Samstag, 22. April 2023

 Und dann steht man da rum und erzählt sich gegenseitig irgendeinen Scheiß, so einen tranigen Alltagsscheiß. Weil man das so macht.


Sich die Menschen und das Leben schön zu trinken, war ihm nie so recht gelungen. Sich stumpf zu trinken, reichte ihm ohnehin; das war schön genug.


Er sagt den anderen einfach, was sie hören wollen, weil er keine Lust hat aufs Diskutieren, das ist schon alles, aber dann missverstehen die das als Einladung, noch mehr Bullshit bei ihm abzuladen. Irgendwann lässt er's ganz und geht gar nicht mehr raus.


In seiner Fantasie war's erhebend, wie in 'nem Film. Die Realität ist dann bei so was aber immer nur 'ne trübe Tasse.


Diesen Wunsch oder sogar Drang nach Aufmerksamkeit und Bestätigung konnte er nicht nachvollziehen, hat er nie verstanden. Deswegen hat er auch nie die Menschen verstehen können, hat sie in ihrer Schändlichkeit immer unterschätzt.


Er hat nie Karriere gemacht. Oder einen Strandurlaub. Dafür hat er viel rumgesessen, hat sich gefragt, was der Scheiß soll. So was halt.


Vieles hatte er von seinem Vater – und ebenso vieles von seiner Mutter. Und deren gehässige Streitereien tobten in ihm sein Leben lang.


Sie fragen dich, wie dein Urlaub war, ob du dich auch gut erholt hast. Oder wie dein Wochenende war, ob du was unternommen hast. Und du antwortest seit jeher mit den immer gleichen Floskeln, aber sie bleiben dran.

Donnerstag, 20. April 2023

 Im Wartezimmer lässt er sich ächzend auf einen Stuhl nieder, er ist übergewichtig, er schnauft, schwitzt und er riecht. Die Frau neben ihm steht auf und setzt sich woanders hin. Er schnauft weiter, wischt sich übers verschwitzte Gesicht und die wässrigen Augen.


In der Mittagspause mache ich meinen üblichen Spaziergang. Beim Überqueren der Kanalbrücke stelle ich mir wieder vor, ich werfe die Firmenschlüssel ins Wasser. Wie um etwas zu besiegeln, wie in einem billigen Film. Illusionskitsch.


Er hat eine neue Freundin, redet aber schon jetzt abwertend über sie, bezeichnet sie als "Madame": "Madame will aber das, Madame sagt aber jenes." Sein Kumpel lacht zustimmend, hält ihn aber für einen miesen Arsch.


Ja, kann schon sein, kann aber auch nicht sein. Ich mein', es spricht schon viel dafür, aber da gibt's ja auch schon noch was, was dagegen spricht. – Ich denk', ich bleib' dabei: Kann schon sein, kann aber auch nicht sein.

Dienstag, 18. April 2023

 Der übliche Kater am Sonntag beeinträchtigte ihn in seiner Empfindsamkeit und Offenheit, bewahrte ihn vor den sonntäglichen Finessen der Sonntage.


Die Feiertage verbringt er allein. Wie ja alle anderen Tage auch. Selbst die Arbeitstage inmitten der Kollegen verbringt er ja im Grunde allein. Manchmal ist er betrübt deswegen, aber meistens eigentlich nicht. Es ist einfach sein Leben, das er da lebt.


Den Müll rausbringen, die Einfahrt kehren, die Nachbarn beobachten, was man halt so macht, aber manchmal hat er schon so'n komisches Gefühl, so, als hätte er sich nicht sein Leben ausgesucht, sondern sein Leben ihn – so in der Art wie das mit seiner Frau auch gewesen ist.


Nein, er konnte ihr nichts vorhalten, da war nichts. Sie ging ihm mit der Zeit einfach so auf die Nerven. Einfach so. Und er schämte sich dafür. Genau wie damals, bei ihrer Vorgängerin.


Von ihm kam ja nie was, also bestimmte sie, was gemacht wurde und wo's langging. Er ließ es mit sich machen, war oft genervt, aber ließ es mit sich machen. So kannte er es auch von seinen Eltern und im Grunde wollte er es immer so haben.

Sonntag, 16. April 2023

 Er hat es gemacht, aber es hat nichts mit ihm zu tun, rein gar nichts, außer, dass er es halt gemacht hat. So geht das Tag für Tag, Montag bis Freitag, 8 Stunden lang. Am Wochenende macht er dann was anderes, aber am liebsten macht er nichts, rein gar nichts.


Er hatte sich früh von seinen Illusionen verabschiedet, hat den bürgerlichen, sicheren Weg eingeschlagen. Mit hämischer Genugtuung verfolgt er jetzt das Scheitern ehemaliger Bekannter, die geglaubt hatten, sie schaffen es. Einem hat er jüngst 50 Euro zugesteckt.


Als ob es nicht schon schlimm genug wäre, nein, dann erteilen sie dir auch noch ihre Ratschläge, lassen dich teilhaben an ihrer Weisheit.


In seinen Wandkalender mit den Jahreszeitmotiven hatte er sich notiert, wann welche Mülltonne geleert wird. Sonst waren da keine Einträge mehr, nichts.


Bin gerade in Stimmung, aber null Ahnung für was denn überhaupt. Ich mach mir noch ein Bier auf, dann renkt sich das wieder ein.

