Dienstag, 28. Juni 2022

 In seiner Freizeit trug Gerd E. oft T-Shirts mit Totenschädeln und martialischen Schriftzügen darauf. Dabei war er dem Leben aber durchaus zugewandt, besuchte Volksfeste und aß gern Bratwurst mit mittelscharfem Senf.


Olaf F. hatte damals bei uns im Ort das mit Abstand schnellste und abgefahrenste Moped weit und breit. Danach verlief sein Leben allerdings weniger spektakulär.


Ein schönes Leben will er sich machen. Spätestens wenn er in Rente ist, macht er sich ein schönes Leben! – Dabei hat er aber irgendwie so eine Ahnung, dass er ja dafür gar kein Talent hat, für so ein schönes Leben.


Hinter ihrer professionellen Freundlichkeit und aufgesetzten Fröhlichkeit ging es aber alles andere als freundlich und fröhlich zu. Ihre vulgären Gedanken hielten sie bei all dem Hochglanz-Gehabe um sie herum im Gleichgewicht.


Titten! Er war besessen von Titten. Groß, klein, rund oder spitz: ganz egal, Hauptsache Titten!
Als ihm dann mit Mitte 40 selbst welche wuchsen, war die Besessenheit allerdings schon vorher etwas abgeflaut.

Mittwoch, 22. Juni 2022

 Nun ja, er hatte Dinge zu erledigen, sein ganzes Leben hatte er Dinge zu erledigen.


Sie war anstrengend, aber alle Anstrengung wert. Ihr großes Herz war ein unglaublicher Ort.


Ihre Unterschrift war großspurig und verschnörkelt, genau wie ihre Garderobe und ihr ganzes Auftreten. Sie hatte Freude am Leben, denn sie kannte es auch anders.


Irgendwann war für ihn einfach die Zeit der literarischen Bücher vorbei, sie ermüdeten ihn, auch die "Klassiker", die ihn früher so begeistert hatten. Er wollte nur noch unterhalten, abgelenkt werden und da machte Hollywood sowieso den besseren Job.


Da saß er also rum in seiner Plattenbaubude, goss sich noch einen ein und stellte sich ein gelungenes Leben vor, so mit allem Drum und Dran. Dann stand er auf und warf einen Blick aus dem Fenster, auf den Plattenbau gegenüber. – Ein "gelungenes Leben", wie lächerlich!


Er macht diese Arbeit seit 20 Jahren; mehr schlecht als recht, denn der ganze berufliche Bullshit hat ihn nie interessiert und erst jetzt, wo sein Leben dermaßen in der Sackgasse steckt, begreift er, dass dieser Bullshit ihn doch nach und nach in die Knie gezwungen hat.

Samstag, 18. Juni 2022

 Der Aktenkoffer mit diesen lächerlichen Zahlenschlössern war ein Geburtstagsgeschenk seiner Frau. Er hatte so getan, als gefiele er ihm. Er traute seiner Frau nicht zu, dass sie sich über ihn und seinen Beruf vielleicht nur lustig machen wollte.


Diese lauthalsigen Menschen wieder überall, ihr Gemache und Getöse: was für eine Plage!  –  Es sollte Ruhetage geben, richtige Ruhetage, nicht diese religiösen, nein, solche, die einfach nur der Ruhe Achtung erweisen.


Das Bett ungemacht, eindeutige Verkrustungen auf der Bettwäsche und auch drumherum und sie lachten viel und dreckig. Heute erinnert nichts mehr daran: getrennte Schlafzimmer, Designermöbel und die osteuropäische Putzfrau kommt zweimal im Monat. Sie haben es geschafft.


Ehrlich und aufrichtig wollten sie sein. Und dabei immer respektvoll bleiben. Ihnen war klar geworden, wie elementar wichtig das ist, und es dauerte auch tatsächlich fast eine ganze Woche, bis sie sich wieder gegenseitig was vormachten.


Er lebte wieder allein und er hatte nichts zu tun und auch nichts vor und morgen hatte er frei. Er holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank und setzte sich damit in die Küche und für einen kurzen Moment, da konnte er sein Glück kaum fassen.

Montag, 13. Juni 2022

 Im Schutz seiner Einzimmerwohnung gab er sich seinen Grübeleien hin, dachte in seinen Begrifflichkeiten, während die Realität da draußen schon längst eine neue Sprache diktierte.


All das leere Geschwätz sollte ihnen endlich mal so richtig um die Ohren fliegen! – Das leere Geschwätz aber ließ sich nicht beirren und ging weiter, immer weiter, die Leute liebten es.


In den Job war er damals mit Mitte 20 aus Mangel an Interessen und Alternativen so reingerutscht. Damals war er Nihilist; alles abzulehnen, weil's ja doch keinen Wert hat, fand er cool und richtig. Inzwischen ist nichts mehr cool und in dem Job steckt er immer noch.


Manchmal brachte er dem Leben so viel Verachtung entgegen, vor allem seinem eigenen, dass er sich selbst wünschte, ein gewaltiger Blitz solle ihn doch einfach beim Scheißen treffen. Das sei die passende Verabschiedung, für ihn und für seine Sicht der Dinge.


In der kostenlosen Sonntagszeitung wird heute auf der ersten Seite des Lokalteils ein Eisenbahnmodellbauer porträtiert. Vor ein paar Wochen war's ein Sammler von Bierkronkorken. Der Modellbauer ist verheiratet, der Bierkronkorkentyp nicht. Ich les' so was gerne.