Mittwoch, 26. Februar 2025

 Der Alkohol hatte ihn da rein bugsiert und holte ihn nun nicht mehr raus, die Sauferei funktionierte nicht mehr, die Illusionen waren weg, die Tage bedrückender denn je. Nun, er gewöhnte sich dran, was blieb ihm übrig, er fand sich ab damit, funktionierte, lächelte scheu.


Peinliche Erinnerungen quälten ihn. Jugendsünden, Missverständnisse, Dummheiten. Sie hielten ihn klein, mutlos, machten etwas aus ihm, für das er sich dann auch noch schämte.


Bei all der Bitterkeit und Überstürzung um ihn herum wuchs aber sein Sinn fürs Unaufgeregte. Je mehr die Schreihälse keiften und mit den Armen fuchtelten, desto eher sah er durch sie hindurch.


Satt, unzufrieden und ratlos kroch er durch die Tage, die Wochen und Monate. Und die Renteninformation jedes Jahr war das Fenster in die Zukunft.


Arbeiten? - Ja sicher, passiert, macht man und tut einem ja auch gut. Aber arbeiten gehen?

Donnerstag, 20. Februar 2025

 Diese haarige Monstrosität da zwischen ihren Beinen? Das war es, worum sie alle so einen Wind machten, was das Größte überhaupt sein sollte, wofür sie sich gegenseitig auf die Fresse schlugen? Das? Er war entsetzt – ließ sich aber nichts anmerken und tat begeistert.


"Irgendwann ist die Luft einfach raus", sagte er und steckte sich 'ne neue Zigarette an, "aus allem. Und du musst verdammt nochmal runter von dem toten Gaul, bevor der Kadaver stinkt, weißt du." – Sein Enkel konnte die Story von seiner letzten Scheidung gar nicht oft genug hören.


Die Arbeit des nächsten Tags überschattete ihm das Heute. So war für ihn der Samstag der einzig unbekümmerte Tag. Und so saß er nun da; in seiner Wohnung, am Samstag, in seiner Freizeit.


Der guten Laune misstraute er aber, genau wie der schlechten, beide waren sie ihm wieder und wieder schlechte Ratgeber gewesen. Einen klaren Kopf hatte er nur in der Melancholie.


Aber er gewöhnte sich dran, immer wieder gewöhnte er sich dran, all seine Widerstandsfähigkeit, sein Durchhaltevermögen, überhaupt alles beruhte darauf. Sollte die Gewöhnung ihn je im Stich lassen – nun, dann wär's das gewesen, dann wäre er erledigt, keine Frage.

Sonntag, 16. Februar 2025

 Montagmorgens quält er sich aus dem Bett, voller Widerwillen und Unglück, und er fragt sich jedes Mal, wie das wohl erst wäre, wenn er auch noch arbeiten gehen müsste.


Immer nur wusste er, dass er raus wollte. Raus aus diesem Job, aus dieser Stadt, aus diesem Ganzen. Aber nicht, was er stattdessen wollte. Nicht mal wusste er, ob es ihm vielleicht an Mut mangelte, da er nichts sah oder erkannte, was er mit Mut hätte angehen können.


Was die Arbeit ihm, abgesehen vom Geld, angeblich alles geben sollte, welche Bereicherung sie für ihn sein sollte, das konnte er nie nachvollziehen, hielt er für eine Art Propaganda. Auch das Leben, das ihm diese Arbeit ermöglichte, blieb ihm fremd.


Er hatte sich witzige Anekdoten und geschliffene Formulierungen zurechtgelegt, war alles immer wieder haarklein durchgegangen und wie er dann da saß und zuhörte, wusste er nach 3 Minuten, dass es umsonst gewesen war. Die Vorbereitung an sich aber war schön gewesen.


In seiner Freizeit geht er gern die am nächsten Tag anstehende Arbeit schon mal in Gedanken durch und kriegt dabei schon mal vorab schlechte Laune, das ist so ein Hobby von ihm.

Freitag, 14. Februar 2025

 Kann schon sein, kann aber auch nicht sein. Bin ich Jesus oder was? Ja, ich hätt' gern'n Bier. Das waren seine drei Lieblingssätze, eindeutig seine Top 3, bis zum Schluss haute er die raus, ungelogen: den mit dem Bier sogar noch auf'm Sterbebett.


Wo's nur ging, ging er den Leuten aus dem Weg. Vielleicht lag's an ihm, vielleicht an den Leuten. Er zerbrach sich darüber nicht länger den Kopf, es passierte einfach.


Nicht dass er keine gehabt hätte, aber seine Meinungen kundzutun, sie unter die Leute zu bringen, fand er sinnlos. Er nutzte sie, wenn überhaupt, um danach zu handeln.


