Montag, 30. Dezember 2024

 Sein ungemeiner Stolz, so hatte es den Anschein, kam allein schon vom Stolzieren.


Er war kein Spinner, kein Idiot, tatsächlich hatte er auf seine alten Tage noch den Mut zur Konsequenz und zog es durch: verschwendete sein Geld, seine Gesundheit, verkürzte sein Altsein.


Nichts und niemandem laufe ich hinterher. Wo käme ich denn da hin!

Donnerstag, 26. Dezember 2024

 Geriet er bei seinen Beobachtungen ins Pauschalisieren, dann war er unaufmerksam, fahrlässig, dann wurde er den Menschen nicht gerecht. Das Pauschale war uninteressant, völlig nutzlos.


Alle in einen Sack, Knüppel druff, triffste keinen Falschen, sagte er und winkte ab. Er war es leid, hatte es satt, alles.
Die ganze Menschheit, fing er wieder an und rotzte auf den Bürgersteig, alle in einen Sack!


Strunzdummes Zeug hat er dahergeredet und peinlich aufgeführt hat er sich; betrunken, aber auch nüchtern, meistens aber betrunken. Und das verfolgt und piesackt ihn nun bis heute, wahrscheinlich sein Leben lang. So ist das halt, da kann man nix machen.

Dienstag, 24. Dezember 2024

 Angetrunken umarmte er die Welt und hatte plötzlich die Spendierhosen an. Da vergaß er seine Knauserigkeit und hatte vom vielen Lachen und so mancher Rührseligkeit Tränen in den Augen. Besoffen wurde er dann wieder eklig.


Endlich daheim machte er sich ein Bier auf und dann dachte er nach über seine Arbeit – über sein Leben. Dann machte er sich gleich noch 'n Bier auf, weil ihm zu all dem Mist ja doch nichts einfiel.


Er war viel am meckern, regte sich über jeden Scheiß auf, beschwerte sich und redete dann vom Kündigen, obwohl er genau wusste, dass er woanders genauso meckern, sich über jeden Scheiß aufregen, sich beschweren und wieder vom Kündigen reden würde. Das war so in ihm drin.


Hier sei er angekommen im Hafen der Glückseligkeit, sagte er, als er den Kolleginnen und Kollegen zu seinem Geburtstag einen ausgab. "Angekommen im Hafen der Glückseligkeit", ohne Scheiß. 28 war er jetzt und er sprach verdammt nochmal von seinem Arbeitsplatz!


Vordergründig freundlich und dahinter nichts als Verkommenheit: Missgunst, Egozentrik, Intriganz. Seine manipulativen Komplimente hört man trotzdem gern, ob man nun will oder nicht. So ist das bei Komplimenten, da ist der Mensch mal so gar nicht wählerisch.

Sonntag, 22. Dezember 2024

 Weil er nicht mehr klar kam, nicht mehr weiter wusste, weil ihn alles überforderte, legte er sich dann diese Frömmigkeit zu. Das gab ihm Struktur, Halt, Selbstvertrauen und dann bald schon schaute er herab auf andere, die seiner Frömmigkeit nicht nachgingen.


Die an sich schon törichte Luxusverehrung wurde immer törichter. Und vulgärer, aus Luxus wurde Ramsch.


Gut, er war mehr so der Phlegmatiker und kein Stoiker, aber im Ergebnis machte das ja nicht unbedingt 'nen großen Unterschied, schon mal gar nicht in der Außenwirkung. Er hatte halt diese Begabung, da wo andere erst mal mühselig hin mussten.


Ja, dann fragen Sie doch einfach mal die Leute mit direktem Kundenkontakt. Fragen Sie sie, die werden Ihnen genauso sagen, dass die Spinner da draußen mehr und mehr werden. Man ist doch schon froh heutzutage über jeden halbwegs Normalen, der einem zur Tür reinschneit.


Dass einem das Berufsleben so elendig lang, das eigentliche Leben hingegen von Tag zu Tag kürzer und kürzer erscheint, ist doch auch so eine Sauerei – diese Art von Riesensauerei, der man ohnmächtig und bitter gegenübersteht.

Freitag, 20. Dezember 2024

 Dass er nun schon den Großteil seines Lebens mit dieser Arbeit verbracht hatte, dass er sich Tag für Tag dorthin schleppte, sich quälte, erschien ihm urplötzlich völlig surreal. Ihm wurde schwindlig, sogar übel, aber dann ging's wieder und er konnte zum Glück gleich weiterarbeiten.


Er spielte mal wieder den Begeisterten, sollte die Angestellten anstecken und mit auf den Weg nehmen, zu noch mehr Arbeit. Ein paar fielen sogar drauf rein oder taten zumindest so. Ihm war's gleich, er hatte seine Schuldigkeit getan und die Angestellten hatten eh keine Wahl.


Als er den neuen Kollegen einarbeitete, sagte der in einem fort "das macht doch aber gar keinen Sinn". Natürlich hatte er recht, war ein aufgeweckter Bursche, aber nach etwa 2 Monaten sah er die ganze Sinnlosigkeit auch schon nicht mehr und funktionierte gut.

Mittwoch, 18. Dezember 2024

 Die Wochenenden sollten ihn entschädigen. Der Besorgungsstress am Samstag und die Ödnis am Sonntag sollten ihn entschädigen.


