Montag, 22. Mai 2023

 Er redete immer viel von Liebe, benutzte das Wort ohne Skrupel, entwertete es, höhlte es aus mit seinem seichten Geschwätz.


Bei so einer Prahlerei, ganz egal auf welchem Niveau und über was auch immer, sah er aber stets das Kindische im Erwachsenen. Und das beeindruckte ihn jedes Mal aufs Neue.


Sicher, die amüsanten Aspekte der Trunkenheit traten dann irgendwann in den Hintergrund.
Bei der Nüchternheit im Übrigen verhielt es sich ja auch nicht anders.


Nur ein einziges Mal habe ich gehört, wie meine Eltern Sex hatten. (Wobei auch nur mein Vater zu hören war.) Es war auf eine merkwürdige Art lächerlich. Aber in dem Alter, ich war so um die 15, fand ich meine Eltern ohnehin lächerlich.


Aber er lachte, machte seine schrägen Witze und lachte. Solang ihm die Scheiße doch nur bis zum Hals stand, konnte er doch immer noch lachen.

Donnerstag, 18. Mai 2023

 In aller Herrgottsfrühe poltert, tönt und trampelt er wieder durch die Wohnung. Nichts kann er leise machen, nichts!


Hatte er in geselliger Runde ein Glas zu viel, ging das häufig übel für ihn aus, Peinlichkeiten standen im Raum, es wurde geredet. Als er damit konfrontiert wurde, hatte er aber ein Einsehen und gewöhnte sich recht schnell und ohne Probleme die Geselligkeit ab.


Als wir jung waren und jedes Wochenende nachts loszogen und die Trunkenheit Abenteuer versprach und es keinen Montagmorgen gab: Gerade mal eine Handvoll Jahre, aber wir hatten sie.


Er war nicht gemacht für so ein Angestelltendasein, für eine Selbständigkeit aber schon gar nicht und anderen auf der Tasche liegen wollte er auch nicht. Also blieb's dabei: Er war nicht gemacht für so ein Angestelltendasein.


Beim Musikhören, da mochte ich immer schon nicht dabei, sondern lieber für mich sein.


Er kommt klar. Er reißt sich zusammen und kommt klar. Das reicht; mehr ist im Grunde sowieso nicht drin.

Montag, 15. Mai 2023

 Ohne auch nur im Entferntesten von irgendetwas in irgendeiner Weise überzeugt zu sein, sprach er dennoch gern im Brustton der Überzeugung. War doch alles ohnehin nur noch ein einziger großer Witz.


Da solle ich einfach drüberstehn, hat sie mir geraten. Aber das Drüberstehn ist mir unsympathisch, allein schon die Vorstellung mag ich nicht. Das entspannte Danebenstehn, das wäre eher so meins.


Auch weil er ja inzwischen selbst dazugehörte, waren ihm die alten, desillusionierten Kollegen am angenehmsten. Die, bei denen klar war, dass ihnen da alles nur noch am Arsch vorbei ging, ohne dass sie das auch nur ansatzweise zu erwähnen brauchten.


Er war schon zu lange dabei und brachte einfach nur noch die Tage hinter sich. Tag für Tag, Woche für Woche brachte er hinter sich. Dass das Leben ja nur noch an ihm vorüberzog, störte ihn auch schon nicht mehr.


Mit seinem Leben wusste er nie was anzufangen. Es war keineswegs ein elendes Leben, er kam gut zurecht und fiel nicht weiter auf, blieb allerdings dabei immer außen vor, bis zum Ende blieb er außen vor.

Donnerstag, 11. Mai 2023

 Jeden Sonntagmorgen, so gegen 8, hatten seine Nachbarn Sex. Es hörte sich mühselig an.


Verkatert, brech- und durchfallgefährdet im NETTO am Samstagmorgen und dann ist der gute Wodka ausverkauft! Seine Googlerezension wird sich gewaschen haben.


