Freitag, 28. Juni 2024

 Noch als Erwachsener hatte er Abenteuer im Sinn, Stückwerk aus den Actionfilmen, die er so mochte: Sportwagen, verhängnisvolle Frauen, Schlägereien, trockene Sprüche – er war da ganz zuversichtlich, was sein Leben betraf.


Es war ihm schon früh ein Ungemach gewesen mit den Leuten. Trunkenbolde waren sie, laut und hemmungslos, oder aber bieder kamen sie daher, kalt und boshaft. Da finde mal einer seinen Platz! Ihn zog es dann zu den Trunkenbolden, zu den stillen und gefassten aber.


     ... mit ihren erhobenen Zeigefingern, die sie sich heimlich sonst wo reinsteckten und dann erregt dran rochen, und diesen Mündern, die ...


Früher war er wie die anderen auch wegen der Mehrarbeit empört, inzwischen aber sympathisierte er heimlich mit den ewigen Krankmachern, schadeten sie doch dem eigentlichen Feind. Hätte er doch nur mehr Mumm, zu gern würde er es ihnen gleichtun.


Vielen Leuten, selbst denen, die nicht allein lebten, sah er die Einsamkeit recht schnell an. Er meinte, er sah das Schicksal, das er mit ihnen teilte.
 

Zumindest einmal die Woche, am Samstagabend zwei oder auch mal drei Bier trinken, entspannen, sich ein klein wenig befreien: Selbst das gönnte sie ihm nicht, wollte sie nicht. Sie dachte, es ginge dabei um sie. Und recht schnell ging es das dann auch.


Fürs Mitmachen fehlte ihm der Antrieb, fürs Dazugehören der Sinn und für Verbindlichkeiten der Nerv. Er hielt sich raus. Wo's nur ging, hielt er sich raus.

Montag, 24. Juni 2024

 Seine Arbeit bestand im Grunde darin, den Leuten etwas anzudrehen, das sie nicht wirklich brauchten, in vielen Fällen nicht einmal wollten. 43 Jahre und 4 Monate machte er das.


Die innere Heiterkeit war ihm längst abhanden gekommen, die äußere spielte er weiterhin überzeugend. Von nichts und niemandem ließ er sich die Butter vom Brot nehmen und von sich selbst schon mal gar nicht.

Samstag, 22. Juni 2024

 Das in Aussicht Gestellte interessierte ihn aber nicht, hatte ihn noch nie interessiert. Und dennoch musste er ran, jeden Tag musste er ran.


Wofür sollte er sich noch immer so eine Mühe geben? Um von sich selbst sagen zu können, er war stets bemüht? Um vor sich selbst als Depp dazustehen?


Ging es ihm gut und war er glücklich, brachte er nicht einen brauchbaren Satz zu Papier. Schreiben reimt sich auf leiden, sagte er immer und so hielt er es auch. Der Erfolg blieb ihm allerdings verwehrt; was ihm blieb, war das Leiden – und das Schreiben.


Schon oft erhielt er lang Ersehntes erst dann, wenn es ihm nichts mehr bedeutete. Plötzlich war es da, einfach so. Um ihn zu verhöhnen.


Mit Stolz konnte er inzwischen gut umgehen: Empfand er auch nur einen Anflug davon, schrillten bei ihm die Alarmglocken.

Samstag, 15. Juni 2024

 Im Betrieb seinen Namen zu hören oder gar selbst aussprechen zu müssen, wurde ihm zunehmend unangenehm. Er wünschte sich ein Pseudonym, ein möglichst abwegiges, eine konkrete Distanz gegenüber dem Ganzen dort.


Nahm er den Hörer ab und meldete sich im Namen der Firma, klang er schwerfällig, wie in sich zusammengesackt. Und genau so saß er auch da, mit erloschenen Augen, leergeräumtem Gesicht und dem speckigen Hörer am Ohr, jahrzehntelang.


Unwichtiger, teils völlig absurder Scheißdreck, der mit grotesker Ernsthaftigkeit betrieben wird. Kleingeistige Eitelkeiten, auf die man achten muss, um keinen Ärger zu kriegen. Irgendwann lacht man drüber und dann nicht mehr, weil man inzwischen zu tief drinsteckt.


Aber jedes Mal nach zwei, drei Bier dachte er dann wieder, so schlecht ist mein Leben im Grunde jetzt auch wieder nicht.

Mittwoch, 12. Juni 2024

 Schon als Kind stand er lieber im Tor, als mit den anderen auf dem Spielfeld rumzurennen. Beim Versteckspiel suchte er sich immer bequeme Verstecke und musste er suchen, ließ er sich Zeit. Er war nicht fett oder träge, stand dem Ganzen nur damals schon fremd gegenüber.


Beim Trinken hatte er dann neuerdings immer so philosophische Gedanken, die taugten zwar allesamt nichts, aber philosophisch waren sie schon irgendwie. Nüchtern jedenfalls hatte er so was nicht, überhaupt nicht, da war da ja auch gar kein Platz für.


Meistens schwieg er. Nicht aus Feigheit oder Unwissenheit oder Weisheit – er wusste im Grunde selbst nicht warum. Das Schweigen war einfach so in ihm drin.

Samstag, 1. Juni 2024

 Unbekannt verzogen, da wollte er hin. Da wollte er sein.


Und dann stellte er sich vor, er sei ein Vogel und könnte im Fliegen kacken und müsste sich auch nie den Arsch abwischen. In seiner Vorstellungswelt war er generell sehr konkret, das hatte er sich aus seiner Kindheit bewahrt.


Nun, er ist mit sich im Reinen, weil er sich keine Gedanken darüber macht, ob er mit sich im Reinen ist. Weil er gar nicht erst auf die Idee kommt, sich so 'ne Gedanken zu machen; dafür ist er viel zu sehr mit sich im Reinen.


Schon ihr häufiges und immer exakt gleiches Lachen ließ nichts Gutes erahnen.


"Lass Dir bloß nichts gefallen!" hatten ihm seine Eltern immer und immer wieder eingebläut. Sie wollten einen lebenstüchtigen Sohn, eine Kämpfernatur. Bekommen haben sie dann eine Nervensäge.


Seine Genügsamkeit bewahrte ihn davor geizig zu sein.


Einmal auch vor Stolz und Selbstsicherheit nur so strotzen, einmal spüren, wie das ist, und dann hoffentlich nie wieder erleben wollen.