Wieder Mal war es nur ein müder Abklatsch von dem, was er sich vorgestellt hatte, und wieder zog es gleich neue Bedürfnisse und neues Handelnmüssen nach sich. Besser ließ er fortan die Träume Träume bleiben, das Schwelgen in ihnen war ihm ja doch das Liebste.


Es war ihm nicht bewusst, an so was hatte er noch nie Interesse, aber sein Kleiderschrank war inzwischen hervorragend bestückt für jede nur erdenkliche Revival-Mode. Und seine 17 Jahre alten Hauspantoffeln taten's auch noch.


Trist ist es geworden in Deutschland, vielerorts heruntergekommen. Der verschwenderische Hedonismus der 70er, 80er und 90er Jahre ist anscheinend immer noch nicht beglichen. – Aber wer ihn noch erlebt hat, hat ihn immerhin erlebt.

Montag, 16. Dezember 2024

                   Deutschland, frühe 2020er Jahre







 

Samstag, 14. Dezember 2024

 Nur noch der immer gleiche Mist in Dauerschleife – und im Fernsehen kommt auch nichts mehr.


Chirurgen, die einem heutzutage eine Rücken-OP oder sonst was Kostspieliges aus dem Klinikangebot nahelegen, kann man noch so weit über'n Weg trauen wie 'nem Versicherungsvertreter oder Matratzenverkäufer. Dabei war das mal was; so'n Chirurg, der stellte mal richtig was dar.


Als er dann morgens bei der Arbeit anrief, sagte er aber "grippaler Infekt". Grippaler Infekt klang besser als Erkältung, dramatischer, da war gleich 'n Tag mehr drin. Was so was anging, da war er 'n Schlitzohr, da hatte er seinen Spaß dran.


Dummes, unangenehmes Zeug hat er daherreden müssen, Zugehörigkeit heucheln. Und mit dem Alkohol musste er aufpassen, höllisch aufpassen. Nächstes Jahr ist er zur Weihnachtsfeier krank, Magendarm, und dann sitzt er daheim auf'm Sofa, macht sich'n Bier auf und ist selig.


Er geht kaum noch raus. Zur Arbeit muss er raus. Ansonsten gibt's nicht mehr viel, für das er noch raus muss. Und so wie's da draußen inzwischen zugeht unter den Leuten, da fragt man sich ja ohnehin, ob man da nun wirklich noch raus will oder nicht.

Samstag, 7. Dezember 2024

 Kleingeister, dachte er. Erbärmliche Krämerseelen, dachte er an seinem Rotwein nippend, Einfaltspinsel, Tölpel in Abendgarderobe. Er ließ sich noch ein Glas bringen, sein fünftes, und er fühlte sich zunehmend imposant und schaute sich weiter um.


Herr P. trat auch privat belehrend auf, fühlte sich seinem Gegenüber gern überlegen. Und geizig war er, unfassbar geizig. Frau P. war übrigens ebenfalls im Lehramt tätig und auch ihr widerstrebte das Geldausgeben. Die beiden, – ja, das war so was mit denen.


Bei jeder Kleinigkeit droht er und prahlt dabei mit seinen Beziehungen, mit seiner Bedeutsamkeit. Mehr braucht man über ihn nicht wissen, mehr gibt es über ihn nicht zu sagen.


Wir alle sind lächerlich, auf die ein oder andere Art sind wir alle lächerlich. Und jene, die denken, für sie gelte das in keinster Weise, sind umso lächerlicher.


Schon bei der gedanklichen Vorwegnahme einer ihn eventuell ereilenden Ungerechtigkeit oder sonstigen Unerfreulichkeit steigerte er sich in eine unbändige Wut hinein. So hielt er sich innerlich auf Trab, so begegnete er der Welt.


Erst im späten Rückblick auf sein Erwerbsleben erkannte er die Lächerlichkeiten und Eitelkeiten dieser sogenannten Berufswelt, diese Dinge abseits der eigentlichen Arbeit, die ihn so viel Nerven gekostet, ihn nach und nach so verkorkst hatten.

Montag, 2. Dezember 2024

 Er wollte nicht aus dem Bett, hatte ja doch nur wieder einen Arbeitstag vor sich. Liegen bleiben wollte er auch nicht. Er wusste nicht, was er wollte, generell nicht, als hätte man's ihm vor langer Zeit schon gründlich ausgetrieben, das Wollen, so fühlte es sich an.


Wegen ihrer enttäuschten Erwartungen hackt sie dann eben auf die ein, die gerade greifbar sind. Sie hat als Kundin nun mal gewisse Ansprüche, ist eine starke Persönlichkeit, die sich nichts bieten lässt – und außerdem ist das deren Job, dafür kriegen die ihr Geld.


Abseits vom Auswendiggelernten, Einstudierten und Vorbereiteten kam da nicht viel, im Grunde gar nichts. Plattheiten, Floskeln, Trägheit. Man überschätzt diese Leute, lässt sich nur zu gern was vormachen.


Durchhalten!, sagte er sich immer wieder – nun all die Jahre schon. Aber für was genau er eigentlich durchhalten sollte, wo das Ziel für dieses Durchhalten war, das konnte er sich nicht sagen, ging es ja doch ausschließlich ums Weiterstrampeln, um nicht unterzugehen.


Und bei all dem Getöse um einen rum soll man neuerdings auch noch seine innere Mitte finden, seine innere Heimat, das innere Kind – lauter so'n Zeug, das da irgendwo so in einem drin ist. Aber gut, das muss ja jeder selber wissen, ob er da mal nachguckt oder nicht.