein nichtstuerisches Herumsitzen. Dass ihr Mann, Udo A., kein Problem damit hatte, einfach nur so nichtstuerisch herumzusitzen, brachte sie regelmäßig zur Weißglut und so gingen die Jahre ihrer Ehe ins Land.


In der in die Jahre gekommenen Shopping-Mall läuft aus Deckenlautsprechern veraltete Popmusik in Endlosschleife, sonst ist es ruhig. Melancholisch veranlagte Menschen kommen jetzt gern, schlendern durch die leeren Gänge, einige machen Fotos, man kennt sich.

Sonntag, 23. Januar 2022

 Früher hatte auch ich mal eine hohe Meinung von mir selbst, aber der immer wieder gerecht werden zu müssen, ist mir dann doch zu mühselig geworden.


Bei einem kalten Bier genoss er die Wärme und den herrlichen Blick auf den heimischen, prall gefüllten Backofen. Er war ein echter Glückspilz und dass seine Mutter ihn ausgerechnet jetzt fragte, wann er denn nun endlich wieder auszieht, sah er ihr nach.


Er hat schon immer ständig Fernsehen geschaut, schon seit seiner frühesten Kindheit. Um jetzt seine Vergangenheit aufzuarbeiten, braucht er sich bloß die alten Filme und Sendungen wieder ansehen, da wird ihm wieder alles klar.


In meiner Kindheit in den 70ern trugen wir eine Trainingshose, wenn wir trainierten oder auf dem Weg dahin waren. Die typische Trainingshose von heute ist ja eher entspannt und ungezwungen unterwegs.


Beim Reden verzettelte er sich, versaute es, verzapfte er viel Mist: Missverständnisse, Peinlichkeiten, richtige Dummheiten. Beim Schreiben funkte ihm niemand dazwischen, die Gedanken konnten fließen, abfließen. Schreiben befreite, reden belastete.


Als er sich mit Anfang 50 sein Leben mal so betrachtete, musste er zweifelsohne feststellen, dass er beruflich wie privat gescheitert war, da gab es nichts dran zu rütteln. Was ihn tröstete, war der Umstand, dass er in all den Jahren diesbezüglich aber auch nie irgendwelche nennenswerte Ambitionen verfolgt hatte.


Als Jugendlicher kokettierte er mit der Pose eines Depressiven, hörte so Bands wie Joy Division und meinte depressiv zu sein, bedeute abgeklärt, teilnahmslos und gleichgültig abzuhängen. Jetzt weiß er, dass es genau das Gegenteil von abgeklärt, teilnahmslos und gleichgültig ist.

Sonntag, 9. Januar 2022

 Der Zorn Gottes wird euch treffen! In all seiner Unbarmherzigkeit wird er euch zerschmettern, euch niedermetzeln! Mit zerrissenem Fleisch und zerborstenen Knochen werdet ihr winselnd daniederliegen und elendig zugrunde gehen! - Oder auch nich, is halt schon auch Glückssache.


Sein Schicksal war es nicht gewesen, vielmehr sein Denken. Aber das war ihm erst klar geworden, als die ganze Chose für ihn schon gelaufen war. Er machte sich noch ein Bier auf und blickte mal wieder zurück, nach vorn mochte er nicht mehr.


Dass sein Job inzwischen größtenteils ein Bullshit-Job ist, also in der Hauptsache aus völlig unnötigen und sinnlosen Tätigkeiten besteht, hat er längst akzeptiert und er nimmt es mit Humor. Dass sich sein Privatleben ähnlich entwickelt, hat er noch nicht bemerkt.


Der dort herrschende raue Umgangston war nicht "im Grunde herzlich" und auch nicht "einfach nur ehrlich", er war vulgär und gerade ihm gegenüber, da er sich trotz allem seine Höflichkeit bewahrte, sehr herabsetzend.


Manche Gespräche lassen ihn vollkommen dummes Zeug reden. Entgeistert hört er sich dann selber zu. Im Beruflichem vor allem, mit Kolleginnen und Kollegen, da redet man gezwungenermaßen viel dummes Zeug.


Seine Geltungssucht ließ ihn zeitlebens nicht los. Und deswegen veranstaltete er all dieses Getöse und Getue. Sein ganzes Leben: ein einziges Getöse und Getue. - Was für ein Affentheater, was für ein armer Wicht!


Und alle waren sie dann darauf aus, voller Überzeugung und Stolz einen möglichst großen Haufen zu machen, einen so richtig mächtigen Haufen. Natürlich auch als Hinterlassenschaft für die Nachkommen, ach was, für die Nachkommen - für die gesamte Nachwelt!


Seit knapp einem Jahr trinkt er keinen Alkohol mehr. Immer mal wieder erzählt er anderen, wie gut es ihm jetzt geht und wie wohl er sich jetzt fühlt. Nicht weil es wirklich so ist, sondern um sich selbst zu motivieren und das ist völlig in Ordnung.


Die Trinkerei war keine große Sache mehr. Seine Sorgen und Ängste lösten sich in Stumpfsinn auf, das war's. Wäre sein Leben nicht so kläglich und er nicht so ein Jammerlappen, könnte er glatt drauf verzichten, aber so - er gönnte sich noch ein Glas.


Die Aussage, ausgetüftelt, wie sie war, wollte zugleich auf vielen Wegen unterwegs und in vielerlei Stuben willkommen sein; sie landete im Nirgendwo.

Montag, 3. Januar 2022

 Wie oft schon hat er gesagt "ja, ich freue mich" und sich anschließend mies gefühlt, weil er eigentlich immer auch meint, was er sagt. Und wäre er ehrlich gewesen, hätte er sich noch mieser gefühlt.


Aber am schönsten ist Heiligabend doch mit kleinen Kindern. Weißt du noch, damals, der Dirk, wie er vor lauter Freude und Aufregung Pipi in die Hose gemacht hat, als er sein M16-Spielzeug-Sturmgewehr ausgepackt hat. Das sind so Momente, die vergisst man nicht.


Rolf 'Ralle' W. war nun mal hochsensibel gegenüber den eigenen Empfindlichkeiten und daran änderte auch das richterlich angeordnete Antiaggressionstraining herzlich wenig.


Die Klugen und Vernünftigen halten sich eher zurück, das Vorpreschen übernehmen gern andere. So bedauerlich das auch ist, bei den Familientreffen der Grubers, also der von der Grubers Hanni, da sorgt aber genau das jedes Mal für mächtig Stimmung in der Bude.


Herr P. steht ja lieber am Altglascontainer als am Pfandautomat; da geht es nicht um finanzielle Interessen.
Und beim Einwerfen der Wein- und Schnapsflaschen hat sich auch schon so manch launiges Gespräch unter Gleichgesinnten ergeben.


In seiner Plattenbauwohnung dudelte das Radio, die ganze Zeit, tags wie nachts, sehr laut, irgend so ein schriller Hitsender, ganz egal, er war allein und alt und das Gedudel beruhigte ihn, - während die Nachbarn nach und nach Mordphantasien entwickelten.