Freitag, 14. April 2023

 Ist ja schön und gut, was Sie mir da so alles auftischen, aber meine eigenen Paradiesvorstellungen sind nun mal in der Lebenszeit angesiedelt und 'ne Einlasskontrolle gibt's da schon mal gar nicht.


Alte Gewohnheiten, die ihm eigentlich keine Freude mehr bereiten und auch sonst völlig sinnlos geworden sind: Er hält dran fest. Sein Leben entgleitet ihm, also hält er dran fest.


Sie überhäufte ihn mit ihrem Geschwätz, ohne Punkt und ohne Komma und immer wieder mit dem gleichen Scheiß. Sie wusste selbst, dass er kaum noch hinhörte. Hauptsache, er hielt dabei den Rand.


Beim Lebenslauf vor allem stets an mögliche Bewerbungen denken! Dafür ist er da, der Lebenslauf.


Nichts war ihm gut genug, alles bestätigte ihn in seiner Wut und seiner Frustration. Und so verbrachte er seine Zeit und irgendwann war's das dann gewesen.

Mittwoch, 12. April 2023

 Selbst als junger Mann ging er nicht auf die Barrikaden. Er ging in die Kneipe, soff sich einen an, machte sich einen Witz aus allem. Er wollte niemandem auf den Sack gehen, so wie ihm niemand auf den Sack gehen sollte.


Diese "Kulturschaffenden", das sind doch auch so welche. Bei uns zwei Häuser weiter, da hat mal einer gewohnt, das war so einer. Ein Schwätzer vor dem Herrn, aber mit Schaffen nix am Hut. Hab nicht einmal gesehen, dass der mal was am Schaffen war.


Als alter Stinkstiefel zog er dann los, im alten Arbeitskittel, so machte er seine täglichen Kontrollgänge und spuckte anderen in die Suppe. Da hatte er ein Recht dazu, so war das damals, als Rentner noch Rentner waren.


Er wartet gern, selbst jetzt in der Schlange vor der Kasse. Das Warten hat einen schlechten Ruf, aber er wartet gern. Er wartet auf besseres Wetter, auf die Rente, auf den Tod; völlig egal, er wartet und ist die Ruhe selbst.


Als Gewinner dastehen?  –  Ich weiß nicht, stell ich mir unangenehm vor. Das unbeteiligte Rumstehen, das ist eher so meins.


Ein Leben in Saus und Braus?  –  Ich hab Bier da und ich hab meine Ruhe, ich scheiß auf Saus und Braus.

Montag, 10. April 2023

 Alles, was ganz nett und schön war, mussten sie dann aber idealisieren, mit romantischer Gefühlsduselei übergießen. Er wusste nicht mehr, was er noch fühlen sollte, interessierte sich mehr und mehr für das, vor dem sie ihn warnten.


Er ist mit einer bürgerlichen Arbeitsmoral aufgewachsen und wie sie ihm früher mal von Nutzen war, so macht sie ihn inzwischen kaputt, faktisch krank. Eigentlich kann er schon längst nicht mehr.


Ein guter erster Eindruck, das ist was für Könner: Mietnomaden, Geschäftsleute und sonstige Halunken. Für mich ist das nichts.


Beruflich irgendwie was mit Action und Fame, das war so seine Vorstellung gewesen. Später lachte er drüber, genau wie er grundsätzlich über jeden Spinner und Schwachkopf lachte.


Gossenschick in der Edelboutique. Gossenjargon im Kosmetiksalon.

Donnerstag, 6. April 2023

 Für das schöne, glückliche Leben, das er sich manchmal so vorstellte, fehlte ihm in Wahrheit doch auch der Nerv.


Als Aussteiger leben? Aussteigen? Woraus denn? Aus seiner 1½-Zimmer-Wohnung?


Bin ja vom Typ her eher so der langweilige Typ. An einem kurzweiligen Leben habe ich auch gar nicht so das Interesse.


Dann griff ich aber doch mal wieder zur Flasche. Der Stumpfsinn war befreiend, ging dann aber schnell über in lächerliche Großmannsphantasien und andere unwürdige Widerlichkeiten. Der Rausch war nur noch fauler Zauber, Kulissenschieberei. Es war ernüchternd.


Draußen is' Wetter, drinnen is' besser.

Sonntag, 2. April 2023

 Sie saßen vorm Fernseher, seine Frau liebte diese Fernsehshows und er starrte vor sich hin. Manchmal hatte er noch Fantasien oder sogar Pläne, aber das waren Hirngespinste, reine Hirngespinste.


Da er aber ja nirgendwo mehr einen Sinn erkennen konnte, war die eklatante Absurdität seiner beruflichen Tätigkeit nun auch nicht weiter von Belang. Dass ihm seine Arbeit so auf den Sack ging, war dem Alltäglichen geschuldet.


Diese toxische Männlichkeit, die hat doch null Chance gegen die gute alte Gewitterziege – von dem klassischen Hausdrachen ganz zu schweigen.


Er stammt aus bescheidenen Verhältnissen, hat sich da aber raus gearbeitet, hat sich mit viel Fleiß und eisernem Willen was aufgebaut. Jetzt hat er Depressionen und 'nen kaputten Rücken – so kann's gehen.


Entrückt am Samstag, erdrückt am Sonntag, gebückt zum Montag.