Samstag, 12. Februar 2022

 Er lebt allein und zurückgezogen und jeden Samstag geht er ins Woolworth, schaut sich da die Deko- und Wohnartikel an und stellt sich ein Leben ausgestattet mit solchem Kram vor. Dann geht er noch zu Tchibo und da kauft er dann auch nichts.


Ludwig W. wollte keine Wohnung mit Blick aufs Meer, ins Tal oder auf sonst irgendeine Landschaft. Um nichts in der Welt wollte er seinen Blick auf die Straße mit den Menschen und ihrer Geschäftigkeit darauf missen.


Da stand es mal wieder: Es habe einen lauten Aufschrei gegeben, in der Bevölkerung, irgendwas war teurer geworden. Ludwig W. legte die Zeitung beiseite. Die wenigen Male, die er als Erwachsener geschrien hatte, hatten ihm nichts gebracht, im Gegenteil.


Die Hölle, das sind die anderen, aber ist man nur noch allein, so ist man es selbst, schrieb Ludwig W. in sein Tagebuch, und trotzdem gehe ich zu diesem muffigen Seniorentreff nicht nochmal, auf keinen Fall!


Seine Aussichten auf den Lebensabend sind düster. Allein der Rentenbescheid ist jedes Mal ein Schlag ins Gesicht. Und bei diesen Aussichten schleppt er sich tagtäglich zu einem verhassten Job, der ihn auch noch um seine Gegenwart bringt. Er muss verrückt sein, völlig verrückt.


Beruflich etwas komplett Anderes, Neues zu machen, einfach, weil das Alte abgestanden und sinnlos geworden ist, davon hat er immer geträumt. Er gehörte noch zu der privilegierten Generation, die bis zur Rente in ein und demselben Beruf, bei ein und derselben Firma arbeiten durften.


Allein die Illusion auf gepackten Koffern zu sitzen, hält ihn davon ab durchzudrehen. Seit jetzt 23 Jahren sitzt er hier auf gepackten Koffern.