Donnerstag, 31. Oktober 2024

 Bitte hören Sie auf, mir zu raten, das Leben zu genießen. Sie haben keinerlei Ahnung von meinem Leben, also bitte lassen Sie das.


Seine Unzufriedenheit mit seiner gesamten Lebenssituation hatte inzwischen ein Ausmaß angenommen, das es ihm unmöglich machte, diese zu kaschieren. Da konnte er erzählen und behaupten, was er wollte, es stand ihm ins Gesicht geschrieben und das ging auch nicht mehr weg.


Es war ihm bewusst, dass es die negativen Erfahrungen sind, die Ärgernisse, Misserfolge und Enttäuschungen, die einem die Augen öffnen. Dennoch empfand er ihnen gegenüber in keinerlei Hinsicht Dankbarkeit, sein vorherrschendes Empfinden war immer schon die Wut gewesen.


Mit jedem Misserfolg, mit jeder Zurückweisung wurde er misstrauischer und empfindlicher, sah genauer und genauer hin. Und dann sah er es, wusste es fortan: Sie hatten es auf ihn abgesehen. Alle. Alle miteinander. Überall.

Sonntag, 27. Oktober 2024

 Des Nachts wälzte er sich schlaflos und sorgenvoll in seinem Bett hin und her und am Tage saß er dann in diesem furchtbaren Büro und versuchte sich im Träumen.


Das einzige Glück seiner Arbeit bestand für ihn noch darin, sie für den Tag hinter sich gebracht zu haben. Ein Glück für ein paar Minuten vielleicht, Sekunden mitunter, dann hatte ihn schon wieder der andere Trott.


Eine Arbeit zu finden, die ihn nicht schon nach kurzer Zeit mit Widerwillen erfüllte, ihm nicht von Grund auf widerstrebte, ihn abends einschlafen lies und ihn ernährte, das blieb ihm verwehrt. Sein Leben lang musste er sich verbiegen, seine Seele opfern.

Dienstag, 22. Oktober 2024

 In seinen Tagträumen erschlug er seine Feinde. Nahm sich ihre Frauen. Und wilde Orgien feierte er, verprasste das erbeutete Gold, den Schmuck, die Edelsteine. Aber das eher nebensächlich, in erster Linie erschlug er erst mal seine Feinde.


Sicher will man lieber das Positive im Menschen sehen, ist ja auch für einen selber schöner. Aber nicht umsonst hat sich das misstrauische, vorsichtige Modell in der Evolution durchgesetzt.


Die Sinnhaftigkeit der meisten Mühseligkeiten erschloss sich ihm nicht, gerade derer, die darauf abzielten, andere zu beeindrucken. So erwuchs in ihm im Laufe der Jahre eine gewisse Bequemlichkeit. Faulheit sagten einige. Nun gut, von ihm aus auch Faulheit, was soll's.


Als ob es einfach wäre, es sich einfach zu machen. So eine Einfachheit, wenn sie denn funktionieren soll, hat es in sich, die will gelernt sein, die ist alles andere als einfach.

Freitag, 18. Oktober 2024

 Er konnte sich immer auf ihn verlassen, wusste, woran er an ihm war und worauf er sich einließ, und war auch immer bereit, den Preis dafür zu zahlen. Und heute war der Wodka sogar im Angebot: 6,49 Euro.


Der Alkohol nahm ihm die Angst, ließ alles plötzlich so einfach erscheinen und ihn dann diese Entschlossenheit und Zuversicht spüren – verkaufte ihn also für dumm. Er schenkte sich trotzdem noch einen ein, um genau die Täuschung ging's ihm ja.


Er wollte raus aus dem Trott, aus dieser Trostlosigkeit, wusste aber nicht wie, hoffte insgeheim, dass was passierte, was ihn gezwungenermaßen da raus holte. Aber so lief das nicht; wenn was passierte, holte ihn das nie da raus, es machte den Trott jedes Mal nur noch schlimmer.


Als wären ihre Emotionen andressiert und abrufbar, so sprangen sie auf jede Mode an, jeden Trend, machten alles mit, wirklich jeder Albernheit rannten sie hinterher.


So eine richtige Sauflaune, das gab sein Leben nicht mehr her.