Er fläzte sich hin, grundsätzlich, selbst auf den einfachsten Holzstuhl fläzte er sich hin. Und dann redete er, gedehnt und behäbig, ergriffen von seinem Tiefsinn und seiner Weltkenntnis. Wer ihm gegenüber saß, war ihm gleich, nahm er längst nicht mehr wahr, er redete und redete.


Sogar den Urin des Nachbarn hörte er plätschern und mehr als die Hälfte seines Einkommens ging für diese Wohnung drauf.

Dienstag, 11. Februar 2025

 Neuerdings hatten sie in der Firma alle so Brotdosen mit so Fächern drin und in der Pause aßen sie dann kleine Brote und fertig geschnittenes Obst und Gemüse daraus. Er blieb bei seiner Alufolie und überhaupt deprimierte ihn das alles nur noch. Er wollte ein anderes Leben.


Er trug ein Namensschild, das ihn als Mitarbeiter auswies. Aber das hatte nichts mehr mit ihm zu tun. Ihm war das alles egal geworden, innerlich war er da längst raus. Man merkte es an seiner ruhigen, freundlichen Gelassenheit. Die Kunden immerhin mochten ihn dafür.


Ob es nun der Alkohol war oder die Völlerei: beruhigen wollte er sich, Stumpfsinn erleben. In der Arbeitswoche stopfte und am Wochenende soff er sich zu. Und schlafen wollte er, das war ihm überhaupt das Liebste: schlafen.


Über die vermeintliche Dummheit der Leute herzuziehen, sich sogar süffisant drüber lustig zu machen, ließ er lieber bleiben. Seine eigene Beschränktheit war ihm oft genug vor die Füße gefallen.


Geschwätz, Geschwafel, Gewäsch – vielleicht, um einen müde und mürbe zu machen, um einen dazu zu bringen, alles mit sich machen zu lassen, vielleicht deshalb all das Geschwätz, das Geschwafel und endlose Gewäsch.

Samstag, 8. Februar 2025

 Alles oder nichts, sagte er immer, erst euphorisch, später trotzig und schließlich verbittert. Sein heroisches Selbstverständnis blieb davon unbeeindruckt, gerade im Trotz und in der schlussendlichen Verbitterung verlieh es ihm auch diese gewollte Tragik.


Mit eingezogenem Kopf ging er zur Arbeit, kam er von der Arbeit, brachte er seine Einkäufe in die Wohnung, ging er sonntags spazieren. Wahrscheinlich schlief er sogar mit eingezogenem Kopf, das wusste er aber nicht, weil er da ja schlief, aber er vermutete es.


Probleme, zeitlebens in einem fort Probleme. Und Überwindung. Und Mühsal. Und wenn einem aber die gebratenen Tauben nur so in den Mund fliegen, dann isses über kurz oder lang auch wieder nicht das Richtige. Bescheuert, das isser, der Mensch, vollends bescheuert.


Er wäre gern ein One-Hit-Wonder gewesen. Nicht unbedingt Musik, nein, irgendwas. Irgendeine Großartigkeit, auf die er dann zum Lebensende mit einem breiten Grinsen hätte zurückblicken können. Eine Sache nur, eine einzige!


Er war jung, fühlte sich berufen, fand sich genial. Dann wurde er älter, fühlte sich so lala und fand sich soweit zurecht.

Mittwoch, 5. Februar 2025

 Menschen langweilen sich schnell allein und suchen dann Unterhaltung bei anderen. Bei ihm war's auch so, nur eben andersrum.


Diesmal ist er mal nüchtern da. Er schaut sich um und nichts spricht ihn an, nichts gibt ihm was. Und was all die Leute da so umtreibt und amüsiert, das erschließt sich ihm auch nicht. Diese Nüchternheit, das is' schon so 'ne Sache für sich.


Der Spaß und die Unbekümmertheit der Jugend waren weg. Da konnte er sich noch so albern anziehen oder sich noch so viel nostalgisches Zeug anschaffen, es half alles nichts. Da entdeckte er den müden alten Sack in sich. Er feierte ihn nicht, lebte ihn einfach. Und das war cool.


Mehr und mehr Aspekte des Ganzen erschienen ihm absurd, unnütz, völlig lächerlich, und er weigerte sich, darüber in Aufregung zu geraten. Sollten sie sich doch gegenseitig die Hölle heiß machen, sich das Leben vermiesen, er zog es vor, für sich zu sein und niemandem auf den Sack zu gehen.


Er war damals hierher gekommen wegen der Arbeit und wegen der war er immer noch hier, schon dafür hasste er diese Stadt. Es war die durchschnittliche, übliche Stadt mit den üblichen Angeboten und Möglichkeiten und Annehmlichkeiten und das machte ihn so ratlos, so wütend.