Er soll endlich mal aus den Puschen kommen, sagen sie ihm, mal endlich den Arsch vom Sofa hieven! Und wenn er dann fragt, wofür er das denn tun sollte, dann kommen sie ihm mit völlig abstrusen Vorschlägen, mit so unglaublich abwegigem Scheiß kommen sie ihm.


Die Hölle aber vermag sich der Mensch um ein Vielfaches einfallsreicher und beeindruckender auszumalen als den Himmel. – Da hat er eher einen Draht zu, mehr Erfahrung und so.


Aus Sammelspaß wurde Sammelleidenschaft wurde Sammelsucht wurde Sammelwut – und ein Haufen Kram. Und das war dann alles, was er noch hatte: ein Haufen Kram.


Tja, was will man machen, dachte er sich. Und dieser Gedanke kam ihm nun häufiger, wurde so langsam zu seinem Lieblingsgedanken.

Dienstag, 9. Mai 2023

 Der Arbeit wegen war er hierher gezogen. Allein schon dafür wollte er hier wieder weg.


Dass der Mensch immer einen Lärm veranstalten muss! Und wenn man dann mitkriegt, aus welchem Grund und zu welchem Zweck diese oder jene Lärmerei überhaupt veranstaltet wird, ja, dann braucht's schon mal Selbstbeherrschung, um nicht noch einen Lärm oben drauf zu setzen.


Das Leben ist kein Wunschkonzert, fürwahr. Viel eher doch eine Drehorgelbeschallung.


War er unter Menschen, war er der Faxenmacher, machte sich aus allem einen Spaß. Um nicht zu verzweifeln, machte er sich aus allem einen Spaß.


Ohne die Stelle zu wollen, bewarb er sich. Ging sogar zum Vorstellungsgespräch. Als er dann die Stelle auch noch angeboten bekam, sagte er ab. Ihm ging es allein um das Abenteuer, um den Triumph. Tatsächlich sprach er von Abenteuer und Triumph, benutzte tatsächlich diese Wörter.

Mittwoch, 3. Mai 2023

 Mit jetzt 48 Jahren, seiner Fransenjacke und einer Dose Bier in der Hand zog er los zur Kirmes. Dieses Jahr musste es klappen, diesmal wird er eine kennenlernen.


Moralisch war er aus Eitelkeit und wehe dem, der ihn in seiner Eitelkeit verletzte!


In seiner Kindheit hatten seine Eltern ein Aquarium mit Zierfischen im Wohnzimmer stehen. Ab und zu hatte er an die Scheibe geklopft, aber das war langweilig und was anderes wusste er mit diesem Unfug nicht anzufangen.


Dann begriff er, dass sie sich gern mal streitet. Ihm war das fremd, aber er spielte mit, gab ihr Kontra, obwohl ihm die Sache, um die es ging, egal war.
Sie durchschaute ihn – aber er war gut; wirklich ein Guter.

Montag, 1. Mai 2023

 So langsam sah er in den altgedienten Kollegen – es waren allesamt trübe Tassen mit trübseligen Gewohnheiten und Vorlieben – seine eigene trübselige Zukunft.


Seine Freundlichkeit war berechnend, eine kaltschnäuzige Falschheit im täglichen Umgang, wie man sie überall im Betrieb beobachten konnte. Bei ihm war es nur allzu offensichtlich, was ihm ja fast schon wieder was Menschliches verlieh.


Die rücksichtslose Launenhaftigkeit seiner Bürokollegin Frau H. war heute wieder ... rücksichtslos. Inzwischen säße er ja sogar lieber bei dem Herrn L. im Büro. Der ist stetig schlechter Laune, weil ... der ist eben so, der Herr L.; und da weiß man, was ist und was kommt.


Er gab sich nicht einmal mehr Mühe dabei, grinste selbst über seine dreiste Verlogenheit.


So wie er beschaffen ist und wie er sich aufführt, der Mensch, so ist das doch eine Zwangsläufigkeit, dass ihm mal alles entschieden um die Ohren fliegt. Sehen Sie mal, allein schon das Erlebnis eines typischen Samstagseinkaufs lässt doch nur diesen Schluss zu.