Gegenüber anderen war er nachsichtiger und geduldiger als gegenüber sich selbst. Die insgeheim hohe Meinung, die er von sich hatte, war da recht streng mit ihm.


Tatsächlich wurde er als Hund wiedergeboren. Was er dann in diesen 9 Jahren alles für die ihm zugeteilten Menschen tat, machte seine vorherigen 82 Jahre als Mensch wieder mehr als wett.

Dienstag, 15. Oktober 2024

 Er schaute sich keine Shows an, fand sie in ihrer Albernheit unerträglich. Ihm reichte da schon das reale Leben mit all den vermeintlichen Spaßvögeln, den Spinnern und Schwätzern, den Posern, Nervensägen, Langweilern und sonstigen Akteuren; dieses ganze Affentheater.


Sie redeten daher, was ihnen gerade so in den Sinn kam, wie Kinder; und fad war es, das Gerede, gehässig mitunter, und dann fielen sie sich auch noch ständig gegenseitig ins Wort, lachten aber – tatsächlich fühlten sie sich wohl in diesem lärmenden Miteinander.


Die Oberflächlichkeit der Menschen, ihre Vergnügungssucht und Lärmerei: Das regte ihn auf. – So sehr regte ihn das auf, dass er immer mal wieder in aller Öffentlichkeit die Fassung verlor. Seine empfindliche Ernsthaftigkeit machte einen Tölpel aus ihm.

Donnerstag, 10. Oktober 2024

 Ihre warmen Worte steckten sie sich nicht sonst wo hin, sie hefteten sie sich ans Revers.


Trotz seines unbestrittenen Erfolgs, seines hohen Ansehens und all seiner Privilegien neigte er immer noch zu kleingeistiger Gehässigkeit, er hatte es nicht wirklich geschafft.


Zu oft wurden seine Illusionen und Hoffnungen zerstört, zu oft hat er sich mies gefühlt, jetzt lässt er alles nur noch auf sich zukommen, wartet ab, betrachtet die Dinge erst mal dahingehend, dass sie ihn möglichst amüsieren, ihn womöglich sogar zum Lachen bringen.


Die wenigen Male, die er sich bei der Arbeit zu einer ehrlichen Äußerung bzgl. der Arbeit hatte hinreißen lassen, genügten, um ihn endgültig eines Besseren zu belehren.


Vor allem, wenn er was getrunken hatte, juckte es ihm in den Fäusten. Dann suchte er sich einen, der was an sich hatte, was ihm nicht passte. Und irgendeinen fand er immer. Im Grunde war das sein Hobby, sein Ausgleich.

Donnerstag, 3. Oktober 2024

 Obwohl er die Zuverlässigkeit in Person war und es nichts gab, rein gar nichts – in all den Jahren nicht –, was man ihm hätte vorwerfen können, wurde er von seinen Vorgesetzten beargwöhnt. Er registrierte das mit Genugtuung, es gab ihm ein Stück weit seine Würde zurück.


Die Freundlichkeit verlogen, die stetige Heiterkeit aufgesetzt und auch sonst macht er einen guten Job. Passt super ins Team. Ja, der geht seinen Weg, da sind sie sich alle einig.


Auch wenn ich den anderen vielleicht lieber zuhör', verlassen tu' ich mich eher auf die Phantasielosen.


Als sei man dazu verdammt, tagein tagaus zwischen lauter 14jährigen auf dem Jahrmarkt im Autoscooter im Kreis herumzufahren und sich in einem fort anrempeln zu lassen.


Wurde er wütend, dann lud diese ungestüme Energie in ihm einfach nur seinen Körper und seinen Lebenswillen mal wieder etwas auf; eine biologische Notwendigkeit, unangenehm, aber ja nur von kurzer Dauer und durchaus händelbar.


Beim Trinken phantasierte er sich ein aufregend schönes Leben herbei, dann war es zum Greifen nah, er sah es klar vor sich und er wusste genau, was er zu tun hatte, es war so simpel, gleich morgen konnte's losgehen.


Seine Eltern haben ihn als Kind nach Strich und Faden verwöhnt, so erklärt er sich und anderen seit jeher sein Scheitern als Erwachsener. Es ist eine plausible Erklärung und sie tut ihm gut, jedes Mal aufs Neue.