Sonntag, 19. April 2020

Nachdem Reinhold N. die Diagnose erhalten hatte, machte er noch bis zum Schluss seine üblichen sanftmütigen Scherze, um es seinen Angehörigen und überhaupt allen leichter zu machen. Er wusste, er wurde geliebt, immer schon.


Seine Tätigkeit als ein für die Programmspalten zuständiger Redakteur bei einer billigen 14-Tage-Fernsehzeitschrift entsprach seiner resignierten Welthaltung und so war er zumindest in der Hinsicht mit sich im Reinen.


Zwangsläufig wurden mit der Zeit seine Wissenslücken immer großflächiger. Um sich weiterhin zu behaupten, hielt er seine Wissensinseln beisammen und bemühte sich, zumindest diese auszubauen.


Seine unablässigen Bemühungen, gleich beim ersten Eindruck als der brillante Komiker dazustehen, für den er sich hielt, waren in aller Regel ein tiefer Griff ins Klo. Zu seinem Glück war er völlig empathielos.


Für seine unglaublich billigen Texte erhält er unglaublich viel billigen Zuspruch. - Ja, aber dafür musst du da auch erst mal hinkommen für!


Das "BACK·FACTORY" in der Fußgängerzone avancierte nicht nur zum lukrativsten Café der Stadt, sondern auch zum hipsten. Die hiesige, sehr sarkastisch ausgerichtete Künstlerszene traf und inszenierte sich dort regelmäßig bei einem Automaten-Cappuccino.

Montag, 13. April 2020

Eines Morgens war er plötzlich da: säuerlicher Altmännergeruch in seinem Schlafzimmer. Er öffnete das Fenster, streckte sich und machte mit grimmiger Miene ein paar schlotterige Kniebeugen. Über sich selbst lachte er am liebsten, das hielt ihn jung.


Der von allen bewunderte und von ihm teuer bezahlte Ausblick aus seinem Penthouse am Meer war gar nicht so viel wert, es war immer der gleiche.


Für ihn in seiner bedrückenden Einsamkeit sind die Abendstunden die schlimmsten. Die Sommerzeit hat andere Anhänger.


Selbst wenn er originell, witzig und intelligent ist, ist Zynismus auf Dauer nicht so der Bringer.


Für ihn war sie ein nervendes Nervenbündel und aus boshaftem Trotz wurde er eine tranige Trantüte und so machten sie sich ihr Leben lang gegenseitig die Hölle heiß, denn damals auf dem Dorf war eine Scheidung ein Sakrileg.


Kaum war sie in sein Leben getreten, musste er sich auch schon für seinen vermeintlichen Geiz rechtfertigen. Er war es als langjähriger Junggeselle nun mal gewohnt, seine Unterwäsche bis über eine gewisse Löchrigkeit hinaus zu verwenden.


Irgendwann läuft es nur noch auf gutes Essen hinaus, vor allem die Trinkerei.


Der durchaus ansehnliche und finanziell nicht minder gut aufgestellte Herr L. wünscht sich eine seriöse, altmodische Heiratsvermittlung ohne Internet-Tamtam. Liebe ist eine Sache, eine funktionierende Ehe eine andere, so sein Leitmotiv in dieser ihm dringlichen Angelegenheit.


Erst der feine Geruch hartgekochter Eier in der 2-Zimmer-Whg. der Kleinschmidts sorgte dann für eine angemessen feierliche Osterstimmung.

Sonntag, 5. April 2020

Die Lösung seiner meisten Probleme war dermaßen naheliegend, dass er seinen Blick nach innen hätte richten müssen.


Wie er seinem persönlichen Versagen dann mit einem unaufgeregten Lachen gegenübertrat, machte ihn endgültig zur coolen Socke.


Als der fanatische Retro-Hipster Carsten S. in die Jahre kam, wurde ihm voller Wehmut bewusst, dass er ja irgendwie auf keine wirklich eigene coole Zeit zurückblicken konnte.


Der Herr R. war klug und gab sich immer eine Spur naiver, als er war. Mal davon abgesehen, dass es ihn beliebt machte, entlastete es ihn in seiner geduldig errungenen Angestelltenroutine ungemein.


Nach über 20 Jahren trafen sie sich mal wieder auf ein Bier, aber die alten Sprüche und die alten Geschichten zündeten nicht mehr. Nicht mal das Bier zündete. Und überhaupt fehlte dem Abend so jegliche Bierwerbespot-Ästhetik.


Dass er nun doch wissen will, wie es ausgeht, ist das einzige Band zwischen ihm und dem Buch. Nach der Lektüre wird er kein Problem damit haben, es zu entsorgen.


Olaf K. liebte es, sich den aufgewärmten Linseneintopf von gestern kreativtönend und geruchsfreudig durch den Darm zu jagen.